Grenzgängergeschichten aus Italien
Wann ist ein Viersitzer ein Coupé und wann eine Limousine?
Was unterscheidet eine Limousine von einem Coupé? Eine Limousine hat meistens vier Türen, es sein denn, die hinteren wurden weggelassen und sie wurde, pingelich betrachtet, auch nicht in der Höhe beschnitten, coupiert, wie die Franzosen sagen und damit die Namensgebung für sich reklamieren und gechoppt für denselben Vorgang für die Amerikaner unter uns. Aha, wenn ich eine Limousine beschneide, dann wird sie also zum Coupé. Andersherum gesehen ist also ein zwei- oder viertüriger Viersitzer, von dem es keine unbeschnittene Variante gibt, de facto kein Coupé sondern womöglich gar eine Limousine. An der Höhe allein kann es nicht liegen, denn der englische Aston Martin Lagonda von 1976 ist eine viertürige Limousine und trotzdem flacher als so manches Coupé. Vielleicht las sich der Auftrag von Ferruccio Lamborghini an seinen Hausdesigner Marcello Gandini, seinerseits Chefdesigner bei der Carrozzeria Bertone in Grugliasco im Val de Susa vor den Toren von Turin ähnlich ergebnisoffen wie unsere kurze Betrachtung, nur noch kürzer. Bau mir einen bequemen viersitzigen Wagen mit so wenigen Türen wie möglich, denn ich habe kein Geld, aber sportlich muss er sein, denn ich habe auch nur den einen Motor mit zwölf Zylindern. Damit ist er schnell und langsam kann ich daher nicht. Soweit das Package. Aber auch Gandini, seinerzeit noch jung, aber schon auf dem Wege zur Meisterschaft, durfte nicht nur träumen, sondern musste mit seiner Arbeit Geld verdienen. Deshalb schaute er in seinen Schubladen nach oder in der Firmengarage und das wurde er gleich zweimal fündig. Die günstigerweise auch schon für Lamborghini gestaltete spektakuläre Studie Marzal und der für Jaguar als fahrfertiger Prototyp und potentieller E type Nachfolger ausgeführte zweisitzige Piranha. Beide folgten demselben Designkonzept, wobei der Jaguar insgesamt weniger verspielt und alltagstauglicher daher kam. Das Ergebnis der Melange ist bekannt, es heißt Espada und ist einer der schönsten Viersitzer, den sich unsereins nie leisten konnte. Aber ein Coupé ist er nicht, denn er kam unbeschnitten vom Zeichenbrett. Er hatte nie seinesgleichen, sei es aus Ehrfurcht oder Unverständnis. Maximal Maseratis Indy folgte seinen Spuren.
Nach vielen Jahren und dem Bedauern, damals nicht das exzellente Modell von Autoart gekauft zu haben, das auch als Modell unter einem ähnlichen Kostenproblem wie der Große litt und das bis heute als gebrauchtes Modell auch immer noch tut, hat KK-Scale endlich ein Erbarmen und gönnt uns eine erschwingliche Variante. Diese scheint nicht ganz ohne Schielen nach der Autoart Version entstanden zu sein, was natürlich der formalen Qualität zugutekommt, denn entgegen seiner üblichen Gepflogenheiten hat der Hersteller den unteren, eingezogenen Schwellerbereich als separates Formteil ausgeführt, auch wenn er vielleicht etwas zu stark verrundet sein mag. Das Original trägt hier eine Längskante, aber das Studium vieler Originalbilder lässt eine gewisse Varianz bei den Originalen vermuten. Unseren Testwagen haben wir in hellsilber metallic geordert. Da kommen die sauber kontrastierenden, schwarzen Designelemente und Zierlinien besonders streng und clean heraus. Der Espada war auch sehr bunt zu haben, aber die seriöse Farbgebung steht ihm ausgezeichnet und macht ihn auch für ein konservativeres Publikum bestellbar. Außerdem trägt nur diese Variante, KK-Scale bietet deren vier an, die wunderschönsten Lamborghini Felgen aller Zeiten, die wir vom Miura her kennen. Es könnte also ein sehr früher Espada sein, der hier mit einem schwarzen Interieur ausgestattet ist. Dieses zeigt allerdings ein späteres Armaturenbrett, das eher konventionell als originell die erste Ausführung ablöste, die auf den vom Marzal her bekannten Sechsecken beruhte. Hier wird nun Schwarz mit Holz kombiniert und verschiedene silberne Bedruckungen heben die Details hervor. Dies alles ist aufgrund der großzügigen Verglasung gut zu betrachten. Die Unterseite des Modells zeigt erkennbar die Fahrwerkskonstruktion und lenkt den Blick auf die wegen des großen Hecküberhanges überlangen verchromten Endrohre, die sehr dünnwandig wirken. Alles in allem ein erfreuliches Modell mit kleinen Fragezeichen am Unterbauch, das eine viel zu lange Wartezeit beendet.
mh



Modellfotos: bat

Steckbrief:
KK-Scale KKDC181404 Lamborghini 400 GT Espada (Bertone) 1968. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 79,95 €.