Ein großes Auto ist zu klein
Welly, eher für Spielzeug- als für Modellautos bekannt, wagt sich an die schwäbische Luxusoberklasse und beschert uns einen traditionellen Mercedes 600 – den kurzen 600er, nicht den Pullman. Ein wahrlich hübsches und hinreichend preiswertes Modell, das uns gut gefällt. Aber der angegebene Maßstab 1:24 passt hinten und vorne nicht und deshalb passt das Modell nicht zu anderen 24ern.
Der Maßstab 1:24 ist so eine Sache. Die Amerikaner mögen ihn, dort ist er zuhause. Plastikkits, aus den legendären US-Promotional-Modellen geboren, etablierten die Größe. In Europa hat er kaum eine Tradition, egal ob 1:24 oder 1:25. Ein paar italienische Spielzeugautos in den 60er und 70er Jahren, ein paar Industriemodelle, vorzüglich von Schabak, in den 80er Jahren, der ein oder andere Versuch, den Maßstab zu etablieren – ein Erfolg war es in Europa nie. Als die üblichen verdächtigen Verlage in ihren Modellauto-Partwork-Serien alle interessanten automobilen Themen in 1:43 weitgehend durch hatten, verfielen sie auf die glorreiche Idee, die Themen zu wiederholen, diesmal aber mit 1:24-Modellen auszustatten. Hauptlieferant ist Ixo/Sonic, und Model Car World orderte bei Ixo/Sonic Modelle aus deren1:24-Formenfundus für die Hausmarke Whitebox. Das ist zwar nicht der absolute Brüller, scheint sich aber dennoch zu rechnen, denn die Whitebox-Serie wird munter fortgesetzt. Aber nahezu kein anderer Hersteller ist auf diesen (Maßstabs-) Zug aufgesprungen.
In der Whitebox-Serie, aus der Caramini-online sporadisch Modelle präsentiert, gibt es interessante Ostblick-Staatslimousinen, und so mancher Tatra, Chaika oder schwarze Volga inspirierte uns bereits zu Beiträgen. Nun kommt von Welly ein Mercedes 600 im selben Maßstab, der wunderbar zu diesen staatstragenden Limousinen passt. So orderten wir ihn, ein preiswertes Modell von erstaunlicher Qualität, durchaus zu den Ixo/Whitebox-Modellen passend. Dachten wir. 1:24 ist, wie erwähnt, nicht unser präferierter Maßstab, aber dennoch sind wir in der Lage, mit einem Blick den Maßstab zu erfassen, in dem ein Modell gehalten ist, das vor uns steht. Niemals ist der Welly Mercedes 600 ein Vierundzwanziger. Er ist deutlich kleiner. Auf der Verpackung allerdings ist 1:24 dezidiert angegeben. Das Welly-Modell ist die Limousine mit Normalradstand und der beachtlichen Länge von 5540 mm (Pullman: 6240 mm). Ein Lineal war schnell zur Hand, um die Länge des 600ers zu messen, ein Taschenrechner auch, um sie durch die Länge des Originals zu teilen, und unser Verdacht bestätigte sich: Maßstab 1:27,3, die Luxuslimousine ist merklich zu klein, um neben den Ixo/Sonic-1:24ern stehen zu können. Schade. Denn für sich genommen ist der Welly-600er ein sehr hübsches Modell.
Tiefes Schwarz und ganz viel Chrom
Formal ist am Welly Mercedes 600 nichts auszusetzen, Dimensionen und Proportionen sind gut getroffen. Das Modell strotzt nur so vor Chrom, viele separat eingesetzte Glanzteile. Nur der Radlauf- und Schwellerchrom sowie der Heckschriftzug sind silberne Drucke. Die Räder passen, die Radkappen mit schwarzem Inlett und silbernem Mercedes-Stern, die (zu breiten) Reifen mit weißem Flankenring. Innen ist der Wagen so rabenschwarz wie außen, leider null Dekoration, auch das Lenkrad schwarz, das Ganze aber ordentlich detailliert. Die Vordertüren öffnen, die Motorhaube auch. Das Darunter ist nicht sehenswert, macht aber nichts. Durch die schwarze Lackierung sind keine Öffnungsfugen zu sehen. Sehr vitrinenfreundlich ist, dass der Mercedes lenken kann, und der fotogeätzte Mercedes-Stern auf dem mächtigen Kühlergrill ist quasi das Sahnehäubchen. Das Chassis ist rudimentär, aber immerhin mit verchromten Auspuff-Endrohren geschmückt. Separate Scheinwerfer und Rückleuchten runden den guten Gesamteindruck ab. Die Karosserie ist aus Zinkdruckguss, das Dach aus Kunststoff. Wir haben den Eindruck, das Dach sei nicht lackiert. Es glänzt dennoch schön, aber nicht im selben Maße wie die lackierten Metallflächen (die ein wenig unter Orangenhaut leiden).
Der Mercedes 600 erlebte während seiner langen Produktionszeit zwischen 1963 und 1981 kein Facelift. So fortschrittlich, wie er war, hatte er so etwas nicht nötig, und technisch war er seinen Zeitgenossen ohnehin so weit voraus, dass diese ihn während seines ursprünglich auf zehn bis zwölf Jahre prognostizierten Lebenszyklus’ nicht haben einholen können. Zudem erwartete die Kundschaft bei einem derart teuren und exklusiven Fahrzeug Modellkonstanz. Ihm sollte man sein Baujahr nicht ansehen, das wäre eine Entwertung gewesen. Natürlich gab es behutsame Evolutionen, aber kaum sichtbar. Dennoch können wir das Vorbild des Welly-Modells einordnen: 1968 änderten sich die Deckgläser der Scheinwerfer wegen der Umstellung auf Halogenlicht sowie die Außenrückspiegel, überdies wurden die ursprünglich zweiteiligen Radzierkappen (kleine Radkappe plus Radzierring) gegen einteilige Radkappen ersetzt. 1969 wurden die hinteren Blinker gelb gefärbt, zuvor waren die Rücklichtgläser einfarbig rot. Daraus ergibt sich: Welly bildet einen Mercedes 600 zwischen 1969 und 1981 nach. Für 25 Euro ist das ein prima Modell. Wenn nur der krumme Maßstab 1:27,3 nicht wäre…
afs



Steckbrief:
Welly 2412W Mercedes 600 W100 1969 schwarz. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:27. UVP 22,95 Euro bei Model Car World.