Hilbrenner, Notker: „Volvo. Vom Schneewittchensarg ins elektrische Zeitalter“. Stuttgart (Motorbuch-Verlag) 2024. 208 Seiten. ISBN 978-3-613-04641-8. Preis 34,90 Euro.
Was der Untertitel „Vom Schneewittchensarg ins elektrische Zeitalter“ suggeriert, trifft auf Notker Hilbrenners Volvo-Buch zum Glück nicht zu. Der „Schneewittchensarg“, also der Volvo P1800 ES, erschien im August 1971. Und eine Volvo-Geschichte, die erst hier begänne, würde vieles, was volvowichtig ist, außer Acht lassen: die Vorkriegsgeschichte, den Buckel, die Amazone, die 140er- und 160er-Reihe. Nein, der Untertitel ist verkehrt, das Buch deckt die komplette Volvo-Geschichte und -Typologie ab – und zwar konventionell chronologisch, ganz kurz die Vorkriegsepisode (warum eigentlich kurz? Weil Vorkrieg heute niemanden mehr interessiert?), danach bekommt jeder Volvo-Grundtyp vom Buckel bis zu den aktuellen Polestar-Modellen sein Kurzkapitel. Fotos: Ja, schön sind sie. Und der Autor hat es sich leicht gemacht, weil Volvo es ihm leicht macht. Kaum ein Autokonzern bietet ein dermaßen großes Angebot schöner und meist farbiger Pressefotos auf seiner Website, die sich ganz einfach downloaden lassen. Ganz einfach, so geschah es hier: nicht ein ungesehenes Foto, das den Horizont erweitert. Und nicht eines, das den Volvo nicht so in Szene setzt, wie Volvo es wollte und will. Dafür allerdings zeitgenössische und -typische Werbefotos, die letztlich den Zeitgeist widerspiegeln und selbstverständlich professionell-perfekt aufgenommen sind.
Das Buch ist eine erweiterte Auflage von Hilbrenners Buch aus dem Jahr 2019, wie er im Vorwort selbst sagt, „in bewährter Weise“: Kurzportraits der Typen, die allgemeine Volvo-Geschichte wird (fast) vernachlässigt. Das Buch startet mit Hypersuperkurz-Portraits, an die sich die jeweiligen Kurzportraits anschließen, inklusive Tabellen. Neu sind vor allem die Elektrovolvos, die seit Erscheinen der Erstauflage 2019 hinzugekommen sind. Der Text ist prägnant und pragmatisch mit einem Hang zum Technokratischen, ziemlich sachlich und wikipedisch. Und das kann und soll auch das Fazit sein: Das Buch ist auf gutem Wikipedia-Niveau, angereichert durch wirklich schöne aber wirklich nicht neue Werksfotos. Neues erfährt der Volvo-Liebhaber nicht, aber für jenen, der sich in Buchform der Marke Volvo annähern möchte, ist es okay. Sonderlich viel Liebe und Herzblut können wir nicht erkennen.
Und dann sei uns noch die generelle Kritik an Büchern dieser Art gestattet: Wenn ein Buch für 35 Euro nicht mehr bietet als Wikipedia (kostenlos) und das Volvo-Bildarchiv (ebenfalls kostenlos zugänglich, man benötigt nicht mal einen Account), so liefert dies den Verfechtern des Mediums Buch und den Buchleseratten nicht gerade gute Argumente dafür, warum die Leute weiterhin Bücher kaufen und lesen sollen. Ein (Sach-) Buch sollte sich doch gerade dadurch auszeichnen, dass es mehr bietet als das allgemein und kostenlos jedermann zugängliche Internetwissen. Doch ein solches Sachbuch zu schreiben, macht Mühe. Und warum sollte man sich Mühe geben, wenn es auch mühelos geht?
afs