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Literatur

Lesenswertes: Miniatur-Rennbahnen der 70er Jahre

Trüdinger, Jörg: Jungs, Eure Kinderträume: Die Rennbahnen der 70er. Faller, Scalextric, Carrera & Co. Stuttgart (Motorbuch Verlag) 2024. 96 Seiten. ISBN 978-3-613-04638-2. Preis 16,95 Euro.

Jeder Junge, der in den 60er- oder 70er-Jahren aufwuchs, neudeutsch ein Babyboomer, hatte einen großen Wunsch, eine Autorennbahn. Am besten von Carrera. Der Rennbahn-Boom schwappte Mitte der 60er Jahre aus den USA und England auch nach Deutschland. Marktführer war bald die Firma Josef Neuhierl aus Fürth (JNF) mit ihrer Carrera-Rennbahn, benannt nach dem berüchtigten Autorennen „Carrera Panamericana“. Und mit der Geschichte der Carrera-Rennbahn beginnt auch Jörg Trüdinger im ersten Kapitel seines Buchs. Er stellt die vielen Varianten von Carrera (Universal, 124, 160, Servo etc.) mit interessanten Bildern von Fahrzeugen und Zubehör vor, garniert mit Katalogauszügen. Jörg Trüdinger vergisst auch die Flops aus dem Hause Carrera nicht, wie die Jet-Bahn mit Flugzeugen. Auch eine Bahn à la Mattels Heiße Räder namens Tempo gab es, ebenfalls eher Flop als Top.

Bald sprangen nahezu alle Modellbahn- und Modellbauhersteller im wahrsten Sinne des Wortes auf den Zug der Rennbahnen auf, was gute Gewinne versprach. Am Anfang ja, doch der Boom verschwand fast so schnell wie er gekommen war. Fleischmann, Märklin, Faller, alle boten ihr eigenes Rennbahnsystem an. Faller sah seine AMS-Bahn eher als Zubehör zur Modelleisenbahn H0, mit durchaus guten Verkaufszahlen, schwenkte aber später auf von Aurora und Tyco importierte Fahrzeuge um. Trüdinger erzählt die Geschichten rund um die Hersteller sehr persönlich und bringt seine Erfahrungen aus seiner Jugend und später als Antiquar für altes Spielzeug, amüsant und sehr gut lesbar. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit Scalextric aus England, Aurora aus den USA und mit der heimischen Stabocar-Bahn. Eine Sonderstellung im Buch nimmt die Darda-Bahn mit Rückzugmotor ein, die es heute noch gibt.

Ergänzen möchte der Rezensent einige Firmen, deren Vorstellung den Umfang des Buches gesprengt hätten, die aber in der Hochphase der Rennbahnen ebenfalls in Deutschland erhältlich waren: Gama, Egger, Trix, Rasant, Arnold Minimobil, die ihm spontan ins Gedächtnis kommen. Der Rezensent bekam mit vier Jahren eine Faller-Autobahn, der Wunschtraum war aber eine Carrera. Er musste ihn sich dann Jahrzehnte später selbst erfüllen. Damit sind wir wieder beim Buch von Jörg Trüdinger, die eigene Lebensgeschichte spiegelt sich in seinen Texten wieder, und das zu lesen macht ungeheuer Spaß. Obendrein tun 17 Euro niemandem weh. Somit auch ein gutes Mitbringsel für jemanden, der von seiner eigenen Vergangenheit träumt. Und wer tut das nicht?

kr