Literatur

Lesenswertes: Ineos Grenadier seit 2022

Sand, Jörg: Ineos Grenadier seit 2022. Stuttgart (Motorbuch-Verlag) 2025. 108 Seiten. ISBN 978-3-613-04743-3. Preis 16,95 Euro.

Der Land Rover Defender, der echte, der Ur-Landy seit 1948, hinterließ bei seinem Ableben 2016 eine schmerzliche Lücke bei der „gusseiserner Fraktion“ derer, die einen echten Geländewagen benötigen und kein weichgespültes SUV mit Einzelradaufhängung und stylischem Äußerem. Ihnen bleibt nicht viel, und so hat sich Ineos entschlossen, einen würdigen und probaten Nachfolger, den Ineos Grenadier, zu konstruieren. Ihm widmet der Geländewagenspezialist Jörg Sand eine Typenchronik im Motorbuch-Verlag. Das Buch ist nach Schema F aufgebaut, wie eben alle Typen-Chroniken, und kostet auch so viel wie alle anderen. Auf den Inhalt kommt es an, und Jörg Sand ist vom Fach. 100 redaktionelle Seiten reichen vollkommen, um über den Grenadier vollkommen Bescheid zu wissen. Dafür braucht es keine doppelseitigen Hochglanzfotos, poppiges Layout und launige Interviews mit redseligen Managern oder Designern, sondern fundierten Inhalt. Genau das liefert Sand – auch weil er nach eigenem Bekunden Mitglied einer unabhängigen Expertenkommission war, die, begleitend zur Fahrzeugkonstruktion, deren Parameter zu definieren halfen. Sand kann also „aus dem Nähkästchen plaudern“.

Hinter Ineos, einer völlig neu gegründeten Automobilfirma, steckt ein Chemiekonzern, der den self-made-Man Jim Ratcliffe zum reichsten Briten machte. Er ist vom Ur-Landy begeistert, bedauert dessen Produktionsstopp und sieht eine Marktlücke. Sand geht auf den Ur-Landy ein und auf dessen quasi-Nachfolger, den spanischen Santana PS-10 Anibal und den daraus erwachsenen Iveco Massif, beide sehr dauerhafte Konstruktionen und höchst geländegängig, aber unmodern und mit unzeitgemäßem Blattfederfahrwerk ausgestattet, was den Offroader für die heutige Zeit nur bedingt tauglich oder gar untauglich macht. Der Anibal/Massif wurde zwischen 1998 und 2010 produziert und sah dem echten Defender sehr ähnlich. Das tut der Ineos Grenadier auch, und wenngleich er proportional viel größer ist, orientiert er sich eindeutig am alten Land Rover, will aber alles viel besser machen.

Für die Konstruktion beauftragte Radcliffe Magna in Granz, für die Produktion kaufte er Daimler-Benz deren Smart-Werk im Elsass ab (und fertigte anfangs im Mercedes-Lohnauftrag die letzten europäischen Smarties), als Motorenlieferanten konnte er BMW gewinnen, weitere namhafte, internationale Zulieferer liefern zu und die Markteinführung des Ineos Grenadier erfolgte im Dezember 2022.

Die Beschreibung des Ineos Grenadier in allen Karosserie- und Technikvarianten nimmt großen Teil im Buch ein und ist vor allem deskriptiv, weniger kommentierend, und trotzdem der Grenadier ein ziemlich junges Auto ist, gibt es etliche Sondermodelle, Studien und Einzelstücke, bis hin zum achtsitzigen Safari-Grenadier vom Karosseriebauer Kavango in Botswana, geeignet für Fotosafaris. Einen militärischen Grenadier wird es nicht geben, denn BMW machte das zur Bedingung für die Motorenlieferungen.

Im Folgenden beschreibt Sand die Schwierigkeiten eines Newcomers im etablierten Angebotsumfeld und bezeichnet den Grenadier als gelungene Alternative zu den (wenigen) Hardcore-Platzhirschen, betont dessen Individualität, beklagt allerdings auch den hohen Preis, der die Anschaffung eines Grenadier gerade für gewerbliche oder öffentliche Nutzer schwierig macht. Dennoch sind bereits etliche mit hoheitlichen Aufgaben unterwegs (Seenot-Retter, Berg- und Höhenrettung, Ambulanz-Kommandowagen). Die beiden letzten Kapitel über Fahreindrücke on- und offroad und Expeditionszubehör ist nur für wahre Fans oder Kaufinteressenten von Belang. Illustriert ist das Buch weitgehend mit Werks- und sonstigen Profiaufnahmen. Das Lektorat wirkt an manchen Stellen etwas schludrig. Der Lektor hätte das Manuskript vor Druckfreigabe noch ein zweites Mal durchlesen sollen.

Die Frage, welche die Modellautosammler interessiert, ob es einen Ineos Grenadier in 1:18 oder 1:43 gibt, beantwortet der Autor nicht. Wir beantworten sie: Ineos selbst hat einen Grenadier in 1:18 eines unbekannten China-Herstellers angekündigt, der über deren Merchandising-Schiene für rund 180 Euro verfügbar sein wird – es aber offenbar noch nicht ist.

afs