Die Farben der Siebziger: Braunmetallic
Norev gönnt dem Opel Diplomat B einen neuen Anstrich, der mehr ist als nur ein Farbton. Er ist das Statement der gutbürgerlichen Aufsteigerschicht der 70er Jahre, die automobil gewordene Schrankwand in Eiche rustikal. In dieser Farbe verkörpert der Diplomat quasi das Jahrzehnt seiner Hochphase.
Die Farben der Siebziger: Damit konnotiert man grelle Töne, Knallorange, Tomatenrot, Quietschgelb, Giftgrün. Aber das war nicht alles. Da war auch noch Braun, in allen Schattierungen, gerne kombiniert mit Gelb und Orange (zum Beispiel auf Kissenbezügen oder an Tapeten). Denn das gab ein warmes Ensemble. Autos waren braun, metallicbraun. Manchmal mit einem Schuss Orange, dann wurde daraus ein Kupferton Aber vorherrschend war ein seriöses Braunmetallic, eher dunkel als hell. Das erinnerte den Fahrer an seine Schrankwand zuhause, Marke Eiche rustikal oder gar Eiche brutal. Entsprechend viel Holzfurnier (oder mit Holzmaserung bedrucktes Plastik) hatte er im Blickfeld. Die Innenräume ebenfalls braun. Dazu gerne ein schwarzes Vinyldach – in Deutschland. Die Vinyldach-Nationen Großbritannien, Benelux und die Schweiz hatten zu braunen Autos auch braune Vinyldächer, und wer es ganz luxuriös liebte, wählte zum Fahrzeug in Dunkelbraunmetallic das Vinyldach und die Veloursinnenausstattung in hellem Beige.
In den Farben der Siebziger präsentiert sich der Opel Diplomat B in Norevs neuester Farbgebung. Er ist eindeutig in hellem Braunmetallic gehalten, auch wenn Norev die englische Opel-Farbtonübersetzung Copper Red Metallic wählt, also Kupferrot. Mit Rot hat diese Farbe nichts zu tun. Auch Kupfer, das Metall, hat mit Rot nichts am Hut. Kombiniert wird die Farbe mit dem für den Diplomat obligatorischen Vinyldach in Schwarz und einem mittelbraunen Interieur, aufgelockert durch dunkle Holzleisten an Armaturenbrett und Türverkleidungen – also wahrlich Marke gutbürgerliche Schrankwand. Wenn ein Modellauto das Jahrzehnt verkörpert, das es symbolisiert, dann dieses!
Die Farbe der Saison, die ausnahmsweise fast ein Jahrzehnt lang dauerte. Braunmetallic war in allen Schattierungen allgegenwärtig auf der Straße. In den Farbkarten von 1979/80 wurde es radikal ausgemerzt. So radikal, dass Braun ungefähr 20 Jahre lang eine Unfarbe bei Autos war. Und dann erlebte es eine unverhoffte Wiedergeburt, köchelte aber eher auf kleiner Flamme. Man sieht heute noch braune Autos auf der Straße, vorzüglich in dunklen Metallictönen – wie damals. Aber so allgegenwärtig wie damals in den 70ern ist Braun nicht.
„Spiel mal wieder Tischtennis!“
Mit dem „Diplo“ traf Norev tief ins Herz der Sammler. Er repräsentiert so viel: das letzte, echte Opel-Flaggschiff für die Opelianer, die Kombination von US-V8 mit europäischer Karosserie, den (automobilen) Wohlstand der ausgehenden 60er Jahre vor dem Ölschock 1973/74 (unter dem der Diplomat massiv litt!), das Design zu Zeiten, als Autos noch schön sein durften und nicht vernünftig sein mussten, die allsamstägliche Chrompolitur, das satte Übermaß der saturierten 60er Jahre. Es gibt für kaum einen Sammler ein Ausschlusskriterium, das den Diplomat trifft. Irgendeinen Grund zur Anschaffung dieses Automobils hat jeder. Ungefähr gleichzeitig kamen im Frühjahr 2023 zwei Diplomat B als Diecast-Modelle ohne zu öffnende Teile, von MCG und von Norev, und während die Norev-Interpretation ein wunderschönes Modell ist, machte MCG gerade bei diesem wichtigen Auto keinen guten Job. Die ersten Norev-Diplomaten wurden exklusiv an Modelissimo geliefert, das erste Fachhandelsmodell war Schwarz mit schwarzem Vinyldach. Nun also mittleres Braun außen, karamellfarbenes Interieur, schwarzes Dach und viel Chrom. Ein ganz süßes Detail: Auf der verchromten Heckblende der ersten Versionen fand sich ein Emblem des Opel-Neuwagenhändlers. Das ist beim aktuellen Modell nicht mehr zu sehen. Dafür ein runder Aufkleber auf dem Kofferraumdeckel, mit der Inschrift „Spiel mal wieder Tischtennis“ und dem Piktogramm eines Pingpong-Spielers. Das ist herrlich zeitgenössisch: Damals hatte jeder Vorstadt-Einfamilienhausbesitzer im (Hobby-) Keller eine dunkelgrüne Tischtennisplatte, in der Mitte ein Netz gespannt, und vor allem die Kinder hatten ihre helle Freude daran. Die Tischtennisplatten überlebten bis weit in die 80er hinein, die Begeisterung für Pingpong hingegen nicht. Tischtennisplatten eigneten sich dann aber auch sehr gut als Ablagefläche. Man konnte darauf die frisch gewaschene Wäsche gut zusammenlegen. Denn im Keller standen auch Waschmaschine und Trockner.
Am Modell selbst tat sich nichts, es ist bekannt und es ist tadellos. Norev zeichnet die erste Version Mai 1969 bis Herbst 1971 nach, erkenntlich an Details wie den Radzierkappen mit Speichenimitationen, Innenraumstoffe statt Cordbezüge, die Blende zwischen den Rückleuchten poliert statt lackiert und der Führung der Vinyldach-Abschlusszierleisten. Die Längsnähte der Vinylbahnen am Dach sind eingraviert. Schön, aber selbstverständlich, sind die Zusatzscheinwerfer auf der Stoßstange, die integrierten Nebelscheinwerfer darunter, der Wagen trägt eine Nebelschlussleuchte und besticht durch zwei dicke Auspuffendrohre (doppelflutige Anlage, silbern am Fahrgestell bedruckt). Innen ist der „Diplo“ klasse gemacht: saubere und korrekte Holzdekoration, prima Armaturen, vorbildliches Lenkrad, weißer Dachhimmel mit Haltegriffen, Sonnenblenden und Innenbeleuchtung (C-Säulen innen in Interieursfarbe, nicht weiß), sogar Lautsprecher auf der Hutablage.
Das ist ein majestätisches und beeindruckendes Modell eines ebensolchen Vorbildes, eine Ikone seiner Zeit, und Norev gibt es hervorragend wieder. Davon kann es gar nicht genügend Farbvarianten geben! Und es existieren wilde Möglichkeiten. So ließen sich beispielsweise die Karosserielacke Tropengrün oder Limonengrünmetallic mit einem grünen(!) Vinyldach kombinieren, und je nach Lackierung offerierte Opel auch blaue oder braune Dachbezüge.
afs



Modellfotos: bat


Steckbrief:
Norev 183689 Opel Diplomat B 1969 hellbraunmetallic/mattschwarzes Dach. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 74,95 Euro.