1/18

News 1:18 BoS Lincoln Continental Mk IV 1974

Kontinentale Angelegenheiten

Groß, größer, texanisch groß: BoS bringt in dritter Auflage seinen riesigen Lincoln Continental Mk IV – ein typisches Schlachtschiff aus der Dämmerung der „guten alten Zeit“, der letzten Ära vor dem Ölpreisschock, ein automobiles Statussymbol für den weißen Amerikaner, der es zu Ruhm und Ehre gebracht hat.

Denkt man global und legt die ganze Erde der Überlegung zugrunde, so ist ein Kontinent schon etwas Großes. Je nach Definition gibt es davon zwischen vier und sieben. Das Adjektiv zu Kontinent lautet kontinental, englisch mit c vorne geschrieben, und bezeichnet – ja, was eigentlich? Eben, dass etwas vom Kontinent stammt. Da Autos normalerweise nicht im Wasser konstruiert und gebaut werden, sind die meisten Autos per Definition kontinental. Englische Autos nicht, die sind eher insular. Der Ford-Konzern verwendet den Begriff „Continental“ seit 85 Jahren für unterschiedliche, meist weit oben platzierte Wagen, ganz am Anfang als Ausstattungsvariante des Lincoln Zephyr mit V12-Motor (1940 bis 1948). Nach seinem Auslaufen nutzte Ford den Namen bis 1955 nicht, beförderte ihn dann aber bis 1960 zur eigenständigen Luxuswagen-Marke, oberhalb von Lincoln positioniert, produziert allerdings bei Lincoln. Vier Continentals erschienen bis 1960, die so genannte Mark-Reihe (Mark II, Mark III, Mark IV und Mark V). Dann starb Continental als Marke und wurde wieder, wie am Anfang, eine Modellbezeichnung von Lincoln. Bis 1981 bezeichnete Continental die Top-Modelle von Lincoln, danach bis 2002 kleinere Luxusmodelle, denn die Topversionen hörten fortan auf Town Car. 2016 holte Ford den Traditionsnamen nochmals aus der Versenkung und bezeichnete eine große Limousine so, die bis 2020 gebaut wurde.

Die 1:18-Neuheit aus dem Hause Model Car World stammt aus der Zeit, als Continental eine Lincoln-Ausstattungsversion war, Full-Size-Cars, richtige Dinosaurier, deren Topversionen Continental hießen – was sehr zur historischen Verwirrung beiträgt. Denn der Lincoln Continental Mk IV von BoS wurde von 1972 bis 1976 gebaut und hat rein gar nichts mit dem gleichnamigen Wagen (ohne „Lincoln“) von 1959 zu tun. Der Mk IV war einfach nur riesig, aber die Proportionen orientieren sich an einem Gran Tourismo mit immens langer Motorhaube, knapper Fahrgastzelle und kurzem Heck (das so genannte Long-Nose-Short-Deck-Design). Die Motorhaube ist 1,80 Meter lang! Verdeckte Scheinwerfer waren ein Stil der Zeit wie das typische Continental-Heck. Darunter versteht man eine in den Kofferraumdeckel einmodellierte Ausbuchtung für das vermeintlich stehend untergebrachte Reserverad. Das war aber nur ein Styling-Gag. Tatsächlich lag das fünfte Rad ganz konventionell im Kofferraum (schlecht platziert, nahm viel Stauraum in Anspruch).

Lime Gold Diamond Fire und ein Opera Window

32 Zentimeter american Style repräsentiert der Mk IV. Eine für die erste Hälfte der 70er Jahre typische Farbgebung: Lime Gold Diamond Fire 41 nannte Lincoln die Farbe, und trotzdem in der Bezeichnung „Gold“ enthalten ist, dominiert doch „Lime“ – banal gesprochen handelt es sich um Hellgrünmetallic. Vinyldächer waren in dieser Zeit zwar in Europa auch Mode, am meisten bei jenen Herstellern mit US-Konzernmüttern (Opel, Ford, Simca, Rootes-Gruppe in England), aber zu einem weißen Vinyldach brachte es kein europäischer Großserienwagen. Und zu einem Opera Window auch nicht. So nennt man die Bullaugen in den überbreiten C-Säulen, winzige und völlig unnütze Fensterchen in unterschiedlichen Formen, meist oval oder rund, manchmal auch trapezförmig. Der Mk IV trägt es ellipsenförmig, und in seiner Mitte eingraviert das Continental-Zeichen, was BoS meisterlich miniaturisierte. Das Vinyldach ist mattweiß lackiert, ist aber glatt wie Blech, hat also nicht die Lederimitatstruktur, die Vinyldachbezügen zu eigen ist. Die längs verlaufenden, beiden Nähte hingegen hat BoS berücksichtigt.

An diesem Modell ist alles nur groß, größer, am größten, ja texanisch groß – ein Kind der allerletzten Zeit vor dem Ölschock, als die Straßenkreuzer am größten waren, ausladend groß, unvernünftig groß, unverschämt groß, aber ganz einfach wundervoll groß. Der Chrom blitzt und blinkt nur so, in den voluminösen Stoßstangen kann man sich spiegeln, in den Radkappen ebenso, und BoS schuf eine Miniatur vom Feinsten, sehr detailreich. Mit den Scheinwerfern hatten die Modellkonstrukteure keine Arbeit, denn die sind unter einer Blechblende verborgen, aber dafür ist der monumentale Chromgrill mit Fotoätz-Kühlerfigur wunderschön in den Wind gestellt, das cremeweiße Interieur ist splendid mit Decals versehen, welche die Armaturen ebenso darstellen wie das Holzfurnier. Was separat sein muss, ist separat, einiges an Chrom wurde lediglich gesilbert, aber hochwertige Druckkunst, alles absolut im Lot. Die Zierleisten um die Fensterscheiben, wie üblich, silberne Drucke, aber da der Mk IV über keine B-Säule verfügt und das hintere Seitenfenster sowieso nur ein Witz ist, fallen diese Drucke kaum auf. Dafür fällt auf, und zwar positiv, wie passgenau die riesige gebogene Windschutzscheibe eingesetzt ist.

Technisch ist der Mk IV mit dem gleichzeitigen Ford Thunderbird verwandt, optisch rein gar nicht, aber beide ruhen auf dem gleichen Leiterrahmen (nicht selbsttragend konstruiert!). Das BoS-Modell stellt die Version 1973 dar mit verstärkten Stoßfängern gegenüber dem ersten Modelljahr, den Zulassungsbestimmungen geschuldet. Der 7,5-Liter-V8 leistet je nach Modelljahr zwischen 194 und 220 PS, aber durch vergleichsweise bescheidene Tuningmaßnahmen, die ein halbwegs begabter Hinterhofmechaniker ausführen konnte, lag im Motor ein Potenzial für bis zu 450 PS. Zwischen 1972 und 1976 verkaufte Ford 278.599 Continental Mk IV, womit der Lincoln seinen GM-Hauptkonkurrenten, den Cadillac Eldorado, deutlich in die Schranken wies (225.873 Caddys). Das BoS-Modell verkörpert, zusammen mit dem in Caramini-online vom 13. Juli 2025 präsentierten Cadillac Eldorado Convertible von 1976 den radikalen Gigantismus der US-Automobilindustrie vor dem Ölschock 1973/74, der die Weichen neu stellte. Sie vertreten die gute, alte Zeit (sofern man sie so nennen mag), als es den weißen US-Amerikanern wirtschaftlich gut ging, als sich die dortige automobile Klassengesellschaft nicht über den Hubraum definierte, denn der war in allen Autos hoch, selbst im einfachsten Chevy Biscaine oder Impala, sondern über den Grad des Luxus’, den man sich leisten konnte. Ein Continental Mk IV war so teuer, dass sich Ford daran eine goldene Nase verdiente, und er kostete eindeutig mehr, als er wert war. Hier ging es um Kaufkraftabschöpfung bei den Wohlhabenden, um pures Repräsentieren, um Status. Das soll nicht bewertet werden.

Das automobil gewordene Symbol dieses Denkens steht vor uns und es ist faszinierend. Dies ist bereits die dritte Farbvariante dieses Modellautos, was für seinen Erfolg in der Käufergunst spricht, Zunächst erschien der Continental Mk IV in hellem Braunmetallic mit Vinyldach in hellem Beige (ohne Weißwandreifen), dann vor vier Jahren, im Sommer 2021, in Rot mit mattweißem Vinyldach und weißen Reifenflanken. Die nunmehrige neue Farbvariante ist in kleiner 300er-Auflage exklusiv bei Model Car World erhältlich.

afs

Der Continental Mk IV von BoS schreit förmlich den Reichtum seines Fahrers hinaus. Er mag einem zu Geld gekommenen, erfolgreichen Sportler gehört haben, vielleicht einem Boxer, man kann ihn sich gut in South Bronx vorstellen. Er ist ein bombastisch gemachtes Modellauto, das fast schon ein wenig Mut erfordert, um es sich in die Vitrine zu stellen. Es wirft Fragen auf. Jeder, der in die Vitrine blickt, wird dazu eine Frage haben oder einen Kommentar ablassen.
Modellfotos: bat
Um etwas darzustellen, braucht ein american Luxury Car ein Kühlerornament, beim Lincoln ein vertikales Rechteck mit stilisiertem Kreuz darin. Lincoln spricht vom „Lincoln Star“ und konnotiert damit die Weite der Welt und globale Ambitionen. Aber der Vollblut-Lincolnist dürfte es lieber als ein Zielvisier interpretieren.

Steckbrief:

BoS 423 Lincoln Continental MK IV 1974 hellgrünmetallic/mattweiß. Fertigmodell Resine, Maßstab 1:18. Auflage 300 Exemplare. UVP 119,95 exklusiv bei Model Car World.