Wüstenschiff
Ein Modell zum Anfassen, zum Befummeln: Den Norev Mercedes-Maybach kauft man nicht einfach nur und stellt ihn hin. Den muss man erkunden! Äußerst expressive Lackierung in leicht metallisiertem Weiß, und innen ebenso weiß. Das absolute Wüstenschiff für den Emir.
Unter einem „Wüstenschiff“ versteht man gemeinhin ein Kamel, und der Hirte, der eine Kamelherde hütet, wird als „Kameltreiber“ bezeichnet, was jenseits seiner Sphäre gerne abwertend für bestimmte Personengruppen verwendet wird. Davon sind wir weit entfernt, unser „Wüstenschiff“ ist ein Mercedes-Maybach S680 von Norev, von dem wir uns anhand von Farbe und Ausstattung vorstellen können, dass er von einem solventen und potenten Bewohner des Nahen Ostens geordert wurde. Außen weiß und innen hell, in diesem Falle ebenfalls weiß, ist eine Farbkombination, die in den Vereinigten Staaten, aber auch in den Vereinigten Emiraten recht beliebt ist. Dabei geht es heute wohl weniger darum, dass sich Weiß am wenigsten aufheizt, denn moderne Fahrzeuge, vor allem dieser Klasse, verfügen über brauchbare Klimaanlagen. Es ist eher alte Tradition, es ist eine kulturelle Vorliebe, es bedeutet Luxus, Komfort und Sorglosigkeit. Außerdem: Die Blicke der anderen sind wichtig. Und die gibt es am zuverlässigsten für Autos. Teure, weiße Autos sind in der arabischen Welt ein Statussymbol – zumindest im Paralleluniversum, das reiche Scheichs um sich aufbauen. Außerdem passt Weiß zur arabischen Kandura (auch Thawb genannt), dem traditionellen, luftigen Männergewand. Einen Sonderfall stellt Turkmenistan dar. Dort herrscht Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow. Seine Lieblingsfarbe ist Weiß und sein Wort ist Gesetz. Seit 2015 sind in Turkmenistan nur noch weiße Autos erlaubt, und alles Vierrädrige in anderer Farbe wurde aus dem Verkehr gezogen. Zwar vererbte er die Macht zwischenzeitlich seinem Sohn. Aber das Weiß-Gebot für Autos hat sich nicht geändert.
Bis hin zu Burmester-Lautsprechern
Der Mercedes-Maybach auf Basis der bisherigen S-Klasse, also der X222 ab 2016, wurde in 1:18 vielfach und variantenreich miniaturisiert: AUTOart, Almost Real, GT Spirit und natürlich auch Norev. Die aktuelle Version, den X223 seit 2021, machen bislang nur Almost Real und Norev, das offizielle Industriemodell jeweils von Norev. Es ist auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass es eine weitere Interpretation eines dritten Herstellers geben wird. Falls doch, so eventuell im kommenden Jahr, wenn die S-Klasse W223 und in ihrer Folge auch der Maybach ein Facelift erfahren werden.
Dem splendiden Wagen wird Norev in jeder Hinsicht gerecht, und vor allem der Innenraum ist eine Schau. Norev miniaturisierte die Lautsprecher des Burmester 4D-Surround-Soundsystems, ja überhaupt all die Leckereien, die einen modernen Luxusliner ausmachen, natürlich Bildschirme, aber auch die besondere Optik des Fahrer-Displays (früher sagte man dazu „Armaturen“), dazu Dunkelholzzierteile ohne Ende und eine sehr schön nachgebildete Oberflächenstruktur der Sitze. Die passenden Ledertaschen (mit Maybach-Logo) bildet Norev nicht nach, denn sie sind nicht serienmäßig; die Gepäck-Kollektion muss extra bestellt werden.
Mercedes spricht vom “First Class Fond”, von Privatjet-Atmosphäre, und meint die durchgängige Business-Mittelkonsole, die den Maybach zum rollenden Büro macht. Zudem bietet sie Platz für zwei versilberte Champagnerkelche. Der gekühlte Champagner ist in Reichweite, in der Fondarmlehne, 10 Liter Fassungsvermögen. Aus der Businesskonsole lässt sich dank zweier Klapptische eine kleine Arbeitsfläche zaubern, Platz für Notebook und Unterlagen, aber auch für eine Pappschale Pommes mit Ketchup. Wer auf dem Executive-Sessel Platz nimmt, bekommt sogar den Gurt gereicht, sobald die Tür geschlossen ist. Generell schaffte es Norev, trotz expressiv-weißem Interieur und Exterieur den distinktiven Charakter einzufangen und das Modell weder innen noch außen zu überladen.
Großzügig konfiguriert; Man gönnt sich ja sonst nichts
Der Mercedes-Maybach S 680 startet mit der Styles-Serienausstattung bei knapp 240.000 Euro. Norev gönnt dem Modell die Manufaktur-Lehnenverkleidung für die Rücklehnen der Vordersitze, großflächige Zierelemente und ein Nappaleder-Spannteil, schafft Lounge-Atmosphäre. Die Lackierung Diamantweiß Bright 799 gibt es heute nicht mehr, wurde durch das sehr ähnliche Opalithweiß Bright ersetzt (das Norev-Modell stellt ein 2021er Baujahr dar). Doch die meisten Mercedes-Maybach tragen ohnehin eine Zweifarbenlackierung (Aufpreis 18.445 Euro), wovon es zehn Kombinationen zur Auswahl gibt. Das äußere Weiß kombiniert Norev mit innerem, die Polsterfarbe heißt Kristallweiß, gut 16.000 Euro Mehrkosten. Die Zierelemente sind sehr dunkel, es dürfte sich um Walnuss dunkelbraun offenporig mit „Fishbone Pattern“ handeln, wozu man auch Fischgrätenmuster sagen kann. Ob der Maybach mit Aschenbechern ausgerüstet ist, sehen wir nicht. Aber falls er ein Raucherauto sein soll, so kosten die Aschenbecher moderate 136,85 Euro extra (somit weniger als zwei Stangen Zigaretten!). Auch die Räder am Norev-Modell sind mehrpreispflichtig, 20-Zoll-Schmniederäder im 5-Loch-Design für 5000 Euro.
Ein Mercedes-Maybach in Grundausstattung wäre jämmerlich und ärmlich. Man müsste sich dessen schämen. Man fühlte sich auf einer Ebene mit dem Fahrer eines gebrauchten Dacia. Darum ist es schön, dass Norev einen Individual-Maybach zusammengestellt hat. Und es macht Spaß, anhand des Konfigurators des Originals halbwegs nachzuvollziehen, wie genau das Fahrzeug ausgestattet ist.
afs
Steckbrief:
Norev 183918 Mercedes-Maybach S680 4MATIC Z223 2021 weißmetallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 129 Euro.