1/87

Zum Tode Friedel Fiedlers

Eine Institution tritt ab

Friedel Fiedler ist gestorben. Und mit ihm wahrscheinlich auch die Modell Auto Zeitschrift. 45 Jahre lang existierte sie, anfangs für die H0-Autosammler eine Fibel oder gar ein Vademecum, in jüngerer Zeit weniger bedeutend. Viele 1:87-Sammler wurden mit und durch Friedel Fiedlers Modell Auto Zeitschrift innerhalb ihres Hobbys sozialisiert. Wir blicken zurück.

Mitte bis Ende der 70er Jahre emanzipierte sich der Bereich der H0-Autos endgültig von der Modellbahn. 1:87-Modellautos waren nicht mehr länger nur Staffage für H0-Modellbahnen, sondern wurden zum eigenständigen Sammelgebiet. Neue Hersteller sprossen wie Pilze aus dem Boden, allen voran Herpa, aber auch Brekina, Rietze, Otto Duves Marke Prep, die zur Praliné wurde, zudem importierte Duve die Eko-Modelle, auf spezielle Nischen spezialisierte Hersteller wie Roco und Roskopf gingen in die (zivile) Breite. Das Herzallerliebste war und blieb Wiking mit seiner langen Tradition und seinem breiten Programm. Es gab Lagerbildungen, die Wiking-Fraktion entwickelte eine pathologische Herpa-Unverträglichkeit, als Running Gag ging der Spruch um „Wenn ich ein Herpa-Auto sehe, bekomme ich Augenkrebs“. Auch innerhalb des Wiking-Spektrums gab es Lager. Wer nur verglast sammelte, bezeichnete die Unverglasten despektierlich als „blinde Modelle“, und für viele hard-core-Wiking-Sammler endete die wahre Marke Wiking mit dem Tode ihres Gründers und Spiritus Rector Friedrich Peltzer 1981.

Dem deutschen Wesen entsprechend formierte sich 1975 ein Club, der Club der H0-Modellautofreunde im Ort des Heiligen Grales, Berlin, mit seinem Vorsitzenden Hans-Jürgen Falldorf. Ab 1977 verteilten sich Ortsgruppen über ganz Westdeutschland, in seinen Hochzeiten hatte der CAM rund 2000 Mitglieder. Das Cluborgan war die H0-Auto-Info, ein hektografiertes DIN-A-5-Blättchen, das alle Mitglieder begierig aufsogen zu Zeiten, als die jährlichen Herstellerkataloge nahezu das einzige gedruckte Material zum Thema 1:87-Modellauto darstellten. Die H0-Auto-Info bekam Konkurrenz, als sich Falldorf 1990 im Streit aus dem CAM zurückzog, die Mitgliederliste mitnahm und allen suggerierte, sein neues Magazin Die Info sei die offizielle Nachfolgerin der CAM-H0-Auto-Info. Wenige Jahre hat er bis 1993 durchgehalten. Die „echte“ CAM-Info gab es noch bis Ende der 90er Jahre.

In diese fast schon gehypte Stimmung stieß 1980 Friedel Fiedler mit seiner Modell Auto Zeitung (MAZ). Der Markt war damals groß genug, um sowohl die CAM-H0-Auto-Info als auch das etablierte Modell-Magazin und zusätzlich die MAZ aufzunehmen (und 1990 kam noch Modell-Fahrzeug hinzu, maßstabübergreifende Berichterstattung). Im Modell Magazin war 1:87 zwar wichtig, aber ein Thema unter anderen, die CAM-Info hatte einen provisorischen, nicht professionellen Charakter. Die Herpa-Zeitschrift Der Maßstab spezialisierte sich logischerweise auf Herpa-Erzeugnisse.

Das einzig professionelle 1:87-Fachblatt

Fiedlers MAZ war das einzige, professionell aufgemachte Modellautoblatt, das sich ausschließlich mit H0-Miniaturautos beschäftigte. Fiedler brachte einen rührigen und engagierten Mitarbeiterstamm zusammen, berichtete über Neu- und Altheiten, pflegte guten Kontakt zu den vielfältigen Herstellern, ließ auch den Bastlern und Umbauern ihren Raum. Einen sehr wichtigen Stellenwert nahmen, vor allem in den 80er und 90er Jahren, die Werbemodelle ein. Mit einem Wort: Er traf voll ins Herz des H0-Modellautosammlers, sein Blatt war das angesagte in der Szene, mindestens 20 Jahre lang. Die monatliche MAZ gehörte einfach dazu. Jährlich gab es ein dickes Sonderheft anlässlich der Spielwarenmesse („Messeheft“), dazu einige Sonderhefte zu speziellen Themen (Baufahrzeuge, Land- und Forstmaschinen, Schwertransporte, Feuerwehr et cetera). Zeitweise gab es eine noch nischigere Zeitschrift aus dem Verlag Friedel Fiedler namens Blaulicht Fahrzeugmagazin, die sich – nomen est omen – Einsatzfahrzeugen in H0 widmete. Obendrein ließ der Verlag spezielle 1:87-Modelle von etlichen Herstellern produzieren, sowohl Sondermodelle als auch Eigenwerbemodelle (Albedo, Herpa, Brekina, Roco, Roskopf, S.E.S., nicht von Wiking). Fiedler selbst war ein profunder Kenner der Szene und engagierter Sammler, baute sich schöne Bestände auf (er saß ja auch an der Quelle), war dabei ein diskreter Sammler, der sich nicht in den Vordergrund rückte. So charakterisieren ihn jene, die ihn persönlich kannten, entweder mit ihm zusammenarbeiteten oder ihn auf Treffen wie in Porta Westfalica kennen lernten. Er machte wenig Aufhebens um seine Person, konnte aber stets Pretiosen zeigen. Optisch stach er in den 80er Jahren gewaltig hervor, mit Vollbart und langen Locken sowie selbst gestrickten Pullis passte er in den damaligen, progressiven Zeitgeist (die Bundespartei Die Grünen gründete sich just zum selben Zeitpunkt, als Fiedler die MAZ etablierte), der eigentlich das Sammeln historischer Miniaturautos aus nicht rezyklierbarem Kunststoff ausschloss.

Die Abwärtsspirale nach und seit Covid

Mit zunehmendem Alter wurde der Bart gemäßigter, die Stirn höher, die Haare wurden heller und Hemden ersetzten das selbst Gestrickte. Mit fortschreitender Zeit reduzierte sich auch das Interesse der Leser an der MAZ. Aus vielfältigen Gründen. 1:87 war nicht mehr der allgemeine Hype, der Maßstab 1:18 – am anderen Ende der Skala – etablierte sich zusehends und nahm 1:87 einige Interessenten weg. Modellautos wurden teurer – nicht nur der Inflation wegen, sondern auch der aufwendigeren Machart halber und auch, weil sie seitens ihrer Hersteller immer mehr als Luxusartikel positioniert worden sind. Die Generation der Initialsammler ging in Rente, hatte weniger Geld zur Verfügung. Der Interessentenkreis rund um die MAZ konsolidierte sich auf einem für Fiedler noch lohnenden Niveau, er gab nicht auf, er hielt durch.

Während der Covid-Epidemie erlebte das Sammeln von Modellautos nochmals einen riesigen, allgemein ungeahnten Aufschwung, dem die Hersteller (die das Gegenteil erwartet hatten) zunächst nicht nachkommen konnten. Doch danach ging es bergab, die allgemeine Inflation stieg, die Papierpreise auch, die Lesebereitschaft und -fähigkeit der Menschen lässt zusehends nach. Zeitschriften haben es schwer – Nischenblätter umso mehr. Die einen schafften die Transformation vom Printmedium zum Online-Blog (wir, Caramini-online, nennen uns exemplarisch und nicht ohne Stolz), andere schafften es nicht, so Der Maßstab, der als Papierzeitschrift Anfang 2020 eingestellt wurde, aber als Blog nur kurz überlebte. Friedel Fiedler stand vor demselben Problem. Er entschied sich erneut, weiterzumachen, reduzierte die Ausgabenzahl (sechs Hefte jährlich), erhöhte den Preis, verlor dadurch Abonnenten – die übliche Abwärtsspirale. Im Jahre 2025 ist noch keine MAZ erschienen.

Wie geht es weiter? Friedel Fiedler ist, so hört man, Ende März an einem Gehirnschlag gestorben. Die MAZ machte er zuletzt ganz oder ziemlich alleine. Aller Voraussicht nach dürften die Abonnenten, sofern sie im Voraus jährlich zahlten, ihr Geld zurückbekommen.

Mit Friedel Fiedler hat der H0-Modellautokosmos eine Institution verloren, die 45 Jahre lang fast schon szenedominant war, auf jeden Fall sehr integrativ wirkte. Rod Ward, der Herausgeber der britischen Modellautozeitschrift Model Auto Review, die ebenfalls längst nicht mehr als Printmedium existiert, formulierte es bei jedem Todesfall eines Modellautosammlers so nett, dieser sei nun beim „great Swapmeet in the Sky“, also auf der großen Tauschbörse im Himmel. Das wünschen wir Friedel Fiedler auch.

afs

Ein offizielles Foto: So zeigte sich Friedel Fiedler zuletzt auf seiner Webseite, es dürfte also halbwegs aktuell sein.
Foto: Verlag Friedel Fiedler