Adio Maestro!
Wir bei Caramini-online haben ein Faible für Automobildesign und für die Meister, die es schufen. Das dürfte mittlerweile jedem treuen Leser aufgefallen sein. Es ist auch kein Wunder, schließlich ist unser Mitarbeiter Martin Hannig Designer, kennt viele seiner Kollegen persönlich, hat mit einigen und unter einigen sehr prominenten Herren gearbeitet. Und deshalb kommt der Nachruf auf Ercole Spada aus seinem und somit aus berufenem Munde.
afs
Und wieder geht eine der prägenden Figuren der italienischen Autodesign-Geschichte, weil ihr Alter gekommen ist und die Natur ihren Tribut fordert. Ercole Spada (26. Juli 1937 bis 3. August 2025) hat mit 88 Jahren das Spielfeld der faszinierenden italienischen Designplayer der – wenn man es zeitlich so verorten will – bis heute andauernden Nachkriegsperiode verlassen. Und auch er hinterlässt einen reichen Schatz ebenso wichtiger wie eigenwilliger Designentwürfe, die er bei unterschiedlichen Carrozzieri und Autoherstellern in Italien und Europa verwirklichen konnte.
Erst spät, eigentlich erst im Rentenalter, machte er sich mit seinem Sohn selbstständig. In den späten 50er und den 60er Jahren gelangen ihm zunächst speziell bei Zagato einige bahnbrechende Entwürfe, die, wie die verschiedenen Alfa Giulietta Coupés mit ihren experimentellen Heckformen, speziell auf dem Gebiet der Aerodynamik im Rennsport Furore machten. Oft nicht unbestritten schön, aber immer durchdacht und charaktervoll, ließ er sich nicht beirren und setzte Formen durch, an deren Realisierung man nicht zwangsläufig hätte glauben müssen. Alfa Romeo 2600 SZ und Alfa 1300 GT Junior Zagato Coupé, Lancia Flavia und Fulvia Zagato Coupé, um nur ein paar markante Meilensteine zu nennen, sind beredte Zeugen seiner sehr individuellen Handschrift. Seine Entwürfe waren zum Teil schräg, aber nicht schräg genug, um zu verhindern, dass er bei BMW für die zweiten Generationen der 5er und 7er Baureihen verantwortlich zeichnen durfte. Später entwarf er für das relativ junge Designunternehmen IDEA-Design in Turin eine erstaunlich umfangreiche Produktfamilie für die 90er Jahre, bestehend aus Fiat Tipo und Tempra, Lancia Dedra und Delta II sowie dem Alfa 155. Auch die obere Mittelklasse mit dem Nachfolger des von Giugiaro gestalteten Lancia Thema bekam ein Spada-Design und den Namen Kappa, und am beim letzten großen Alfa, dem 166, hatte er wohl ebenfalls seine Anteile.
Nach dem Tod von Marcello Gandini und auch dem von Paolo Pininfarina als letztem familiären Vertreter der berühmten Karossierfamilie, dem Niedergang von Bertone und dem Verkauf von Italdesign durch seinen Gründer Giorgetto Giugiaro erlebt diese einst in den Provinzen Piemont und Lombardei beheimatete Bastion italienischer Handwerks- und Gestaltungkunst mehr und mehr ihren anscheinend finalen Schwanengesang. Namen wie Michelotti oder Coggiola sind schon lange von der aktiven Bildfläche verschwunden und Initiativen zur Wiederbelebung berühmter Namen wie die Carrozzeria Touring, Bertone oder Castagna sind aller Ehren wert, zeigen aber auch, wie schwierig der Erhalt einer Tradition in einer sich stark verändernden industriellen Welt ist – gilt es doch, nicht nur durch Restomod-Aktivitäten hochwertige Wiederbelebungen einstiger Avantgardeträger zu kreieren.
Vielmehr müsste es der Nachwuchs schaffen, so frisch und unverbraucht wie die nun abtretende Generation automobilen Fortschritt zu generieren, mutige, naive, ja frivole Ideen für eine noch weitgehend unangedachte Zukunft. Die unglaubliche Jugend von Giugiaro, Gandini, Michelotti und auch Ercole Spada, die alle in ihren frühen Zwanzigern (!) in leitende Positionen bei renommierten Designfabriken gelangten, war sicher einer der Hauptfaktoren neben ihren Talenten dafür, dass Dinge realisiert werden konnten, die in ihrer Tragweite einmalig waren. Einzig die Carrozzeria Zagato, immer noch in Familienbesitz, hat bis heute ohne Unterbrechung überlebt und betreibt weiterhin ihr Geschäft im ursprünglichen Sinne, Skurrilität im Sinne ihres früheren Chefdesigners Ercole Spada einbegriffen.
Uns allen, die wir über viele Jahre diese bewundernswerte Designgeschichte mit verfolgen durften, wird auch Ercole Spada fehlen, ein weiteres, würdiges Mitglied in der langen Reihe italienischer Künstlerhandwerker. Adio Maestro!
mh

Quelle: unbekannter Fotograf via Wikimedia Commons.

Quelle: unbekannter Fotograf via Wikimedia Commons.

Modellfotos: bat










