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News 1:18 Kyosho Rolls-Royce Phantom Cabriolet/Coupé 2007/2008

Sir Frederic hat recht

Majestätisch. Gigantisch. Und eine unglaubliche Vitrinenpräsenz. Kyosho bringt seinen zweitürigen Rolls-Royce Phantom, Cabriolet ebenso wie Coupé, in neuen Farben. Die Modelle sind bekannt, haben aber in all den Jahren nichts von ihrer Ausstrahlung verloren. Sie beeindrucken nach wie vor.

Der erste Modellautohersteller, der nach langen Rolls-Royce-losen Jahren eine Lizenz des britischen Luxuswagenfabrikanten bekam, war Kyosho. BMW als neue Konzernmutter wollte keine Miniaturen dulden, deren Qualität sich nicht auf demselben Niveau befindet wie das Original. Deshalb entschied BMW in dubio gegen das Ansinnen der Modellproduzenten auf eine Lizenz. Irgendwann war die Nachfrage, auch der Rolls-Royce-Kunden, so groß, dass BMW umschwenken musste und Kyosho, damals bereits Industriemodellproduzent für die Münchner Marke, dazu verdonnerte, absolute Bestleistungen zu erstellen, die der Marke würdig sind. So entstanden 2012 die ersten Kyosho-Rolls-Royce, der lange Phantom in 1:18 und 1:43, der große mit den unvergessenen, herausnehmbaren Schirmen in der hinteren Türverkleidung. Rolls-Royce blieb Kyosho lange Jahre treu und war zufrieden. Unter stets wechselndem (Modellauto-) Management schlief die Verbindung dann ein, die letzten neuen Kyosho-Rolls-Royce erschienen vor knapp zehn Jahren. Heute ist Rolls-Royce der Meinung, Kyosho-Modelle seien nicht mehr adäquat und setzt auf Resine-Achtzehner von Henson & Heaven (momentan im Angebot: der Sceptre), die bei Rolls-Royce-Merchandising einen „Price on Request“ haben, aber der US-Importeur gibt selbigen mit 1490 Dollar an. Wenn Rolls-Royce seine Kunden auf dieses Niveau „beamen“ will, dann sind Kyosho-Modelle trotz ihres Stellenwertes im Modellautokosmos eindeutig mehrere Klassen zu niedrig angesiedelt – Gewürm also, mit dem sich ein Rolls-Royce-Eigner heute nicht mehr herumschlagen soll.

Nur nicht-valide Faktoren sprechen gegen Kyosho

Wir schlagen uns sehr gerne mit dem „Gewürm“ herum – ja, wir verehren das Gewürm regelrecht. Denn wir sind – offenbar im Gegensatz zur heutigen, offiziellen Rolls-Royce-Haltung – durchaus der Ansicht, dass Kyosho als Modellhersteller Rolls-Royce als Luxuswagenhersteller gerecht wird und die britischen Fahrzeuge sehr wohl ebenbürtig nachbildet. Die Kyosho-Rolls-Royce sind Miniaturen auf sehr, sehr hohem Niveau und wir sehen nichts, worin wir Kyosho auch nur ansatzweise tadeln könnten. Inwieweit rundum geschlossene Resine-Modelle ohne jedwede Funktion ein Kyosho-Produkt mit all seinen kleinen, liebevoll gestalteten Funktionen übertreffen sollte, erschließt sich uns nicht. Es sei denn, man ruft nicht-valide Faktoren in den Zeugenstand wie Exklusivität oder gefühlte Wertigkeit. Ein Modell von Henson & Heaven ist mitnichten den Preis wert, der dafür gefordert wird. Der Preis wird eben gefordert, um dem Käufer das Gefühl erhabener Exklusivität zu vermitteln. Dabei geht es also nicht darum: „Ich leiste mir ein besonders wertvolles Modellauto“, sondern es geht darum: „Ich bin in der Lage, mir ein besonders teures Modellauto zu kaufen.“ Wie auch immer – ein Kyosho-Rolls-Royce ist ein Schmuckstück in bester Güte, Feinheit und Reinheit. Er passt neben die Rolls-Royce (und auch Bentley) von Almost Real und Minichamps, und er reflektiert das, was die Briten so schön „the Cream of the Crop“ nennen.

Zitat mit Wahrheitsgehalt

Das Coupé und das Cabriolet auf Phantom-Basis erschienen erstmals 2014, also in den letzten Zeiten, als Kyosho mit Rolls-Royce-Merchandising im Geschäft war. Die Lizenz hat Kyosho nach wie vor, und so sind seither in mehreren Wellen diverse Farbvarianten erschienen, 2016 und 2020 war eine solche Welle, und im November 2024 kamen die Phantome erneut in anderen Farben. Diese sind nun beim Europa-Importeur Minichamps angelangt und wir haben uns das Coupé in Diamond Black und das Cabriolet in Orangemetallic ausgesucht.

Alleine der erste Anblick nach dem Auspacken hat eine blendende Strahlkraft inne. Da umschmeichelt den Sammler eine Form der Verzückung, und unwillkürlich erinnert er sich an den Namen der Kühlerfigur: The Spirit of Ecstasy, der „Geist der Verzückung“. Wer bei „Ecstasy“ an etwas anderes denkt, ist ohnehin nicht unbedingt Aspirant auf einen Kyosho-Rolls-Royce. Für den Sammler derartiger Automobile en miniature geht es auch nicht um einen „kurzen Trip“, sondern um eine langfristige Anlage mit dem Potenzial der andauernden Freude über dieses wertvolle Eigentum. Die erste Annäherung ist eine ausgiebige und dauert durchaus seine Zeit, bis der stolze Besitzer seinen Neuerwerb quasi verdaut hat. Und danach nimmt man ihn immer wieder in die Hand, schaut ihn an, ganz allgemein, vielleicht auch nur ein spezifisches Detail, und erfreut sich daran. Er kostet fünf Mal so viel wie ein Achtzehner von MCG oder KK-Scale. Er bietet aber auch fünf Mal mehr, vielleicht sogar mehr als fünf Mal mehr, denn das ist subjektiv – ebenso wie die Beantwortung der Frage subjektiv ist, ob man an fünf MCG- oder KK-Scale-Modellen mehr oder weniger Freude hätte als an einem Kyosho-Rolls-Royce. Es ist eben persönliche Grundeinstellung, ob man sich an Klasse oder an Masse erfreut. Und nochmals eine Hinwendung zum Original, diesmal ein Zitat von Sir Frederic Henry Royce: Qualität bleibt bestehen, wenn der Preis längst vergessen ist. Tatsächlich sprach Royce Englisch und sagte „The quality will remain long after the price is forgotten.” Das trifft auf das Modell ebenso zu.

Der Regenschirm in 1:18

Über das Design des Phantom (Design: Ian Cameron zusammen mit Marek Djordjevic) kann man durchaus geteilter Meinung sein, die lange Bauzeit von 2003 bis 2017 spricht ebenso für ihn wie die Zahl der verkauften Exemplare. Das Drophead Coupé (wie Rolls-Royce das Cabriolet nennt) folgte der Limousine 2007 und das Coupé ein Jahr später, für die Optik der Zweitürer zeichnete Cameron alleine verantwortlich. Zur Besonderheit aller neuer Rolls-Royce gehört, dass die Motorhaube sowie der Windschutzscheibenrahmen generell in mattem Silber gehalten sind, was Kyosho am orangefarbenen Cabriolet verwirklicht. Das schwarze Coupé frönt in seiner Einfarbigkeit einem Kundenwunsch, denn diese Abstrusität fand nun wahrlich nicht jeder Fahrer schön. Immerhin musste er, wenn er nicht vom entzückenden Rücken der Kühlerfigur abgelenkt war, stets auf die mattsilberne Haube blicken.

Das schwarze Coupé mit seinem knallroten Interieur ist seriös. Das Cabriolet ist äußerst ambivalent. Zunächst können wir nicht eindeutig bestimmen, ob der Farbton nun Orangemetallic oder Kupfermetallic ist. Innen ist der Wagen mit hellstem Leder versehen. Kyosho legt gleich zwei geschlossene Verdecke bei. Und mit denen können wir, rein ästhetisch, rein gar nichts anfangen. Das orangefarbene Verdeck ist nicht im selben Orangeton wie die Karosserie gehalten, das beißt sich. Das hellgraue Verdeck beißt sich mit dem matten Silber von Motorhaube und Scheibenrahmen. Also zwei bissige Verdeckfarben. Warum kein (drittes?) Verdeck in Interieurfarbe?

Es ist ein Modell, in das Kyosho all sein Können legte, das Machbare realisierte, an nichts sparte und auch neue Wege ging – vor allem bei der Realisierung der hinten angeschlagenen Türen, und ein sehr netter Gimmick ist die vorbildgetreu nicht mitdrehende Radnabe, sodass das „RR“-Symbol immer aufrecht steht, trotz der Drehbewegung der Räder. Grandios gemacht und vor allem beim Cabriolet sehr demonstrativ sind die beweglichen Teile im Innenraum, so die in zwei Teilen aufklappbare Mittelkonsole, die ausfahrbare Mittelarmlehne der Rücksitzbank und der separate Regenschirm. Das Holz ist wunderbar gemasert, bestens zu sehen an der großflächigen, yachtartigen Abdeckung des Verdeckkastens, die Außenspiegel sind ebenfalls klappbar und die Vordersitze lassen sich längs verschieben. Das Handschuhfach allerdings lässt sich leider nicht öffnen, so wenig wie die Tankklappe – letztere Spielerei war allerdings auch noch nicht bei Achtzehnern en vogue, als Kyosho dieses Modell konstruierte. Die Haptik des Innenraumes, also die Nachbildung des Leders, ist ebenso vorbildlich wie die dick verchromten Beschläge und Zierelemente. Phantastisch nachgebildet sind die Stoffgurte und ihre Halterungen sowie Schlösser, und jedes Innenraumkleinteil formt Kyosho als separates Teil aus.

Im Kofferraum ist nicht nur die Bodenmatte beflockt, sondern auch die Haubeninnenseite, ingeniös ist die zweiteilige Art der Öffnung, gepaart mit einer Art ausfahrbarem Regal. Die Motorhaube, deren Öffnungsinitiative in einem Druckhebel am Fahrzeugboden liegt, offenbart den V12, ist innen gemattschwärzt und hält an ebenso stabilen wie feinen Gasdruckdämpfern auf (was heute normal ist, 2014, als das Modell erstmals erschien, aber sehr innovativ war). Der Motor, ein BMW-V12-Aggregat, das im Rolls-Royce 460 PS aus 6,75 Litern Hubraum leistet, ist eine schöne (und bunte) Nachbildung. Auf den Zylinderkopfdeckeln ist „Rolls-Royce“ zu lesen, auf der oberen Plastikabdeckung „V12 6.75 Litre“, ein paar Serviceaufkleber lockern das Ensemble auf, die Befestigung der Federdome ist in Karosseriefarbe lackiert. Die Kühlerfigur liegt lose bei und sollte mit einem Tröpfchen Kleber fixiert werden (warum geschieht das nicht werksseitig? Vielleicht der Transportsicherheit wegen), eine zweite „Emily“ als Ersatz liegt dem Modell bei. Die Detaillierung des Unterbodens ist ebenfalls gut, vorne ist nahezu alles verkleidet, die Hinterachse allerdings ist frei zugänglich und gut sichtbar, Auspuffanlage als separate, silberne Bestandteile, silbern auch die Umgebung des Katalysators. Fast schon wohltuend ist, dass dieser Wagen mal keine farbigen Bremssättel trägt (das war 2007 noch nicht dermaßen in Mode wie heute, und selbst heute verzichtet Rolls-Royce darauf), dafür sind die Mittelteile der mächtigen Alufelgen in Karosseriefarbe gehalten.

Weitere Farben, die im November 2024 neu erschienen sind: Das Coupé neben Diamond Black auch in Blaumetallic und sehr hellem, wässrigem Türkis, das Cabriolet neben Orangemetallic auch in English White mit roter Coach Line und in sehr intensivem Blaumetallic mit orangerotem Innerem – was mindestens so gewagt ist wie Orangemetallic. Ein majestätisches Modell also, große Präsenz in der Vitrine, ein Stück von bleibendem Wert. Und wo sonst gibt es aufpreisfrei einen Regenschirm in 1:18?

afs

Hinten angeschlagene Türen, das Coupé ohne durchgängige B-Säule, also Hardtop-Effekt, dazu ein seitliches Dreiecksfenster, das vor den Türen situiert ist – der Rolls-Royce unter BMW-Regie definierte nicht nur den Auftritt der Marke völlig neu. Ian Camerons mutiges Design stellte die Kundschaft auch vor eine große Herausforderung. Der Erfolg zollt ihm Respekt. Auch heute, 23 Jahre nach der Einführung, ist der Stil nicht obsolet und sieht ein moderner Rolls-Royce genau so aus.
Modellfotos: bat
Es sind die Kleinigkeiten, die im beeindruckenden Ensemble fast untergehen: Zusätzliche Fußmatten auf dem Teppichboden, zweiteilig zu öffnende Mittelkonsole, bewegliche Mittelarmlehne, längs verschiebbare Sitze, herausnehmbare Schirme. Dass hinten angeschlagene Türen anders um des anders sein Willens sind und keinerlei praktischen Vorteil, dafür eher Nachteile, bieten – geschenkt! Beim Modell ist es ein weiterer Gimmick, der den Kyosho-Rolls-Royce außergewöhnlich macht.
Der BMW-V12-Motor heißt N73 und leistet im Rolls-Royce 460 PS aus 6,75 Litern (seit 2003) und im BMW 760i 445 Pferde aus 6 Litern Hubraum (zwischen 2003 und 2008).
Was anders ist, muss nicht besser sein. Es reicht, anders zu sein, um einer gewissen Klientel zu gefallen. Dieses Anderssein, das zweiteilig zu öffnende Kofferraumabteil, hat Kyosho ingeniös nachgebildet. Den Sammler freut’s, denn er kann ein bisschen spielen. Rolls-Royce spricht übrigens von einer „Picknick-Funktion“.
„Crazy Colors“ sind keine Erfindung von Kyosho. Kunden in diesen Sphären drücken ihre Individualität und ihren Geschmack gerne indiskret-offensiv auf dem Blech ihres Autos aus. Gesehen in Beverly Hills im Mai 2010.
Foto: Supermac1961

Steckbrief:

Kyosho KYO8871P0 Rolls-Royce Phantom Cabriolet Series 1 2007 orangemetallic und KYO8862DBK Rolls-Royce Phantom Coupé Series 1 2008 schwarz. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP des Importeurs Minichamps je 338,50 Euro.