Verkleideter Mazda als Capri-Nachfolger
Während Opel den Manta-Nachfolger Calibra selbst konstruierte, setzte Ford beim Capri-Ersatz auf ein US-Importfahrzeug. Der Ford Probe GT hieß zwar Ford, war aber in Wirklichkeit ein Mazda 626 in Verkleidung. In 1:43 gab es ihn bisher nicht. Ixo ändert diesen Missstand.
Der Maßstab 1:43 hat seit 90 Jahren Zeit, das komplette Autospektrum abzudecken und ist diesem Ideal sehr nahe gekommen. 1:18 hingegen, erst seit den 90ere Jahren so richtig im Fokus der Hersteller, ist davon noch weit entfernt. In 1:18 fehlt heute sogar noch alltägliches Kulturgut. In 1:43 sind es tatsächlich nur Nischenmodelle, Kleinserie, Vorkrieg, Unbekanntes, Exotisches – aus der Sicht eines jeden Controllers also Unverkäufliches. Sollte man meinen. Ist aber nicht so! Es gab bis vor kurzem keinen Ford Probe GT, also den ersten Ford Probe, das Modell 1988 bis 1992. Den zweiten Probe (1992 bis 1997) hingegen kann man in 1:43 kaufen, Neo machte ihn als Resinemodell, und dessen Nachfolger, den Ford Cougar auf Mondeo-Basis (1998 bis 2002), verewigte Minichamps im Kölner Ford-Industrieauftrag. Aber bislang kein Probe GT der ersten Generation in 1:43! Bis jetzt, denn nun gibt es ihn von Ixo.
Eine Verlegenheitslösung
Ford hatte den Capri, Opel den Manta, und beide sprachen dieselbe Sprache: Frontmotor und Heckantrieb, Mittelklasse-Sportcoupé mit Kultfaktor, lange Haube, kurzes Heck. Ford baute drei Capris im selben Stil, Opel zwei Mantas, die sich sehr unterschieden. Mitte der 80er Jahre waren die Konzepte veraltet und der Antrieb an der falschen Stelle, Capri und Manta waren konstruktiv und evolutionär am Ende. Beide Firmen, die so vergleichbar sind und in ihrer Geschichte so oft das gleiche taten, taten in Bezug auf die Sportcoupé-Nachfolge nicht das gleiche. Opel entwickelte ein neues Auto, den Calibra. Und Ford in Köln tat nichts – wohl, weil dort nicht damit gerechnet wurde, dass Opel den Calibra bringen würde. Und der sich auch noch gut verkaufte.
Ford musste reagieren, und zwar schnell. Eine Eigenkonstruktion war nicht gewollt und wäre teuer gewesen, also musste aus dem weltweiten Ford-Programm etwas ausgewählt werden, das dem Calibra am besten Paroli bieten könnte. Der Ford-Finger zeigte auf den amerikanischen Probe GT. Der hatte europäische Ausmaße, ein europäisches Leistungsniveau, sah europäisch aus. Den nehmen wir, befand Ford, und importierte ihn nach good old Europe. Dann war er da, erlangte ein paar Höflichkeitskäufe, aber insgesamt hatte er zu wenig Durchsetzungssubstanz, um gegen den Calibra anzukommen – zumal es zu diesem Zeitpunkt eben noch andere Fahrzeuge seiner Klasse auf dem EU-Markt gab, die etablierter waren als der Ford-Newcomer Probe GT, vor allem aus Japan: Toyota Celica, Nissan Silvia, Mitsubishi Eclipse und Honda Prelude.
Fast wäre er ein Mustang geworden
In den USA war der Probe GT ganz gut im Rennen und hat auch eine interessante Geschichte zu erzählen, die zu seiner Existenz führte. Ford brauchte einen Nachfolger für den in die Jahre gekommenen Foxbody-Mustang (1979 bis 1993). Die Eckpunkte lauteten: Frontantrieb, kein V8 mehr, Nutzung einer Plattform des langjährigen Strategiepartners Mazda. Das Auto wurde gestylt (bei Ford-USA von Toshi Saito) und konstruiert (als Project ST-16), Fords Absicht wurde in Mustang-Kreisen ruchbar und die Reaktion der Fans war verheerend: Niemand würde einen Mustang mit Frontantrieb, ohne V8 und mit japanischer Technik akzeptieren. Also machte sich Ford frustriert und verzweifelt an einen „echten“ Mustang. Das fast fertige, neue Coupé, also der Probe GT, wurde eine Klasse niedriger angesiedelt, denn zu viel Dollars waren bereits investiert worden.
Mazda hatte 1985 die ehemalige Ford-Fabrik in Flatrock/Michigan übernommen und baute dort für den US-Markt seine beiden Typen 626 (Familienauto) und MX-6 (Sportcoupé auf dessen Basis). Auf deren beider Plattform namens GD basierte auch der Probe GT und wurde parallel zum 626 und MX-6 im Mazda-Werk gebaut. Er war also tatsächlich ein Mazda mit Ford-Styling und Ford-Pflaume. Der Probe GT war in seiner US-Heimat ein „Instant Hit“, vor allem im ersten Jahr war er so gefragt, dass fällige Kaufverträge über Listenpreis gehandelt wurden. Drei Ausstattungslevel, zwei Motoren in verschiedenen Ausbaustufen: Probe GL als Einstiegsmodell mit 2,2-Liter-Mazda-Vierzylinder und 112 PS ab Sommer 1988 als Modelljahr 1989, Probe LX in luxuriöser Aufmachung, meist mit Automatik kombiniert, mit amerikanischem Ford-3-Liter-V6-Motor mit 140 PS ab 1990 und schließlich Probe GT ab 1989 mit dem gleichen 2,2-Liter-Mazda-Vierzylinder, aber 147 PS dank Turbolader und Intercooler, die populärste Version, nur sie war mit ABS, elektronischer Fahrwerkseinstellung und geschwindigkeitsabhängiger Servolenkung zu haben. Zum Modelljahr 1991 gab es ein sanftes Restyling, fast ausschließlich optischer Natur. Immerhin 387.022 Probe der ersten Generation wurden bis 1992 gebaut.
Radikal dezimiert in „Alarm für Cobra 11“
Der Probe GT in Europa: Es gab ihn, aber offiziell wurde er nicht importiert. Ford-Schweiz brachte 1990er Modelle ins Land, also vor dem Facelift, Ford-Köln ab Dezember 1990 nur Modelle der Jahrgänge 1991 und 1992, nach dem Facelift. Über Graue Importeure waren alle Versionen, auch der Probe 3 Liter, erhältlich, der Ford-Händler hatte nur den Probe GT mit 2,2-Liter-Turbo im Angebot. Es handelte sich um Einzelimporte von Fahrzeugen mit US-Spezifikationen, die in Köln den europäischen Vorschriften angepasst wurden. In Flat Rock wurden also nie Europa-Versionen am Fließband gebaut. Köln hatte einiges zu tun: Einbau eines Getriebeölkühlers, Tagfahrlicht eliminieren, Abschleppösen montieren, Rücklichtgläser mit gelber Blinkersektion. Serienmäßig verfügte der Probe GT über einen automatischen Gurtanlegemechanismus. Das begeisterte jeden, der erstmals einstieg und sich nicht anschnallen musste, sondern angeschnallt wurde. Der GT hatte ein Turboloch, wie jedes damalige Turboauto, aber wenn der Turbo einsetzte, war der Probe GT höllisch schnell und der Vierzylinder knurrte animierend aggressiv. Dank des einstellbaren Fahrwerks (ab Tempo 80 automatisch Sportstellung, das gab es in dieser Klasse bei keinem anderem als dem Probe GT) lag er prima auf der Straße und fuhr sich hervorragend. Das Design entsprach dem Mainstream, Klappscheinwerfer waren damals en vogue, Ignoranten verwechselten den Probe GT von vorne mit dem Porsche 924, und die voll verglaste Heckpartie ohne sichtbare C-Säule war ein Ford-Designmerkmal der Zeit. Ford nannte es „Aero-Heck“, deutsche Kunden kannten es vom Scorpio. Der Probe GT verkaufte sich in Deutschland allenfalls ordentlich, war ein Capri-Fischer, aber Ford hatte ohnehin nicht allzu viele Exemplare zur Verfügung. Und die gab es nur in fünf Farben: Schwarz, Weiß, Rio-Rot, Silbermetallic und Anthrazitmetallic, alle mit hellgrauer Innenausstattung mit ganz zarten roten Akzenten. Als Extras gab es nur Klimaanlage und Glasdach, US-Extras wie Automatik, Leder oder Tempomat waren dem Europa-Probe verwehrt.
Zum Klassiker wollte er lange Zeit nicht reifen. In dritter Hand wurden die Probe GT heruntergeritten, in „Alarm für Cobra 11“ wurden sie massenweise auf der TV-Autobahn geschrottet, seit ungefähr 2010 ist der Probe GT aus dem Straßenbild verschwunden. In Liebhaberhänden sind wenige Exemplar, auf Treffen werden sie neugierig estimiert, aber sie wecken bei kaum jemandem ein Begehrlichkeitsgefühl. Probe-Enthusiasten sind einsame Menschen.
In 1:43 „leider“ das Urmodell
Als Modellauto fand der erste Probe nur einen Freund, den US-Kithersteller AMT, der einen 1:25-Plastikbausatz machte, zwei Versionen: der Fließband-Probe in Faceliftversion, also 1991/92, und eine Racingversion, die wirklich nur den US-Geschmack bedient. Kein 18er, kein 43er, kein 87er, rien, niente, nada, nothing. Sehr schade, das! Und nun Ixo. Wieder einmal ist dieses Ixo-Modell einer Kioskserie zu verdanken, die in Spanien und Frankreich läuft („American Cars“ seit Oktober 2021), der weiße Probe GT ist dort die Nummer 84 und erschien im April 2024 für 15,99 Euro. Ungefähr gleichzeitig brachte Ixo auch eine Fachhandelsversion in Rio-Rot für 24,95 Euro auf den Markt. Mit Frankreich-Porto kostet das Kioskmodell in Deutschland gleich viel wie die Fachhandelsversion, und wir entschieden uns für die Kiosk-Version, also den Weißen.
Weil Ixo den Ur-Probe des Jahrgangs 1989/90 macht und wir in Deutschland nur die Facelift-Version 1991/92 kennen, ist das Ixo-Modell also nicht ganz das, was der Betrachter erwartet. Aber besser als gar kein Probe! Das ungeliftete Face sieht eben ungewohnt für unsere Augen aus mit seinem schwarzen Kühlluftschlitz im Oberteil des PU-Stoßfängers, wie überhaupt der vordere Stoßfänger ganz anders als gewohnt gestaltet ist. Zudem verfügt diese frühe Version über geriffelte Seitenteile (à la „Sacco-Bretter“ bei Mercedes), die beim Faceliftmodell nicht mehr vorhanden sind. Der Rest entspricht dem Probe, den wir kennen. Schade, dass Ixo die charakteristischen Felgen nicht durchbrochen dargestellt hat. Kurioserweise tat das nicht mal AMT an seinem 1:25-Modell. Ansonsten ein formal tadellos getroffener Probe GT, der den wenigen, die den Probe mögen, sicherlich viel Freude machen dürfte. Und wer ihn nicht mag, weil er kein adäquater Capri-Nachfolger ist, weil er Frontantrieb hat, weil er ein verkappter Japaner ist, weil er kein arrivierter Klassiker ist – ja, dem ist diese Neuerscheinung wurscht.
Der Verfasser outet sich als Probe-GT-Fan. Von 1995 bis 2005 fuhr ich meinen ’91er Ford Probe GT mit viel Freude und hätte ihn länger gefahren, wenn ich wegen Nachwuchses nicht einen Kombi gebraucht hätte. Ein zweitüriges Sportcoupé ist schlichtweg nicht kleinkindgeeignet. Irgendwann wird der Probe wieder ausgemottet. Ich habe ihn nicht hergegeben. Er steht seit 2005 unberührt und staubig, aber wohl temperiert und sicher in einer Garage.
afs
Steckbrief:
Ixo CLC540N Ford Probe GT 1989 rot. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:43. UVP 24,95 Euro (rotes Fachhandelsmodell. Das weiße Kioskmodell ist am französischen Kiosk nicht mehr erhältlich, sondern eine Ebay-Angelegenheit, aber durchaus verfügbar).