Warten auf Le Mans
Eine Ouvertüre führt ein, regt den Appetit an, verkürzt das Warten auf den Hauptteil. Noch warten wir auf den Ferrari 250 LM von CMC und wissen, die Auslieferung steht kurz bevor. Caramini-online wird ihn vorstellen, wenn er da ist. Schon jetzt kommt die Wartezeitverkürzung, also die Einleitung, der Klappentext, quasi die Ouvertüre.

Wenn ein Fahrzeug zu Zeiten, als Spielzeugautos für Jungs von Relevanz waren, von den wichtigsten Miniaturautoherstellern für würdig empfunden wurde, als Corgi Toys, Politoys, Mercury et cetera erscheinen zu dürfen – dann spricht das für die Popularität dieses Fahrzeugs. Denn die großen Player wussten (auch damals schon!), womit man Jungs eine Freude machen und gleichermaßen gutes Geld verdienen konnte. Der Ferrari 250 LM, niemals im Verkehr auf der Straße zu sehen, war vielen Spielzeugautoherstellern eine Miniatur wert. Und nicht nur das, nicht nur ein Durchschnittsmodell. Gerade Corgi Toys und Politoys gingen weit über ihre üblichen Möglichkeiten hinaus und konstruierten richtige Supermodelle. Allenfalls die Mercury-Interpretation fällt nicht aus dem Rahmen. Aber der übliche Rahmen bei Mercury war ohnehin hoch gesteckt.
Nun warten wir auf das CMC-Modell. Lange wird das Warten nicht mehr dauern. Versüßen wir es uns mit einem Blick auf die zeitgenössischen Miniaturen, auf das Vorbild und mit ein paar Vorschaubildern von finalen Mustern, die uns CMC zur Verfügung stellte. „Appetizer“ nennt man das so schön, weil es Appetit macht.
Jungs konnten mit allen Arten von Fahrzeugen etwas anfangen, weil sie im Ganzen ihre Verkehrswelt nachbildeten, in den 50er und 60er Jahren war das Kinderzimmer ein Spiegelbild der heute (zurecht!) so verpönten „autogerechten Stadt“, und die Ornamentik der (echten oder unechten) Perserteppiche stellte eben jene Verkehrsadern dar. Die Pkws waren der Alltag, gerne mit Blaulichtern auf dem Dach, die Lkws gehörten dazu, wer vom Land kam, mochte auch Traktoren, und alle liebten Motorsport. Besonders in den 60ern. Denn während die Grand-Prix-Rennwagen der 50er technisch weitgehend die gleichen waren wie vor dem Krieg, bedeuteten die 60er so manche konstruktive Revolution. Und die größte davon war wohl das Mittelmotor-Layout. Kaum ein Spielzeugautohersteller ohne den legendären Ford GT40! Und jeder Junge wusste damals, dass dieser viermalige Le-Mans-Sieger (1966 bis 1969 in Folge) nichts als die Vergeltung Henry Fords an Enzo Ferrari war, weil dieser ihm sein Werk nicht verkauft hatte. Ferrari war auf Le-Mans-Siege abonniert gewesen, und Henry Ford warf Enzo Ferrari vom Thron. Zuvor hatte Enzo Ferrari einen absoluten Siegertypen im Portfolio, den 250 LM, den Le-Mans-Sieger von 1965.
Der letzte Ferrari Le-Mans-Sieger für 58 Jahre
Die Straßenversion war nur theoretisch und äußerst bedingt verkehrstauglich, aber immerhin handelte es sich beim 250 LM um den ersten Straßen-Ferrari mit Mittelmotoranordnung. Er hatte als 250 P Berlinetta auf der Rennstrecke die Siegesserie des 250 GTO fortzusetzen und wurde als 250 LM auf dem Pariser Salon 1963 präsentiert. Hauptunterscheidungsmerkmal gegenüber dem Rennsport-Prototyp mit breitem Überrollbügel war das feste Dach. Das Pininfarina-Design war hier nicht Selbstzweck, sondern eine Antwort des Stilisten auf die Mittelmotoranordnung. Das Dach hörte quasi hinter den Sitzen auf, der Innenraum wurde von einer senkrecht stehenden Heckscheibe nach hinten begrenzt. Die Heckfinnen, die an ihrem Ansatz gleichsam eine Fortsetzung des Daches nach hinten einläuteten, hatten aerodynamische Funktion.
31 Serienfahrzeuge wurden gebaut, vom Prototyp unterschieden sie sich durch den Wegfall des Dachspoilers und das verlängerte Dach, stärker akzentuierte Finnen und weitere Details. Die Version 1965 hatte als besonderen Clou weit in das Dach ragende Türausschnitte, welche das Einsteigen auch für groß gewachsene Fahrer sehr erleichterten. Doch die Homologation in der GT-Klasse scheiterte, bis 1965 waren anstelle der notwendigen 100 Wagen nur ein Drittel gebaut worden. Enzo Ferrari konnte der FIA nicht glaubhaft machen, beim 250 LM hätte es sich um einen „Grand Tourismo“ auf Basis der 250 GT gehandelt. Was ihm zuvor beim 250 GTO noch gelungen war, scheiterte hier am Aufschrei der Mitbewerber.
Nur der erste 250 LM trug einen Dreiliter unter der Haube und hieß deswegen zurecht 250. Alle Serienfahrzeuge wurden vom 3,3-Liter-Zwölfzylinder der 275 GTB beflügelt. Nach logischer Ferrari-Nomenklatur hätten sie 275 LM heißen müssen, worauf Ferrari jedoch verzichtete. Den Prototyp des 250 LM setzte N.A.R.T. (North American Racing Team, der Rennstall des amerikanischen Ferrari-Importeurs Luigi Chinetti) 1964 bei den 12 Stunden von Sebring ein. Der Wagen fing Feuer und wurde total zerstört. Bei diesem Rennen belegten die AC Cobra/Ford die Plätze vier bis sechs. 1964 war der 250 LM in Reims erfolgreich und siegte in Kyalami/Johannesburg und beim Großen Preis von Angola. Seinen absoluten Triumph feierte der 250 LM bei den 24 Stunden von Le Mans 1965, als er gegen die motorisch überlegenen Ford GT 40 siegte. Aber der vierte Platz eines AC Cobra/Ford war ein weiteres Warnzeichen für die Scuderia: Der Kampf zwischen dem US-Giganten und der Sportwagenschmiede aus Maranello sollte sich noch mehr zuspitzen.
Ein Interimsmodell war der 275 P 63, der im Jahre 1963 mit dem Motor des 250 TR (V12, 2953 cm³), im Folgejahr mit dem V12 mit 3285 cm³ fuhr. Es gab drei Stück, alle mit einer bei Fantuzzi nach Pininfarina-Entwurf gebauten Spyder-Karosserie. Dann gab es noch einen 250 LM in Porsche-Verkleidung, eigentlich eine Verlegenheitslösung. Ende der 60er Jahre tauchte bei Bergrennen ein Wagen mit der ominösen Bezeichnung „LM-P“ auf, offenkundig verwandt mit dem Porsche Carrera 6. In Wahrheit war dies ein 250 LM, der nach einem Totalschaden neu karossiert wurde, und zwar mit dem Aluminiumaufbau eines Porsche Carrera 6. Dieser Wagen mit der Chassisnummer 5899 ging durch mehrere Hände und wurde schließlich vom britischen Rocksänger Rod Stewart wieder in seinen Urzustand zurück versetzt.
Mit dem 370 PS starken Vierliter-V12 aus dem 400 Superamerica mutierte der 250 P Ende 1963 zum 330 P. Ansonsten waren 250 P und 330 P identisch, er blieb ein Unikat. Auf ihm gewann Graham Hill die Tourist Trophy, erster wurde der Wagen beim Grand Prix von Kanada, beim 1000-Kilometer-Rennen in Montlhéry bei Paris und bei der Bettoia Trophy in Monza. Der 275/330 P’64 entstand im Jahre 1964 vier Mal. Er hatte einen 3967-cm³-Motor mit 370 bis 390 PS, kleine Karosserieretouchen unterschieden ihn vom 250 P und 330 P. Wie schon der 250 P feierte auch der 275 P einen fulminanten Einstieg: Sieg bei den 12 Stunden von Sebring, weitere Siege auf dem Nürburgring, in Le Mans und beim Mont Trembant. 1964 war ein gutes Rennjahr für Ferrari, auch wenn die AC Cobra/Ford vor allem in Le Mans eine gute Vorstellung gaben. Der zehnte Markenweltmeisterschaftstitel wurde 1964 in Italien gefeiert.
Eine aus den Formel 1-Rennwagen bekannte Technik hielt erstmals beim 275/330 P2 Einzug in den Rennsport-Prototypenbau: Die Gitterrohrrahmen wurden durch partiell selbsttragende Karosserien aus Rohren und vernieteten Alublechen ersetzt. Dennoch sah der 330 P2 optisch dem 250 LM zum Verwechseln ähnlich, und der italienische Spielzeughersteller Mercury überarbeitete die Formwerkzeuge seines 250 LM ganz fix in den 330 P2. Der V12 leistete im 275/330 P2 350 PS aus 3,3 Litern, hatte vier oben liegende Nockenwellen und sechs Weber-Doppelvergaser. Die fünf Fahrzeuge wurden später an Privatteams veräußert und erhielten einen 4,4-Liter-Motor mit 380 PS. So entwickelten sich drei der fünf 275/330 P2 noch in ihrem Geburtsjahr 1965 zum Tipo 365 P2. Eine weitere Evolutionsstufe war der 330 P2 Muletto, vorgestellt im Dezember 1964. Er wurde für die folgenden Testfahrten in unlackiertem Zustand belassen und präsentierte sich erst zum Saisonauftakt in Daytona in etwas veränderter Form in den Hausfarben von N.A.R.T., bei den Rennen in Europa später in rot.
Das Rennjahr 1965 begann für die Scuderia jedoch mit einem Misserfolg: Bei den 2000 Kilometern von Daytona gingen die ersten vier Plätze an Ford (GT40 erster und dritter Platz, AC Cobra/Ford zweiter und vierter Rang), der beste Ferrari wurde Siebter. In Sebring war ein Chaparral erfolgreich. Ohne die Ford-Konkurrenz dominierte Ferrari in Monza. Der 275 P2 beendete die Targa Florio als erster, einen Doppelsieg feierte der Typ auf dem Nürburgring. Bei den 24 Stunden von Le Mans allerdings fielen nicht nur alle Ford, sondern auch gleich zwei 330 P2 und der 275 P2 aus, aber der alte 250 LM von Rindt/Greogory rettete die Ehre der Scuderia. Allerdings war dies der vorläufig letzte Ferrari-Sieg in Le Mans. Ferrari gewann 1965 die Prototypen-Weltmeisterschaft.
Breites Spektrum zeitgenössischer Spielzeugautos
Ein derartiges Erfolgsmodell, obendrein in neuem, dem Mittelmotor geschuldeten „Look“, versprach gute Spielzeugautoverkäufe an die Jungs. Der Schnellste war Mercury, der 1932 von Attilo Clemente und Antonio Cravero gegründete Turiner Traditionalist, der den Maßstab 1:43 erst Anfang der 60er Jahre für sich entdeckte und zuvor kleiner und größer produziert hatte. Mercurys 250 LM ist ein gelungenes Modell auf üblichem Mercury-Standard, ohne zusätzliche Raffinesse, zu öffnende Türen und abnehmbare Motorhaube mit schön detailliertem 60-Grad-Colombo-V12 und Reserverad, das Modell mit nicht durchbrochenen Plastik-Speichenfelgen und Gummireifen ausgestattet. Letztlich war das Mercury-Modell, ebenso wie das Vorbild, die geschlossene Version des bereits existenten 250 P, der aus dem umgebauten Dino 246 SP von 1961 entstanden war.
Dann kam Corgi Toys, im Februar 1965 mit etwas Verspätung, dafür aber mit einem herausragenden Modell. Vermessen und fotografiert wurde der Ferrari von den Corgi-Produktmanagern im Herbst 1963 auf der Londoner Automesse (Earls Court Motor Show). Erstmals schuf Corgi Toys für dieses Modell durchbrochene Speichenfelgen aus Zinkdruckguss, und im Gegensatz zum Mercury-Modell war die große Motorhaube nicht abnehmbar, sondern an Scharnieren klappbar. Auch das Lenkrad ist vorbildgerecht, was ein weiteres erstmals bei Corgi umgesetztes Feature darstellt. Durchaus diskussionswürdig ist hingegen, dass der Innenraum inklusive Lenkrad als gemeinsames Formteil mit dem Motorwunder ausgeführt wurde und somit verchromt ist, was durch die extrem blau getönte Verglasung nur unzureichend kaschiert wird. Corgi produzierte den Ferrari bis 1972 und er behielt bis zuletzt seine schönen Metall-Speichenfelgen, wurde also nicht durch moderne Plastik-Whizzwheels entstellt.
Der Letzte im Bunde war wieder ein Italiener, nunmehr Politoys, und dort wurde die Gnade der späten Geburt dergestalt genutzt, die 1965er Version zu miniaturisieren, also das Modell mit den Dachklappen zum bequemeren Einstieg und der Heckscheibe, die den Innenraum ein wenig nach hinten erweiterte und den Motor abdeckte. Wie Corgi Toys, so entschied sich auch Politoys für ein über dem üblichen Level detailliertes Modell, auch mit Metallspeichenfelgen (aber nicht so sauber ziseliert wie Corgi), und an diesem Modell lässt sich wahrlich alles öffnen: Wir zählen acht bewegliche Teile – und das an einem 1:43-Spielzeugauto aus der Mitte der 60er Jahre! Mögen Türen und Hauben noch zur Pflicht gehören, so sind die beweglichen Dachklappen wirklich die Kür, und getoppt wird dies noch durch bewegliche seitliche Klappen in der Motorhaube.
In plus/minus 1:43 gab es noch weitere Ferrari 250 LM aus Zinkdruckguss, etwa von Joal aus Spanien, wo ein Mercury recht dreist kopiert wurde, oder von Mandarin aus Singapur, ein einfaches, aber zumindest in unseren Breitengraden seltenes Spielzeugmodell. Ein großes Funktionsspielzeug machte Re-El in Italien im kaiserlichen Maßstab 1:12 aus hoch glänzendem ABS-Kunststoff, also Thermoplast. Es ist ein Funktionsspielzeug mit batteriebetriebenem Elektromotor, zwischen den Vorderrädern ein rotierender, angetriebener Teller, der das Auto im Betrieb wild umhersausen lässt. Formal hat Re-El ganze Arbeit geleistet, ein schöner und eindrucksvoll großer 250 LM, gefertigt Ende der 60er Jahre und heute nicht einfach zu finden. – Auf die vielfältigen Modellautos in 1:18 und 1:43, die seit den 90er Jahren erscheinen sind, gehen wir hier nicht ein.
Kurz vor der Auslieferung
Das lange erwartete CMC-Modell steht kurz vor der Auslieferung. Die unterschiedlichen Versionen werden nacheinander gefertigt und kommen somit peu-à-peu auf den Markt, beginnend im August mit M-268 (Sieger Monza 1964), danach die weiteren roten Modelle, anschließend silbern und gelb, zuletzt die Drogo-Nose-Modelle. Das wird sich bis in den Herbst hineinziehen. Wir erhielten von CMC erste Fotos der serienreifen Modelle, die wir hier gerne zeigen – das sind noch Vorserienmodelle, jedoch die finalen Muster. Auf die einzelnen Versionen und ihren Hintergrund und natürlich auf die Unterschiede zwischen ihnen gehen wir ein, wenn wir den CMC Ferrari 250 LM in persona auf dem schwarzen Schreibtisch stehen haben. Das wird nicht mehr allzu lange dauern und es wird M-265 sein, rot, der Wagen von Spoerry/Boller in Le Mans 1965 mit der Startnummer 27.
afs

Foto: CMC

Foto: Archiv afs

Foto: unbekannter Fotograf via Wikimedia Commons

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Foto: Revs Institute/USA via Wikimedia Commons

Modellfoto: bat

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Modellfoto: bat

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