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News 1:18 Kyosho Lamborghini Countach LP500R 1975

Ein bewegtes Leben in Schwarz

Erst IAA-Ausstellungsstück in Rot, dann schwer modifiziert, schwarz lackiert und nach Japan emigriert. Kaum dort, schon gestohlen. Dann das Auto eines Gangsterbosses, das durch mehrere 1:24-Plastikkits weltberühmt wird. Anschließend in zweiter Hand umlackiert, in dritter und Sammlerhand erneut schwarz: Der Lamborghini LP500R, ein Einzelstück, blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Jetzt kehrt Ruhe ein: Kyosho macht ihn für die Vitrine und damit für die Ewigkeit.

Das Original war ein LP400 in Rosso Corsa mit weißem Leder, am 8. September 1975 an den deutschen Lamborghini-Importeur Hubert Hahne in Düsseldorf ausgeliefert. Sofort war Chassis-Nr. 1120144 große Ehre zuteil, denn der Wagen war zwei Wochen später das IAA-Ausstellungsstück. Ein normaler LP400 blieb er nicht allzu lange. Im Laufe des Jahres 1976 oder Anfang 1977 musste er tief greifende Modifikationen über sich ergehen lassen, von denen nicht klar ist, ob sie in Deutschland oder in Sant’Agata Bolognese ausgeführt wurden: ganz wesentliche Verbreiterung der Radhäuser zur Aufnahme breiter BBS-Felgen (hinten 345er-Schlappen), Fahrwerksmodifikationen, tiefer Frontspoiler, Doppelpylon-Heckflügel, Hubraumvergrößerung auf 4754 cm³. Außerdem wich das Rosso Corsa einem schwarzen Lack mit drei weißen Streifen, die vorne sehr streng und parallel beginnen und sich nach hinten durchziehen, wobei der untere der Drei ein reges Eigenleben führt. Die Streifenzier findet ihre Fortsetzung auf dem Dach und setzt sich an der Motorklappe fort. Auch den Türschweller ziert ein weißer Streifen, die Abdeckung der Klappscheinwerfer sind weiß umrandet und ebenfalls weiß sind drei Schriftzüge „Lamborghini LP500R“ sowie der Stier auf der Fronthaube. Ein eher unglückliches und wahrscheinlich auf die Schnelle angebrachtes und den Zulassungsvorschriften geschuldetes Detail sind die vorderen, seitlichen Zusatzblinker. Sie sehen aus, als seien sie dem Ersatzteilregal für Lastwagen entnommen.

Damals war der japanische Yen sehr stark gegenüber dem Dollar (und auch der D-Mark), japanische Geschäftsleute und Gangsterbosse sonnten sich gerne mit Supersportwagen (was bis heute nicht anders ist). Der schwarze Countach wurde also nach Japan exportiert, und kaum beim Händler Seaside Motors in Yokohama angekommen, wurde er gestohlen. Er tauchte wieder auf, und ein Yakuza-Boss griff zu. So hatte FIN 1120144 nicht nur eine kriminelle Vergangenheit, sondern auch eine ebensolche Gegenwart. Der Gangster jedenfalls war stolz auf seine Acquisition und zeigte seinen LP500R auf zahlreichen japanischen Supercar-Shows herum. Das machte den Wagen ungemein populär und er wurde von mehreren japanischen Kit-Herstellern als Plastikbausatz in 1:24 zu ewigem Leben befördert (Aoshima, Fujimi, Tamiya, teilweise noch heute fabrikneu erhältlich).

Der Yakuza-Boss verkaufte ihn, der neue Eigentümer ließ ihn wieder rot lackieren. Später ging der Wagen an seinen dritten und bislang letzten Eigentümer, den Lambo-Sammler Yoshihiro Takayama aus Nagoya City. Der machte rückgängig, was sein Vorgänger veränderte und ließ den Wagen erneut schwarz mit den signifikanten weißen Streifen lackieren. Es gibt ihn also in einer ersten und in einer zweiten schwarzen Ausfertigung, und kleine Veränderungen sind Zeuge davon. Die meisten Plastikkits haben den originalen LP500R zum Vorbild mit goldenen Speichen der BBS-Felgen. In der aktuellen Version sind die Speichen schwarz. So erschien er bei Kyosho im August 2006, und nun, in seiner Zweitauflage vom April 2024, soeben beim Importeur Minichamps eingetroffen, kommt er mit goldenen Speichen, verkörpert also den LP500R in seiner ersten Version in den Händen des japanischen Gangster-Bosses.

Ein Thema mit Variationen: Die Vollendung der Unbeholfenheit

Der schwarze LP500R ist also ein wenig vergleichbar mit dem Walter-Wolf-Countach, letztlich ein nachträglich modifiziertes Serienauto, das aber so weitreichend verändert wurde und so auffällig (und gut promoted) war, dass es Bekanntheit erlangte. Womöglich flossen auch Erkenntnisse, die mit dem LP500R erworben wurden, in den Serienbau des Countach ein – wobei eben nicht ganz geklärt ist, ob der Umbau in Deutschland bei Hubert Hahne oder in Italien im Lamborghini-Werk ausgeführt wurde. Jedenfalls ein weit über das Private hinausgehender Umbau und ein Fahrzeug, das alleine durch die vielen zeitgenössischen Plastikbausätze nach seinem Vorbild weltberühmt wurde. Kyosho macht ihn nun in zweiter Auflage, Kyosho fertigt ihn auch in 1:12 und in 1:64.

Wir haben vor Kurzem einen Kyosho Countach ausgiebig präsentiert (Caramini-online vom 20. August 2024, gelber LP5000S), und prinzipiell handelt es sich um das gleiche Fahrzeug. Natürlich sind die Details anders, auch die Rohkarosserie, die beim Schwarzen keine Einbuchtungen im Dach zeigt, der Schwarze ist ein „alter“ Countach, ist trotz Verbreiterung viel schmaler als die neueren Widebody-Kit-Modelle, trägt andere Felgen und Spoiler, andere Details im Innenraum. Aber konstruktiv ist es das gleiche Modell und hat die gleichen Funktionen, nämlich all open, gelenkt und gefedert. Kyosho hat in den vergangenen Jahren schon viele Countach in 1:18 miniaturisiert, jedes für sich ist ein Kleinod. Und das gilt auch für den LP500R.

Marcello Gandinis Design ist nicht unbedingt streifengeeignet. Da gibt es keine Linien, die farblich unterstrichen oder gar unterstützt werden müssen. Streifen am Countach sind also immer heikel und meist mehr gewollt als gekonnt. Das ist am Schwarzling nicht anders. Die oberen beiden der drei Streifen, vorne zugepfeilt und das Greenhouse quasi umarmend, folgen noch halbwegs der Flankenlinie. Der untere ist auf seinem Weg nach hinten quasi verlorengegangen und macht eine unbeholfene Kurve um die NACA-Öffnung. Hand aufs Herz: Das sieht grauenvoll aus. Gandini hat das sicherlich gesehen, berühmt genug wurde der LP500R ja. Nichts ist über seine Reaktion bekannt, aber wir wollen sie uns gar nicht vorstellen. Italiener neigen zu emotionsreichen Gefühlsausbrüchen… Kyosho hat diese Streifen vorbildlich nachgezeichnet, somit in ihrer vollendeten Unbeholfenheit. Und die durchbrochenen BBS-Felgen sind ebenfalls eine formenbauerische Offenbarung. Über das Darin, das Dahinter und das Darunter dieses all-open-Modells schrieben wir vor kurzer Zeit, das muss nicht groß wiederholt werden: separates, voll verkabeltes Motorwunder, Innen- und vorderer Kofferraum beflockt, Klappis, die auf Druck an der Fahrzeugunterseite aufschnappen, beeindruckender Mechanismus der Schmetterlingstüren, ein schlichtweg imponierendes Modell.

Kyosho hat attraktivere Versionen des Countach im Programm, auch schwarz lackierte Fahrzeuge. Der LP500R ist wegen der fragwürdigen Gestaltung der Streifenzier nicht unbedingt erste Wahl für jenen, der noch keinen Kyosho-Countach hat. Aber er ist eine herrliche Ergänzung. Man muss sich das vorstellen: der frühe, schmale Countach auf der einen, der späte mit Widebody-Kit auf der anderen Seite, dazwischen ein Walter Wolf und der LP500R – und alle in einheitlicher Kyosho-Machart. Und alle in der eigenen Vitrine. Das wär’ doch was! Wenn sie bloß nicht so teuer wären, die Biester…

afs

Er trägt eine schwarze Weste mit weißen Streifen, die einst rot war. Und er hat dunkle Flecken in seiner Vergangenheit, denn er gehörte einem japanischen Gangsterboss. Trotzdem oder gerade deswegen wurde er berühmt, etliche Modellbausätze nahmen gerade ihn zum Vorbild. Kyosho legt den Lamborghini LP500R neu auf, nun mit goldenen Speichen in den BBS-Felgen.
Modellfotos: bat
Szene vom Lamborghini-Day im November 2021 in Japan, Parade in Tokio anlässlich des 50sten Countach-Jubiläums: Der schwarze LP500R mit weißen Streifen im Jetzt-Zustand.
Foto: Automobili Lamborghini

Steckbrief:

Kyosho KYO8320C0 Lamborghini Countach LP500R 1975 schwarz. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP des Importeurs Minichamps 305 Euro.