Emotion pur, Widerstand zwecklos
Er ist Emotion pur. Er hat vier Räder, dazwischen einen Motor und Platz für zwei. Kein Gramm zuviel auf den Rippen. Ein kompromissloser Mittelmotor-Sportwagen, eine Fahrmaschine, ein pures Lust-Objekt. Heute sind die Renault Spider alle in Liebhaberhand. Ottomobile bringt ihn nun in Titangraumetallic.
Für Renault war das ein reines Nischenfahrzeug, bei Alpine in Dieppe entwickelt, nichts als die Hoffnung auf Imagegewinn. Deswegen hieß er auch Renault und nicht Alpine. Derartige Spider lagen damals im Trend, und inauguriert wurde das Genre von Lotus. Der englische Sportwagenhersteller, einst von Colin Chapman gegründet, gehörte ab Januar 1986 zum GM-Konzern und wurde Ende 1996 von Proton in Malaysia gekauft. Die GM-Verbindung brachte die unerwartete Situation, dass ein umgebadgter Lotus Elise zwischen 2000 und 2005 als Opel Speedster alias Vauxhall VX 220 angeboten wurde. Da waren’s also drei in dieser Kategorie: Das Original, also der Lotus Elise, und dessen Klon Opel Speedster, der auf der Insel Vauxhall hieß, sowie die Renault-Eigenkonstruktion, die dem Vauxpel zeitlich vorausging.
Die Spider-Fiberglaskarosserie mit nach oben schwenkenden Scherentüren (Design: Patrick Le Quément) wurde über ein Aluminium-Strangpressprofilchassis gestülpt und verschraubt. Das machte den zweisitzigen Roadster besonders leicht (leer 930 Kilo, etwas schwerer als der Opel Speedster) und fahraktiv. Er war absolut minimalistisch und verfügte über keinerlei Komfort – dafür aber über Power pur (Leistungsgewicht 6,56 Kilo pro PS). Für Vortrieb sorgte ein 2-Liter-Vierzylinder mit 147 PS, bekannt aus dem Clio Williams und dem Mégane Coupé, auch das Fünfganggetriebe stammt aus diesen beiden. Der Motor saß quer hinter dem Fahrgastraum, was ein ausgezeichnetes Handling dank ausgewogener Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse bewirkte. Puristen waren begeistert. Ihnen war wichtig, beim Beschleunigen in die Recaros gepresst zu werden, auf engen Landstraßen durch Serpentinen zu brettern, gepflegte Drifts hinzulegen und den Fahrspaß mit Bikern zu teilen. Renault begab sich mit dem Speedster auf dünnes Eis. Es war ein ideologischer Spagat, einerseits mit kastrierten Kleinwagen auf grünen Spritsparer zu machen, andererseits ein Gerät anzubieten, das sämtliche Grundsätze der Vernunft und politischen Korrektheit über den Haufen wirft und Spaß macht. Der Sport Spider erregte Aufsehen, war aber im Straßenverkehr, gerade in Frankreich, kaum zu sehen und rechtsrheinische Kunden kauften, wenn überhaupt, einen Opel Speedster. Renault-Verkäufer erschraken teilweise, wenn ein Kunde einen Prospekt wollte. Oft bekam er keinen, weil nur speziell präparierte Renault-Händler, die auch Alpine vertrieben, für Verkauf und Wartung geschult waren.
Ursprünglich gab es keine Windschutzscheibe, die Fahrer sollten Helm tragen, und so gehörten zwei Vollvisierhelme zum Auslieferungszustand des Neuwagens. Das war aber doch zu viel der puristischen Zumutung, und so kam eine entschärfte Version mit beheizter Windschutzscheibe. Denn auf eine Belüftung verzichtete Renault, und so diente die Heizung dazu, dass die Scheibe nicht beschlagen konnte. Nicht nur die Sitze waren in Längsrichtung verstellbar, auch die Position der Pedale ließ sich an die individuelle Anatomie des Spider-Dompteurs anpassen. Interessant ist, was es alles nicht gab: Radio, Heizung, Verdeck, Bremskraftverstärker, Servolenkung, elektronische Hilfseinrichtungen. Dafür die Bremsanlage aus der Alpine A610 Turbo.
Zeitlebens litt der Renault Sport Spider unter der etwas nonchalanten Verarbeitungsqualität. Er bewegte sich eben auf dem Niveau eines Kleinserienfahrzeugs, und von Renault erwartet der Kunde Großserienperfektion. Aber dem Sport Spider verziehen es seine Freunde. Und jeder Spider-Kunde war ein Spider-Fan. Keiner jammerte über das Auto. Jeder genoss es. Etliche sind noch heute in erster Hand und werden es bleiben. Zwischen Frühjahr 1995 und Herbst 1999 wurden 1653 Renault Spider produziert (zum Vergleich: Der Opel Speedster wurde 7996 Mal gebaut). Der Verkauf verlief also nicht erwartungsgemäß (Neupreis ca. 56.000 D-Mark). Er war eben doch zu heiß, um ein Renault zu sein.
Im Motorsport engagierte sich der Spider ebenfalls, allerdings nur in einer Werksliga. Renault betrieb seit den 70ern diverse Cups für Nachwuchsfahrer (angefangen mit braven R5 Alpine über den R21 Turbo bis zum Clio) und kreierte die Spider Trophy mit auf 180 PS getunten Einheits-Fahrzeugen. Diese Serien liefen im Rahmenprogramm größerer Ereignisse wie beispielsweise der Formel 1 oder von Tourenwagenmeisterschaften. Das färbte auf die Jünger ab, und überhaupt und außerdem sah der Renault Spider aus wie ein leicht geschrumpfter Le-Mans-Prototyp, was gerade in Frankreich für viel Furore sorgte.
Das offizielle und zeitgenössische Renault-Industriemodell in 1:43 schuf Vitesse, später steuerte Norev seiner 43er-Linie einen Spider bei, ein Billigmodell gab es von Universal Hobbies für die Del-Prado-Partworkserie und von Provence Moulage gab es einen sehr guten Resine-Kit. Einen eher mediokren Spider in 1:18 machte Anson aus Zinkdruckguss. Die Ottomobile-Neuheit ist keine Formneuheit, sondern eine Farbvariante. Vor genau zehn Jahren erschein der Sport Spider erstmals in Sport Yellow 535 mit Grau 630 in 1500er-Auflage, dann folgte Ende 2018 die erste Farbvariante in Sport Blue 250 mit Grau 630, ebenfalls 1500 Stück. Nun neu ist die dritte Version in einfarbigem Titangraumetallic 647 in 999 Exemplaren (jetzt fehlt von den vier Serienfarben nur noch Sport Red 273). Bei allen Unilackierten ist die Heckpartie in Fjord Grey 630 lackiert, einfarbig ist nur der Silberne. Ein rundweg schön gemachtes Modell mit Scheinwerfern hinter Plexiglasabdeckungen, super nachgebildeten Felgen (von der Alpine A610 mit Michelin R16 Pilot SX-Reifen, die Flanken von Ottomobile leider nicht beschriftet). Faszinierend ist der Innenraum ob seiner Kargheit. Da ist nahezu nichts drin, aber dies ist sehr linear angeordnet und aufgeräumt. Selbst ein Ford Model T dürfte mehr Schalter am Armaturenbrett haben als der Renault Sport Spider. Der hat nämlich gar keine! Das bisschen, was es zu bedienen gibt, konzentriert sich auf die Konsole, ansonsten mehr Purismus als im Wohnbereich von Diogenes von Sinope, der bekanntlich in einem leeren Fass lebte.
Ein bisschen Statistik: Silberne Renault Sport Spider sind die seltensten ihrer Art. Insgesamt wurden nur 313 Fahrzeuge so lackiert, davon verblieben 27 in Frankreich. Mit 218 Verkäufen war der Silberne in Deutschland am Erfolgreichsten. 13 gingen in die Schweiz, acht nach Österreich und je nur einer nach Italien und Portugal. Aber nach Portugal wurden ohnehin nur drei Renault Sport Spider importiert, nach Deutschland immerhin 582. Damit war das Auto hier erfolgreicher als in seiner Heimat, wo nur 428 Stück verkauft wurden.
afs




Modellfotos: bat

Steckbrief:
Ottomobile OT1142 Renault Sport Spider 1995 silbermetallic. Fertigmodell Resine, Maßstab 1:18. Auflage 999 Exemplare. Preis ca. 100 Euro.