Faszination Modellautos

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Sammeln 1:87 DMV/Beka Robur Garant – Teil 1

Der DMV/Beka Garant: Garantiert phänomenal – Teil 1

Jenseits der Großserie: Eine regionale Arbeitsgemeinschaft in der DDR initiierte in den 80er Jahren ein 1:87-Miniaturauto, den Garant. Er sorgte damals für viel Wirbel in der DDR-Modellautoszene und war wegen seiner Exklusivität auch für West-Sammler spannend. Nach dem Systemwechsel wurde aus der Klein- eine mittelgroße Serienproduktion unter der Marke Beka. Klaus Dörfer blickt auf dieses außergewöhnliche Modell, seine Entstehungsgeschichte und sein Vorbild zurück.

Die DDR hatte eigentlich eine leistungsfähige Spielzeugindustrie. 1:87-Miniaturautos in hoher Qualität fertigten zum Beispiel die Firmen Espewe, Herr, Haufe und Hruska. Deren Modelle in den 60er und auch noch Anfang der 70er Jahre brauchten den Vergleich mit westlichen Erzeugnissen, namentlich von Wiking, nicht zu scheuen und waren diesen in Sachen Detaillierung und Funktion zum Teil sogar überlegen. 1972 wurden die privaten Firmen Herr, Haufe und Hruska verstaatlicht, Espewe verlagerte die Produktion nach und nach ins ehemalige Herr-Werk nach Berlin.

Im letzten DDR-Jahrzehnt machte das Modellbau-Angebot die Sammler immer unzufriedener. Die geschaffenen Strukturen mit den riesigen Kombinaten waren schwerfällig und konnten auf neue Anforderungen kaum reagieren. Vorrang hatten einfach herzustellende Produkte – vor allem, wenn die dann auch noch Devisen bringend in den Westen verkauft werden konnten. Jegliche technologieintensive Produktion gelangte immer mehr ins Hintertreffen. Das betraf nicht nur rollendes Material für die Modellbahn, sondern auch in besonderem Maße die Modellautoproduktion. Es gab kaum Neuentwicklungen, keine Farb- und Bedruckungsvarianten. Darüber hinaus begann in dieser Zeit diesseits und jenseits der Mauer das eigenständige Sammeln von Modellautos, losgelöst von der Modellbahn. Und die Autosammler, mehr noch als die Modelleisenbahner, wollten Neuheiten und Varianten! Diese Situation bedingte und beförderte die Herausbildung einer Kleinserienszene, oftmals getragen von Arbeitsgemeinschaften (AG) des Deutschen Modelleisenbahnverbandes der DDR (DMV).

In nahezu jedem Bezirk der DDR gab es AGs des DMV. Meistens waren sie an einen Betrieb, eine Schule oder ähnliches angeschlossen und wurden dadurch auch finanziert. Matthias Schmidt aus Dresden, damals Mitglied in der Dresdner AG 3/46 und heute Inhaber des auf Ostblock-Modelle in 1:87 spezialisierten Versandhandels Modell-Mobil-Dresden, erinnert sich: „Die AG 3/46 existierte seit 1973, jedoch ohne „gesellschaftlichen Träger“. Sie finanzierte sich selbst, indem sie ein breites Spektrum an Kleinserienteilen fertigte und vertrieb. Die Palette reichte von Eisenbahn-Prellböcken über Handhebeldraisinen bis hin zu OWALAs (= Oberwagenlaternen-Schlusslichter für Waggons).“ Andere AGs fertigten sogar komplette Triebfahrzeuge und Waggons. Weil die Kapazitäten aber bei Weitem nicht reichten, um den Bedarf zu decken, wurden all diese Modelle offiziell nur an DMV-Mitglieder abgegeben – aber eben nur offiziell.

Mit der Entwicklung des Garant als Kunststoff-Spritzgussmodell vollbrachte die DMV AG 3/46 Dresden in den modellautomäßig trüben 80ern eine besondere Leistung. 1985 beschloss die AG 3/46, den Garant herzustellen. Die Entscheidung für dieses Vorbild beruhte auf einer persönlichen Bekanntschaft mit einem privaten Fuhrunternehmer, der noch ein solches Fahrzeug aus den 50ern einsetzte. Schmidt: „Dieser Spediteur fuhr mit zwei Garant-Hängerzügen im Auftrag des Kraftverkehrs und sammelte für die DEUTRANS die Exportwaren in der Lausitz ein – der Mann hatte Arbeit ohne Ende, aber eben nur die beiden Züge und konnte damit zusammen bei jeder Fahrt vier Tonnen pro Zug nach Dresden bringen.“ Der Garant war zu dieser Zeit eigentlich schon ein Oldtimer, aber in der DDR immer noch vielerorts im Einsatz.

Auch die Garanten waren ursprünglich nur für Mitglieder der AG 3/46 gedacht. Aber schnell verbreiteten sie sich in der ganzen DDR. Sie tauchten sogar im Westen auf. Dort wurden sie fast ausschließlich über das damalige Münchner Modellautogeschäft „Modellautos gestern und heute“ in der Schwabinger Giselastraße angeboten, weil der Inhaber eben über gute Kontakte „nach drüben“ verfügte.

Einer der beiden Garant des Dresdner Spediteurs, die als Referenzen für die Modellautoproduktion dienten. Die Fotos entstanden im März 1986.
Foto: Matthias Schmidt
Mit „Mützchen“ versehen, damit der Motor im Winter schneller auf Betriebstemperatur kommt. Die Halle ist die Umschlaghalle 2 im Dresdner Alberthafen, damals angemietet von der DEUTRANS für die Beladung der Waggons und LKWs mit den Exportgütern der DDR.
Foto: Matthias Schmidt
Der Hänger, der aus dem kleinen Laster einen Hängerzug macht und ebenfalls miniaturisiert wurde.
Foto: Matthias Schmidt.

Vom Phänomobil zum Garant

Gustav Hiller (1863-1913) aus Zittau war eigentlich Kaufmann, erlangte aber als Bastler und Erfinder etliche Patente, vor allem auf dem Gebiet der Textilmaschinen. Zur deren Vermarktung gründete er 1888 seine eigene Firma, die sich kurz darauf auch mit dem Vertrieb und der Herstellung von Fahrrädern beschäftigte, ab 1900 wurden auch Motorräder gebaut. Als Markenname wählte Hiller „Phänomen“. Ein großes Wort, ein kluges Wort, aus dem Griechischen kommend und eine besondere Erscheinung bezeichnend, auch ein außergewöhnliches Vorkommnis, zutreffend auch auf einen überragenden Menschen.

1907 wurde der Dreiradwagen „Phänomobil“ eingeführt, in vielen Versionen, vom Ein- bis zum Viersitzer, vom Taxi bis zum Lieferwagen. Einer der Hauptabnehmer war die Reichspost. Auf deren Drängen entstand 1927 mit dem Typ 4RL der Urahn einer erfolgreichen, vierrädrigen Transporterreihe. 1931 erschien ein größerer Typ „Granit 25“ als 1,5-Tonner, 1936 weiterentwickelt als „Granit 30“ und 1941 als „Granit 1500“. All diese Fahrzeuge hatten als Besonderheit einen luftgekühlten Motor.

1945 wurde das Werk im Rahmen der Reparationsleistungen weitgehend demontiert und im Anschluss enteignet. Der bisherige Firmenchef Rudolf Hiller, ein Sohn von Gustav Hiller, verließ daraufhin die sowjetische Besatzungszone und wurde 1950 in leitender Funktion bei Hanomag in Hannover angestellt. Nach schwierigen Anfangsjahren gelang dem Werk in Zittau 1950 die Wiederaufnahme der LKW-Produktion mit dem nun „IFA Phänomen Granit 27“ genannten Typ, der im Wesentlichen dem Kriegsmodell „Granit 1500“ entsprach. Durch motorseitige Weiterentwicklung entstand daraus 1953 erneut ein „Granit 30“. 1954 wurde das äußere Erscheinungsbild an den Zeitgeschmack angepasst. 1956 kam es zu einigen Änderungen: Gustav Hiller hatte als Inhaber der Namensrechte an „Phänomen“ und „Granit“ einen Prozess gewonnen, die weitere Verwendung wurde dem Zittauer Werk damit untersagt. Aus dem „Granit“ wurde der Garant, außer dem Schriftzug an der Front änderte sich aber nichts. Ab 1957 firmierte das Werk unter „VEB Robur-Werke Zittau“. Den Zustand ab 1956 bildet das Modell nach.

Typische 50er-Jahre-Graphik: Titel des 1953er Garant-Prospektes. Damals durfte er noch Phänomen heißen:
Foto: Archiv afs
Treuherziger Blick: Phänomen Granit 30 in Diensten des VEB Blütenweiß.
Foto: Archiv afs
Kleiner Wartungsdienst am Garant. Dem Gesichtsausdruck nach erledigt der Mechaniker seine Aufgabe mit freundlicher Einstellung zur Arbeit.
Foto: Archiv afs
Ruhe sanft: Garant als Dauerparker inmitten anderen DDR-Altmetalls, gesehen auf einem Hinterhof in Chemnitz im April 2008. Womöglich hat sich die Szenerie seither nicht verändert.
Foto: afs

In Guerilla-Manier konstruiert: der DMV Garant vor der Wende

Die notwendigen Vorbildunterlagen von Konstruktionszeichnungen bis hin zu Fotografien für den Garant besorgte Matthias Schmidt. Bernd Kasten, ebenfalls AG-Mitglied und von Beruf Formenbauer bei Prefo, war für die Konstruktion des Modellautos verantwortlich. Die Formen wurden dann bei Prefo „nebenbei“ und „im Geheimen“ gebaut (in den Mittagspausen, nach Feierabend oder am Wochenende), die Betriebsleitung durfte davon nichts erfahren. Die Einzelteile konnten in einer kleinen privaten Spritzerei hergestellt werden, die Montage der Einzelteile erledigten die AG-Mitglieder, die Endmontage besorgte Bernd Kasten. Es gab sogar eine Maschine für Bedruckungen. Schmidt: „Um das Ganze zu finanzieren, hatte sich die AG einen Privatkredit besorgt. Die Geschäfte liefen gut, nach anderthalb Jahren war der Kredit zurückgezahlt.“ Als die ersten Modelle 1986 erschienen und auf Börsen angeboten wurden, war das eine Sensation in der Szene. Der Bedarf überstieg die Lieferbarkeit, aber das war in der DDR ohnehin üblich. Die offizielle Wartezeit, so erinnert sich Matthias Schmidt, habe zeitweise bei anderthalb Jahren gelegen: „Wir kamen kaum hinterher mit der Produktion. Wir hatten ja alle noch einen richtigen Beruf und gingen zum Teil in Schicht arbeiten. Aber wir haben es gepackt!“. Ein kleiner Teil der Modelle wurde zusätzlich durch eine Lackierung aufgewertet. Dies erfolgte durch Hans Nitzschke, ebenfalls ein Mitglied der AG. Er schuf dadurch sozusagen eine „Kleinst-Serie innerhalb der Klein-Serie“. Diese Modelle waren und sind sehr selten, die Stückzahlen marginal.

Mit der Wende änderte sich die Lage grundsätzlich, in allen Lebenslagen, auch in der Nische der Miniaturautosammler. 1991 wurde der DMV aufgelöst und damit auch die AGs, manche wurden in Vereinsform überführt. Die Dresdner AG 3/46 beschloss, die Produktion auf Vereinsbasis nicht weiterzuführen. Bernd Kasten verlor im Zuge der Wende/Liquidierung/Privatisierung seinen Job bei Prefo. So übernahm er nun die Garant-Formen und gründete am 1. Juni 1992 mit ihnen als Grundstock seine Firma Beka-Modellbau (Beka als Akronym für seinen Namen). 28 Jahre lang sollte sie Bestand haben. Ende Juni 2020 gab Bernd Kasten den Geschäftsbetrieb seiner Firma aus Alters- und Gesundheitsgründen auf; ein halbes Jahr später, am 12. Januar 2021, starb er.

1:87-Modelle vom Garant gibt es inzwischen in weit besserer Ausführung – allerdings längst nicht alle Aufbauvarianten, die Beka im Programm hatte. Den Pritschenwagen mit und ohne Plane und das Kofferfahrzeug hat Brekina im Angebot, den Kastenwagen und den Halbbus gibt es bei Busch. Außerdem existieren von der tschechischen Firma V&V etliche Kleinserien-Bausätze.

Verglichen mit seinen neueren Mitbewerbern fällt auf, dass der DMV-Garant kleiner ausfällt. Beim Nachrechnen ergeben sich unterschiedliche Maßstäbe um 1:95 herum, je nachdem, welche Abmessung man heranzieht. Diese doch erhebliche Differenz zum H0-Maßstab erstaunt, war doch ein Original zum Vermessen vorhanden. Wahrscheinlich sind die besonderen Umstände der Werkzeugerstellung die Ursache.

Die DMV-Modelle wurden in Blisterverpackungen (der Blister von Hand auf einen Karton getackert) geliefert. Den ganz frühen Modellen lagen kleine Kunststoffplaketten mit der Prägung „Garant Oldtimer“ bei. Die ersten Modelle mit den Fahrgestellversionen I und II sind extrem selten. Die folgenden DMV-Versionen tauchen ab und zu mal auf, sind in Originalverpackung aber auch nicht häufig. Beka-Modelle, also die Nachwende-Garant, sind problemlos zu finden, allerdings gibt es auch einige Sondermodelle, die ein höheres Preisniveau erreichen.

Klaus Dörfer

Der Beka-Garant mit seinen Mitbewerbern von V&V,  Busch und Brekina (von rechts). Im direkten Vergleich wird der Größenunterschied deutlich.
Foto: Klaus Dörfer
Blisterverpackung von hinten mit Beschriftung sowie die schwarze Plakette.
Foto: Klaus Dörfer

Caramini-online dankt Matthias Schmidt und Stefan Gärtner für inhaltliche Unterstützung sowie die Bereitstellung von Fotomaterial.

Morgen erscheint der zweite Teil der Garant-Präsentation in Caramini-online. Er widmet sich den Formunterschieden des Fahrgestells sowie den Beka-Modellen nach der Wende.