Die größte Göttin
Die letzte DS, die feinste DS, die stärkste DS, die größte DS: Norev bringt als Formneuheit die Citroën DS23 Pallas mit Benzineinspritzung, letzte Evolutionsstufe 1973 bis 1975. Und das im kaiserlichen Maßstab 1:12. Zwar nichts zu öffnen, aber eine perfekte Wiedergabe der skulpturalen Außenhaut. Ein Designstück comme il faut!
Sie ist die größte Göttin. Zumindest die größte all jener, die fertig gekauft werden können. Es gab und gibt größere Göttinnen, zeitgenössische Plastik-Funktionsmodelle (beispielsweise von Paya aus Spanien), Kunststoff-Bausätze in 1:16 (von Heller) und die wahrhaft größte Göttin ist die DS von Ixo im Maßstab 1:18, die vor einiger Zeit in Frankreich als Partwork-Modell in gut 100 Ausgaben über zwei Jahre hinweg zusammengeschraubt werden konnte. Norev hat seit 2017 eine frühe DS aus den 50er Jahren in 1:12 im Programm und nun kommt ihr spätes Äquivalent, die S23 von 1973, dem vorletzten DS-Jahrgang.
Die unvergleichlichen, skulpturalen Formen der Citroën DS schreien geradezu nach einem Großmodell, das ihre Linienführung nicht nur zur absoluten Geltung bringt, sondern obendrein eine Raumprominenz, ja Raumpräsenz ausstrahlt. Das Norev-Modell ist Dekoration, steht da um ihrer selbst Willen, es hat den einzigen Zweck, schön zu sein – also Kunst um der Kunst wegen, oder, französisch, l’art pour l’art. Natürlich ist sie ein Modellauto, ein sehr schön gemachtes. Aber ihr primärer Zweck ist weniger die klassische Aufgabe des Modellautos, eine möglichst elaborierte Wiedergabe der Gesamtheit dessen, was ein Automobil ausmacht, darzustellen – also Äußeres, Inneres, Technik, möglichst Features. Das tut sie nicht. Sie zeigt nur ihre Schale, ihr Äußeres. Nichts geht auf, nichts bewegt sich (außer den drehbaren Rädern). Sie zeigt nicht das, wofür sich ihr Konstrukteur André Lefèbre begeisterte, ihre Technik, und schon gar nicht, was Paul Magès entwickelte, die symptomatische und unvergleichliche Hydropneumatik. Sie beschränkt sich auf das Schaffen ihres Karosserieschöpfers Flaminio Bertoni und – im konkreten Fall der DS23 von 1973, auch auf jenes von Robert Opron, der per 1968 die Front mit den großen Doppelscheinwerfern unter Glas neu gestaltete.
Sie ist also weniger ein Modell, sondern vielmehr eine Skulptur. Die schiere Größe lässt es zu, dass das Auge sie nicht mit einem Blick erfasst, sondern wandern kann, erkunden, sich in partielle Bereiche vertiefen kann. In dieses Modell kann der Betrachter richtiggehend eintauchen, sich an stilistischen Abschnitten und Details berauschen. Und gerade die Details sind natürlich, dem Maßstab sei es geschuldet, besondern naturgetreu wiedergegeben – teilweise mit einer Finesse, die in 1:18 nicht möglich ist – oder vielleicht schon möglich, aber nicht sinnvoll ist und deshalb nicht realisiert wird. Ein Beispiel dafür ist die Gestaltung der Glasabdeckung vor den Scheinwerfern: Es ist nicht nur, wie bei einem Achtzehner die Regel, ein transparenten Plastikteil. Das ist es auch, aber darüber hinaus als Druckwerk beschriftet mit Informationen und Kennzeichnungen (Hersteller Cibié, es sind Prüfzeichen zu sehen, wohl die Citroën-Ersatzteilnummer, darüber hinaus lichtbrechende Fäden). Was wäre das für eine Schau (und es wäre konstruktiv nicht zu viel verlangt), wenn diese DS lenkbare Räder hätte und an die Lenkbewegung wäre die Richtungsverstellung der inneren Scheinwerfer gekoppelt – wie in echt. Der Aufwand wäre überschaubar. Aber genau das wollte Norev nicht, weil es der Bestimmung dieser Großminiatur, primär ein Dekorationsobjekt zu sein, widerspricht. Natürlich ist diese DS vitrinentauglich und passt in eine Modellautosammlung, primär in eine DS-Sammlung. Aber gedacht ist die zur Zierde eines besonderen Raumes, eines Büros, einer Oldtimer-Werkstatt, einer hippen Lounge mit Retrocharakter oder ganz einfach einer Halle, in der einige DSsen im Maßstab 1:1 residieren. Wie schön sieht in diesem Umfeld ein solches Großmodell aus!
Die Inspiration für Paul Cézanne
Für die erste Variante wählte Norev den legendäre Farbton Beige Tholonet AC085. Zuvor hatte der Beigeton auf der Citroën-Farbpalette rasch gewechselt (1970 beige Agate, 1971/72 Beige Albatros, 1973 zusätzlich Beige Vanneau). Für die letzten DS-Jahre kam 1973 Beige Tholonet hinzu, ein Metallicton, ausschließlich für die Pallas-Modelle lieferbar, wirkt sehr edel und unaufdringlich, geradezu distinguiert, so wie ein Silberfarbton mit einem kleinen Schuss Nordseestrand. Die Bezeichnung war wohl gewählt. Le Tholonet ist ein kleines Dorf in der Provence in der Nähe von Aix-en-Provence, eine Inspiration der Landschaftsmalerei für Paul Cézanne. Für den Innenraum wählte Norev die Farbe Tabac, als ein rötliches Braun, lieferbar für die DS Pallas in echtem Leder. Beige Tholonet war bis zum Produktionsauslauf der DS am 24. April 1975 verfügbar, im letzten Produktionsjahr sogar in Kombination mit einem schwarzen Vinyldach bei der DS Pallas. Beige Tholonet ist für den Erstling eine kluge Wahl, weil die Farbe nicht aufdringlich ist und somit die Form nicht beeinflusst. Der Wagen wirkt aus sich selbst heraus, Farbe lenkt das Ästhetikempfinden nicht ab. Formal ist diese DS einwandfrei gelungen und die versenkten Türgriffe identifizieren das Vorbild als Baujahr ab 1973. Etwas anderes ist von Norev nicht zu erwarten gewesen, beim ikonischsten aller Franzosenautomobile darf Norev nicht der geringste Fehler unterlaufen.
afs



Modellfotos: bat

Steckbrief:
Norev Citroën DS23 Pallas 1973 Beige Tholonet. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 149,95 Euro.