Das letzte Aufbäumen
In der letzten Version vor dem Produktionsende bringt Norev im Königsmaßstab die Renault Frégate, eine große 50er-Jahre-Limousine. Der letzte große Renault, welcher die Erwartungen seiner Väter erfüllte. Und das Modell erfüllt jene der Sammler.
Es gab Zeiten, als Renault im Segment der Oberklasselimousinen gut vertreten war, in den 50er Jahren. Was nach einer 15jährigen Abstinenz danach kam, R20, R30 und R25, war ein müder Abklatsch. Und was danach bis heute folgte, Safrane, Vel Satis, Latitude und Talisman, war so unbedeutend, dass kaum jemand außerhalb Frankreichs diese Fahrzeuge wahr nahm. Von den letzten beiden, Latitude und Talisman, kennt wahrscheinlich kaum jemand überhaupt die Namen. Renault fasste nie wieder Boden im Bereich über 2 Litern Hubraum. Die Frégate aus den 50er Jahren war eine Alternative in Frankreich zur Citroën DS und zum großen Simca V8. Schön also, dass sich Norev der Frégate annimmt, denn dieses Fahrzeug gehört in eine 1:18-Franzosensammlung und in die Renault-Ahnengalerie.
Ende 1950 kam die Frégate und hatte als Konkurrenten die Vorkriegskonstruktion von Citroën, die Ganster-Limousine, sowie den französischen Ford Vedette, aus dem vier Jahre später der Simca V8 werden sollte. Ausgehend vom kleinen Renault 4CV, dem Cremeschnittchen, hätte der große Renault ursprünglich ebenfalls ein Heckmotorwagen werden sollen, aber Renault-Chef Pierre Lefaucheux erkannte, dass dies ein reines Kleinwagenkonzept sei und schwenkte um. Auf dem Pariser Salon im Oktober 1951 debütierte also eine konservativ konstruierte, elegante Limousine mit Frontmotor, Heckantrieb und Stufenheckkarosserie. 2-Liter-Vierzylinder, 58 PS, Vierganggetriebe – das war der Stand der Technik, rundum Einzelradaufhängung an Schraubenfedern bedeutete typische französische Progressivität. Üblich war damals eine hintere Starrachse an Blattfedern.
Zum Modelljahr 1953 offerierte Renault zwei Frégate-Versionen, das arg triste Einstiegsmodell Frégate Affaires und das bisherige Modell, nunmehr leicht aufgewertet und Frégate Amiral genannt. 1955 gab es sechs Mehr-PS und die Frégate Amiral bekam einen ovalen Kühlergrill anstelle der drei horizontalen Zierstäbe. Damit sah der Renault von vorne dem brandneuen Peugeot 403 zum Verwechseln ähnlich. In diesem Jahr erschienen die sensationelle Citroën DS, der ebenfalls moderne 403 und aus dem altmodischen Ford Vedette wurde der sehr amerikanisch anmutende Simca Vedette V8. Damit begann der Stern der Renault Frégate massiv zu sinken. Renault reagierte zum Modelljahr 1956 mit der Luxusversion Frégate Grand Pavois mit 2,1 Litern und 77 PS und endlich einem vollsynchronisierten Getriebe. 1958 folgte ein halbautomatisches Getriebe namens Transfluide. Letztes Aufbäumen des großen Renault mit vereinfachtem Ovalgrill und neuen Blinkern für das Jahr 1959. Der luxuriöse Grand Pavois wurde eingestellt, einzig der Amiral blieb im Programm, hieß aber nur noch Frégate ohne Namenszusatz. Im April 1960 lief das letzte Exemplar vom Band.
Der Wagen hinkte stets den Erwartungen hinterher. Renault war ein großer und erfolgreicher Autoproduzent, 4CV und Dauphine waren Bestseller. Aber im Segment der Klassewagen bekam Renault keinen Fuß auf den Boden. Das hatte seine Gründe in der französischen Käuferstruktur, die ziemlich parteipolitisch agiert: Die Individualisten kauften Citroën, die Konservativen kauften Peugeot, die Sportlichen Simca, denn die drei Firmen waren marktwirtschaftlich agierende Privatbetriebe, und die Sozialisten kauften Renault, denn Renault war ein Staatsbetrieb (wurde direkt nach dem Krieg enteignet). Und Sozialisten sind nun mal nicht die Klientel für große Wagen. So einfach ist das, und deshalb gab es Renault auch für die nächsten 15 Jahre auf, sich jenseits der 2-Liter-Klasse zu engagieren.
Den allerletzten Frégate, das Modell 1959, nahm sich Norev zum Vorbild und schuf einen bemerkenswerten Achtzehner: Ein großes Modellauto in sehr geschmackvoller Lackierung: Karosserie und Felgen Vert Sevigne 914/59 (ein für eben dieses Modelljahr 1959 neu geschaffener Farbton), das Interieur eine Kombination aus Grau und Eierschale, dazu Weißwandreifen. Die Besonderheiten des Modells 1959/60 recherchierte Norev gut, der Grill stimmt genau, dazu die rechteckigen Nebelleuchten und die länglichen, um die Ecke gezogenen Vorderblinker, das dreieckige Markenzeichen auf der Motorhaube und der verchromte Steinschlagschutz an den hinteren Kotflügeln – alles passt exakt. Zu öffnen sind die vorderen Türen und die Motorhaube, und sie offenbart ein sauber nachgebildetes Aggregat mit grün lackiertem Zylinderkopf. Das mag farblich gewagt sein, entspricht aber dem Vorbild: Damals war die Renault-Motorenfamilie an der Farbe des Zylinderkopfes zu identifizieren. Im konkreten fall korrespondiert sie sogar mit dem Karosserielack. Sehr schön ist der Innenraum mit den zweifarbigen Sitzbänken und Türinnenverkleidungen und dem weißen Lenkrad. Norev vollzog nach, was Renault versuchte: Das Kopieren von Amerikanismen sollte den Verkauf ankurbeln. Der Frégate von Norev ist ein rundum schönes und fein bedrucktes Modellauto mit viel Chrom, und die lenkbaren Räder verleihen ihm in der Vitrine die nötige Dynamik. Ein Hoch auf Diecast-Modelle mit zu öffnenden Türen und Hauben – auch wenn es nur die vorderen sind.
afs



Modellfotos: bat



Steckbrief:
Norev 185284 Renault Frégate 1959/60 grün. Fertigmodell Zinkspritzguss, Maßstab 1:18. UVP 65 Euro.