Das unbekannte Wesen (2): Der Morgan Threewheeler von Gaiety Toy
Zuerst einen arg Bespielten, Jahre später einen Guten: Einen Morgan Threewheeler von Gaiety Toys muss man suchen, kann man aber finden. Wer ist dieser weithin unbekannte britische Hersteller? Und worin besteht die Faszination des dreirädrigen Morgan? Eine Spurensuche.
Früher hieß „Gaiety“ gang einfach „Fröhlichkeit“ auf Englisch. Das Wort hat zwischenzeitlich einen Bedeutungswandel durchgemacht, hat eine fast schon politische Bedeutung, ist in manchen Kreisen geradezu aufgeladen. Schon in den 1890er Jahren begann die langsame Umwidmung, „gay“ bekam einen unmoralischen Anklang (ein Gay House war ein Bordell), und in den 50er und frühern 60er Jahren mutierte „gay“ umgangssprachlich zu „homosexuell“. Seit Anfang der 80er Jahre hat das Wort keine andere Bedeutung mehr, und der früher durchaus gebräuchliche Vorname Gaylord ist dermaßen gebrandmarkt, dass er nahezu nicht mehr vergeben wird. Keine gute Bezeichnung für ein Spielzeug also, und schon Ende der 40er Jahre mehrdeutig.
Dennoch entschloss sich die Firma Castle Art Products Ltd in der Thornton Road Nummer 48 in Birmingham, ihrer Spielzeugbranche den Namen Gaiety Toy zu geben. Entweder war ein Visionär am Werk oder ein Konservativer, der darin tatsächlich nur die (kindliche) Fröhlichkeit sah.
Zinkdruckguss als rares Gut während des Korea-Krieges
Castle Art Products wurde am 5. März 1946 in das britische Handelsregister eingetragen, vulgo gegründet, und zwar als Firma zur Herstellung von Metallgussteilen (wie so viele damals!). Castle Art Products spezialisierte sich auf Zinkdruckgussteile für die Automobilindustrie, also Zierteile, Türgriffe, Schriftzüge, Scheinwerfereinfassungsringe, Schlossplatten, Grundplatten für Rücklichter – eben alles, was aus Zinkdruckguss hergestellt und anschließend verchromt wird. Die Firma machte aber auch Nützliches für den Haushalt und Druckknöpfe. Und eben Kinderspielzeug. Das kurioseste Spielzeug, auf das wir in der Recherche stießen, sind Handschellen (aber als Kinderspielzeug, nicht als Sex-Spielzeug), alles andere ist weitgehend „normal“: Eisenbahnmodelle, Autos. Als Fahrzeugzulieferer ist die Castle Art Products Ltd. bis 1983 belegbar.
Spielzeug wurde nur in der Anfangszeit hergestellt, zweite Hälfte der 40er bis frühe 50er Jahre. Zinkdruckguss war damals ein eher rares Gut und wurde der Industrie zugeteilt, mit Ausbruch des Korea-Krieges 1951 war es für zivile Produkte kaum mehr erhältlich. Die Hersteller experimentierten mit Alternativen, und die Gaiety-Erzeugnisse sind auch mehrheitlich aus Aluminiumguss hergestellt, weil Zinkdruckguss damals Mangelware war.
Gaiety Toys produzierte anfangs eine kleine Zahl an Diecast-, also Zinkdruckguss-Miniaturfahrzeugen, darunter den Morgan-Dreirad-Sportwagen, drei unterschiedliche Grand-Prix-Rennwagen zwischen 8 und 13 cm Länge (sie werden wesentlich häufiger angeboten als der Morgan), die beiden größeren auch mit Uhrwerkmotor, sowie einen Eisenbahnzug, bestehend aus einer Stromlinienlokomotive mit Tender und einem Personenwaggon. Alle gab es sowohl lackiert als auch verchromt. Angeblich sollen auch ein Traktor und ein Feuerwehrauto zur Produktpalette gehört haben. Um 1950 stellte Gaiety Toys diese Modelle ein und konzentrierte sich auf Modellbahnen in der englischen Nenngröße 00, also 1:76, nunmehr unter dem Label Gaiety Models, entweder als Schiebemodelle oder mit einem Elektromotor versehen. Diese sind heute nicht selten, müssen also in erklecklicher Stückzahl produziert worden sein. Castle Art stellte dennoch die Produktion ein und spezialisierte sich fortan auf Zulieferteile für die Autoindustrie.
Der Morgan als Solitär bei Gaiety Toy
Der Gaiety-Toy-Morgan ist ein Morgan Vee-Twin Super Sports Threewheeler 1937, auch nach dem Krieg noch populär auf britischen Straßen. So manches Spielzeugauto, das kurz nach dem Krieg erschien, hatte ein Vorkriegsvorbild. In den 40er Jahren kamen in Großbritannien nicht allzu viele neu konstruierte Autos auf den Markt, und auch Platzhirsch Dinky Toys nahm in den späten 40ern die Produktion von Vorkriegsmodellen wieder auf. Neu konstruierte Dinkys erschienen erst ab 1950.
Der Vorkriegs-Morgan blieb lange Zeit aktuell, gerade Morgan gehört nicht zu jenen Firmen, denen man hyperaktive Neukonstruktionen vorwerfen kann. Heute kennt man den Morgan 4/4 und Plus Acht als harte Roadster im Stile der 30er Jahre, die immer noch gebaut werden. Doch Harry Frederick Stanley Morgan (1881 bis 1959) begann mit Dreirädern, vorne zwei und hinten eines. Der klassische Morgan Threewheeler hat einen Zweizylinder-Frontmotor zwischen der Vorderachse und ein angetriebenes Hinterrad, dazwischen Platz für Zwei, eine offene Roadsterkarosserie aus Stahl. Der erste Threewheeler stammt von 1910, und er wurde ohne großartige konstruktive Veränderungen bis 1952 gebaut. Die Motoren waren keine Eigengewächse, sondern Zulieferteile unterschiedlicher Hersteller, luft- oder wassergekühlte V-Zweizylinder-Viertaktmotoren, ohne Verkleidung eingebaut und damit direkt dem Fahrtwind ausgesetzt. Bis 1931 reichte ein Zweiganggetriebe ohne Rückwärtsgang. Das zwischen 410 und 460 Kilo schwere Gefährt ließ sich leicht mit Muskelkraft rangieren. Die Motoren waren mit rund 40 PS recht kräftig, und wegen des geringen Gewichts konnte ein Morgan locker mit Tempo 130 fahren und lag dabei wie ein Gokart auf der Straße. Gefahren wurde mit Sturmhaube und Motorradführerschein, besteuert wurde der Morgan auch wie ein Motorrad. Bis vor dem Krieg war der Erfolg immens, danach nicht mehr, und als Morgan auf den vierrädrigen Plus 4 umstellte, war das Ende der Threewheeler besiegelt. Zwischen 2012 und 2021 baute Morgan eine optisch dem Original entsprechende Neuauflage mit moderner Technik, 2022 folgte eine modernisierte Version, der Morgan Super Three mit 118 PS starkem Ford-1,4-Liter und Fünfgang-Getriebe von Mazda, ein 210 km/h schnelles Lustobjekt.
Leichtgewichtig und nicht pestgefährdet dank Aluminium-Guss
Der 1937er Morgan Vee-Twin Super Sports Threewheeler ist das einzige Spielzeug von Gaiety Toy, das ein konkretes Vorbild hat und ist somit ein Solitär. Wer es sucht, muss sich auf die Insel begeben, also das britische Ebay konsultieren. Häufig ist das Modell nicht, aber auch keine Rarität (nicht zuletzt, weil es solide gefertigt ist und somit eine hohe Überlebensrate hat). Gaiety Toys war ein kleiner Hersteller ohne ausgeklügelten Vertrieb, womöglich waren die Verkaufsstellen sogar regional begrenzt. Meinen ersten Gaiety-Morgan in stark bespieltem Zustand erwarb ich für kleines Geld (weniger als 20 Euro) vor zehn Jahren, eher durch Zufall beim „Surfen“ auf dem englischen Ebay. Danach suchte ich gezielt einen Guten und fand ihn fünf Jahre später, dann für 90 Euro. Wir sprechen also nicht von einer Hochpreis-Antiquität, sondern von einer Rarität für den Connaisseur. Das liegt vor allem daran, dass die Sammler Gaiety Toys nicht kennen und somit nicht suchen, und was der Sammler nicht kennt, das will er letztlich auch nicht haben. Er teilt diese Einstellung mit dem Bauern, der bekanntlich nicht isst, was er nicht kennt – wie man so schön sagt.
Der Miniatur-Morgan ist ein kleines Teilchen, ungefähr so lang wie ein ausgewachsener 1:43er, aber deutlich breiter. Das Original misst 3200 mm in der Länge. Daraus lässt sich der Maßstab des Gaiety-Morgan errechnen, der 124 mm lang ist, also ungefähr Maßstab 1:18. Es ist, in Relation zu seiner Größe und der Tatsache, dass es komplett aus Metall gefertigt ist, ziemlich leicht (220 Gramm), was am Material liegt, dem Aluminiumguss. Auch die Räder und das Lenkrad sind daraus gefertigt. Die Karosserie besteht aus Oberteil und Unterschale, von zwei kruden Schrauben zusammengehalten, die unlackierten Räder stecken fest auf den Achsen, rollen also nicht unabhängig, der V2-Motor ist ein separates und ebenfalls unlackiertes Formteil, genauso das Lenkrad. Meine beiden Exemplare sind rot, andere Farben sind bekannt, ebenso vollständig verchromte Modelle (Castle Art Products konnte im Haus galvanisch verchromen, der Autozulieferteile wegen). Angeblich soll es auch eine Version mit Schwungradantrieb geben, was der Verfasser nicht bestätigen kann. Der Innenraum ist hellgrau lackiert, jedoch nicht schabloniert gespritzt, sondern von Hand gepinselt. Die Oberfläche des Materials ist porenfrei, die Lackierung in Anbetracht der Zeit (und verglichen mit zeitgenössischen Dinkys) sehr gut. Zinkpest kann nicht auftreten, weil das Dreirad ja nicht aus Zinkdruckguss, sondern aus Aluguss besteht (also „ewiges Leben“ garantiert). Die Bodenplatte ist umfangreich beschriftet: Zu lesen sind der Markenname Gaiety Toys mit einer Patentnummer, der Name des Mutterhauses („A Castle Art Product“), auf die Heimat Birmingham und England wird stolz verwiesen und das Markenzeichen, ein stilisiertes Schloss, ist ebenso eingraviert wie der Hinweis, dieses Logo sei eine „Trade Mark“. Verwechslungen also ausgeschlossen.
Diverse Morgan-Dreiräder in 1:43 machte früher auch Brumm, 1972 in Italien von Reno Tattarletti gegründet und anfangs auf Dampfkutschen spezialisiert. Mit dem Morgan Dreirad schaffte Brumm 1977 den Sprung in die Modellautobranche, aber die Morgan-Dreirad-Serie, so nett sie war, ist längst außer Produktion. Auch Spark machte Morgan-Dreiräder, Resinemodelle in 1:43.



Modellfotos: bat




Foto: afs

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Fotos: Archiv afs

Quelle: Archiv afs