Die Filmserie seicht, das Filmauto ein Juwel
Wer kennt Sergeant Keisuke Daimon und seinen exorbitanten Wagen, den Seibu Keisatsu Super Z? Niemand! Oder kaum jemand. Wird Zeit, dass sich das ändert! AUTOart lässt den Initialschrei los, das Modell in 1:18. Und Caramini-online wühlte sich dank Google-Übersetzer durch japanische Webseiten. Jetzt wissen wir Bescheid.

Der James-Bond-Aston-Martin von AUTOart ist in aller Munde. Was er alles kann! Wie schön er gemacht ist! Ja, er ist populär, man kennt ihn als Corgi-Toys-Spielzeug aus Kinderzeiten und man kennt seine Gadgets. Das AUTOart-Modell wird an der Erwartungshaltung der Sammler gemessen und besteht diesen Test mit Bravour. Aber da ist einer, der kann ebenso viel. Kein Aston Martin, sondern ein Nissan 280 ZX. Kein 60er-, sondern ein 80er-Jahre-Filmfahrzeug. Kein englischer Film, sondern eine japanische TV-Serie. In Japan wohl nicht gar so bedeutend wie in Europa James Bond, aber immerhin weit verbreitet, gut bekannt, eine Art Kult-Serie. Hier bei uns kennt niemand Seibu Keisatsu und deshalb auch nicht den phantastischen Nissan 280 ZX. Das könnte und sollte sich ändern durch das neue AUTOart-Modell. Natürlich ist es vorzüglich für den asiatischen Markt gemacht und dürfte in Europa ein Nischendasein führen – in Bezug auf sein Vorbild, auf die allgemeine Verehrung des Themas. Aber nicht in Bezug auf den Modellbau, auf die Wiedergabe all der Spielereien dieses Filmautos durch AUTOart. Wer braucht ihn? Fans von Film- und TV-Autos, Verehrer des Nissan Fairlady Z, zu dessen Familie der 280 ZX gehört, Enthusiasten von beweglichen Teilen an Modellautos, Technikaffine mit einem Faible für geheimnisvoll getarnte Kästchen im Kofferraum, Flügeltürer-Fetischisten – und diejenigen, die stilvolle Zweifarblackierungen an 80er-Jahre-Sportwagen mögen.
Hau-drauf und Peng und Bumm und coole Sprüche
Seibu Keisatsu (西部警察) heißt auf Deutsch „Polizei des Westens“, eine TV-Serie mit 236 Folgen, jeweils knapp eine Stunde lang, produziert vom japanischen Privatsender TV Asahi, ausgestrahlt zwischen Oktober 1979 und Oktober 1984. Vergleiche hinken bekanntlich immer. Aber vom Stellenwert her vergleichbar mag Seibu Keisatsu mit der deutschen Produktion „Alarm für Cobra 11“ sein. Es ist eine Jäger-und-Gendarm-Serie, die Polizeizentrale im Westen Tokios bekämpft die Tokioter Unterwelt. Der Protagonist ist der Polizei-Sergeant Keisuke Daimon, und er leitet die so genannte Daimon Force. Die Serie lebt von Action, Macho-Gehabe, vielen Auto-Stunts und, nach US-amerikanischem Action-Vorbild, völlig übertriebenen Explosionsszenen. Es gibt eine ganz aufschlussreiche Statistik zu der Serie: In den 236 Folgen wurden 4680 Autos und 320 Gebäude zerstört und es wurden insgesamt 4,8 Tonnen Sprengstoff und 12.000 Liter Benzin eingesetzt, bei den Dreharbeiten gab es sechs Verletzte und die Produktionsfirma musste sich 45 Mal öffentlich und schriftlich entschuldigen (für was auch immer, in Japan ist das üblich). Alleine schon deshalb bietet sich ein Vergleich mit „Alarm für Cobra 11“ an, aber auch mit vielen zeitgenössischen US-amerikanischen „Detective“-Serien aus den 80er Jahren (und „Alarm für Cobra 11“ ist heute schließlich aus der Zeit gefallen, auf dem damaligen Niveau stecken geblieben und bedient die ewig Gestrigen in Sachen hau-drauf-Action und Auto-Stunts).
Autos sind in der Serie Seibu Keisatsu also immens wichtig, natürlich japanische Autos. Die Bösewichte setzen logischerweise auf typische japanische Heckmotor-Coupés und driften um die Wette, denn das zu sehen macht den japanischen Petrol-Heads Spaß. Um mithalten zu können, benötigt die Polizei aus Tokios Westen adäquates, automobiles Material und verfügt auch über solches. Darüber, dass die japanischen Polizeibehörden solche Fahrzeuge niemals aus Steuergeldern finanzieren würden, darf man nicht nachdenken. Deutsche TV-Kriminalkommissare haben bekanntlich auch Dienstwagen, von denen echte Kommissare nicht mal zu träumen wagen. Aber letztere müssen mit steuerfinanzierten Autos Vorlieb nehmen, erste mit Leckereien, die im Rahmen des Product Placements von Automobilfirmen gestellt werden oder Oldtimer als Sympathieträger. Wenn der TV-Kommissar einen realistischen Leasing-Passat-Variant fährt, schaltet der Petrol Head die Glotze reflexartig aus.
Nissan betrieb Product Placement
Der Filmausstatter Ishihara Promotion stellte für Seibu Keisatsu einige stets wiederkehrende „Dienstwagen“ bereit, schwer modifizierte Fahrzeuge, allesamt Nissan, denn Nissan erkannte die Gunst der Stunde und supportete die Serie von Anfang an. Daimons Chef Kenzo Kogure fährt einen zum Cabriolet umgebauten Nissan Gazelle (der das edlere Schwestermodell des Nissan Silvia S12 ist), die Daimon Force verfügt über drei nahezu gleiche Dienstwagen, modifizierte Nissan Skyline (R30) 2000 RS in Rot, genannt „Machine RS-1“ bis „Machine RS-3“), dann gibt es noch einen wild hergerichteten Nissan Safari (den wir als Patrol 160 kennen), gepanzert und mit Wasserwerfer, Radarkamera und Computer versehen. Einen Motorradpolizisten gab es in der Serie auch, und der schwört auf eine als Café Racer modifizierte Suzuki GSX 1100 Katana. Der Hauptdarsteller selbst, also Keisuke Daimon hat gleich zwei Fahrzeuge nacheinander, zunächst einen schwarzen, getunten Skyline (C211) 2000 Turbo GT-E mit goldenen Streifen und Alus, also ein bisschen in John-Players-Special-Manier, ab 1982 dann den Nissan Fairlady Z (S130), sein Liebling und das von AUTOart miniaturisierte Flaggschiff der Serie. Dieser Wagen unterlief einer ganzheitlichen Kur. Er besticht durch Karosserieumbauten, trägt Agenten-Features und sieht durch seine auffällige Zweifarbenlackierung teuflisch gut aus. Natürlich ist das wieder mal absolut unrealistisch, dass ein Ermittler mit einem dermaßen auffälligen Fahrzeug auf Verbrecherjagd geht (man denke an den tomatenroten Ford Torino mit weißen Seitenstreifen von Starsky & Hutch, genau das gleiche!), aber wer solche Dinge pragmatisch hinterfragt, ist ohnehin nicht der richtige Konsument für derartige Serien (und schon gar nicht für die Produkte, die in den Werbepausen angepriesen werden).
Flügeltüren und Lachgas
Der Nissan Fairlady Z S130 (in Europa: Nissan 280 ZX), Design Peter Harris im amerikanischen Nissan-Entwicklungszentrum, wurde von der Firmproduktionsfirma Ishihara umgebaut. Sein optisch wichtigstes Charakteristikum sind die zweiteiligen Türen (in der Praxis völlig ungeeignet!), deren unterer Teil konventionell öffnet und deren oberer Teil eine in Dachmitte angeschlagene, voll verglaste Flügeltüre ist. Das heißt, das Filmauto entstand auf Basis der T-Bar-Variante mit zwei herausnehmbaren Dachhälften und fest stehendem Mittelstück. Auf diesem ist eine versenkbare Rundumleuchte montiert, die in Japan kein Blau-, sondern ein Rotlicht ist. Die hinteren Seitenscheiben sind mit Lamellen verkleidet, auf der Motorhaube sind zwei Mal zwei Tränengaswerfer montiert. Das ganze Auto ist ein einziger Computer (auf jenem Stand, wie man sich in den 80er Jahren fiktive Computer vorstellte). Und dann verfügt der Wagen noch über eine Lachgasanlage. Rein fiktional gibt es auch einen unglaublichen Turbolader, der eine Leistung weit über die Serie hinaus suggeriert (werksseitig verfügt der Nissan über den L28ET-Turbomotor, 2,8-Liter-Reihensechszylinder mit 182, später 200 PS). Lackiert ist der Wagen in Goldmetallic, die Seitenflächen schwarzer Unilack, auf der Motorhaube, den Türen und im Heckfenster große Nissan-Schriftzüge. Das Serienfahrzeug wurde von 1978 bis 1983 fabriziert, gegenüber dem Vorgänger eine völlige Neukonstruktion, zwei Radstände, Zweisitzer und 2+2. Der Filmwagen basiert auf dem längeren 2+2.
Das Rohr in der Mitte heißt „Skunk“
Sergeant Daimon fuhr in der Serie also zunächst einen Skyline und nach dessen Ableben ab 1982 den Fairlady Z. Das AUTOart-Modell trägt eindeutig die Merkmale des 1982er Facelifts, mithin neue Rückleuchten im Nadelstreifendesign, zwei NACA-Öffnungen in der Motorhaube und Gummi-Stoßstangenhörner, die Turboversion nunmehr 200 PS stark (übrigens damals das bis dato leistungsstärkste und mit 230 km/h schnellste und mit 40.000 D-Mark teuerste Japan-Auto auf dem deutschen Markt!). Der Filmwagen trägt einen Front- und Heckspoiler, also muss er auf dem Turbo basieren, und von den zwei Mal zwei Auspuffendrohren rechts und links dürfte ein Paar reiner Fake sein und das fünfte, mittige Rohr wird im Film „Skunk“ genannt. Denn aus diesem Rohr versprühte der Nissan auf Knopfdruck übel riechendes Lachgas und aus einer Doppelrohranlage drang Nebel nach außen. Es gab zwei Filmwagen, einen Schalter und einen mit Automatik, im Modell ist der Automatikwählhebel gut zu sehen. Die beiden Kanonenduos auf der Motorhaube bewegen sich am Original auf und ab und hin und her, am Modell sind sie horizontal beweglich. Die Kennzeichen „Shinagawa 33 ta 35-27 sind vorbildgerecht.
Das Modell ist typisch AUTOart. Das ist Leckerei vom Feinsten, süßeste Praline, Handschmeichler, Wellness fürs Auge, Stolz in der Sammlung. Es ist gemacht, wie ein AUTOart-Modell eben gemacht ist: auf höchstem modellbauerischem Niveau mit immenser Detailliebe und mit viel Ingenieurskunst, beispielsweise die Hydraulik für die Flügeltüren, äußerst filigran die Halterungen für den transparenten Mückenschutz auf der Haube vor der Windschutzscheibe. Die Felgen, sie heißen SSR Star Shark und sind ein typisches 80er-Jahre-Japan-Zubehör, sehen genial aus (wenngleich ventillos), und wie beim Original sind die Speichen in Karosseriefarbe gehalten. Der Innenraum ist gespickt mit Knöpfchen und Schaltern, ergonomisch korrekt um den Fahrersitz drapiert, endlich mal wieder ein AUTOart-Interieur nicht in der von AUTOart präferierten Farbe Taubengraublaustandard (an der wir uns allmählich satt sehen), im Kofferraum High-Tech-Attribute, die fiktiv sind und die wir deshalb nicht benennen können, die aber spannend aussehen, natürlich Teppichboden rundum. Der Motor ist ein wahres Schmuckstück, voll verkabelt, ein herrlicher Reihensechszylinder als separat eingesetztes Teil in höchster Detailtreue. Aber was uns am meisten an diesem Wagen, nach Öffnen der Haube, fasziniert, ist die Lackierung des Motorraumes. Da hat AUTOart wirklich ganz genau das Original nachgebildet, das als silberner 280 ZX zur Welt kam und dann die golden-schwarze Filmlackierung erhielt. Überall, aber nicht im Motorraum. Der blieb silbern, und der ist auch beim AUTOart-Modell silbern. Das ist ganz klasse!
Natürlich macht der James-Bond-Aston-Martin mehr her, ist effektiver, Aufsehen erregender, bekannter (in unseren Breitengraden). Aber der Seibu Keisatsu Super Z ist eine tolle Ergänzung, ist etwas für den Connaisseur, für den Sammler weit abseits des Mainstreams. Das Automodell ist ein Kleinod, ein Juwel, es ist außergewöhnlich und es ist einmalig.
afs


Modellfotos: Hans-Joachim Gilbert





Foto: Morio
Steckbrief:
AUTOart 77476 Nissan Fairlady Z (S130) (i.e. 280 ZX 2+2) „Seibu Keisatsu Super Z“ 1982. Fertigmodell Kunststoff, Maßstab 1:18. UVP 295,95 Euro.