Schrader, Halwart, Joachim Hack: BMW 3er. Die Geschichte eines Welterfolgs. Stuttgart (Motorbuch-Verlag) 2024. 272 Seiten. ISBN 978-3-613-04682-5. Preis 39,90 Euro.
Der Altmeister kann’s noch: Halwart Schrader, nunmehr 89 Jahre alt, hat sein neuestes Buch dem Dreier-BMW, nunmehr 50 Jahre alt, gewidmet. Eine Würdigung des Dreiers, eine schwer erweiterte Neuauflage seines Dreier-Buches von 2015. Seine damalige Recherche stoppte während des Lebenszyklus’ des F30, der bis 2019 gebaut wurde. Dessen Beschreibung hat Schrader in Kooperation mit Joachim Hack nun abschließen können und natürlich den aktuellen G20 mit aufgenommen. Denn das Buch umfasst die komplette Dreier-Geschichte aller sieben Generationen seit 1975 inklusive der Vorgeschichte. Logisch: Ohne 02er kein Dreier. Und ohne Neue Klasse kein 02er. Und eben diese damalige Neue Klasse (1962 bis 1972, Fünfer-Vorgänger) und die künftige Neue Klasse von BMW (ab 2026) verwendet Schrader quasi als Rahmenhandlung seines Buches. Er sieht im kommenden Elektro-BMW der Neuen Klasse den legitimen Nachfolger des Dreiers, den er kurioserweise stets in der „gehobenen Mittelklasse“ platziert – eine These, der wir nicht folgen können und wollen. „Gehobene Mittelklasse“ ist nach unserem Verständnis der Fünfer.
Halwart Schrader ist bekennender BMW-Fan, woraus er nirgends einen Hehl macht. Diese Begeisterung geht auf die Zeit zurück, als die Neue Klasse neu war, denn ab 1961 war Schrader Chefredakteur des damals gegründeten BMW-Journals, der Werkszeitschrift. So ist er dem Werk und dem Produkt herzlich verbunden, was in seinen Ausführungen gründlich zu spüren ist: Er ist und bleibt Fan, allzu groß ist die Distanz zwischen Autor und Produkt nicht. Dafür, und das kompensiert dieses Defizit, ist er ein absoluter BMW- und speziell Dreier-BMW-Spezialist. Das eine geht nun mal mit dem anderen anheim. Durch seinen guten Kontakt zu BMW erhielt der Autor viele Werksfotos, ganz selten mal ein unveröffentlichtes Bild aus anderer Quelle. Dadurch ist das Bildmaterial qualitativ an vorderster Front, aber eben auch hinreichend steril und bekannt und zeigt die verschiedenen Dreier stets von ihrer sonnigsten Seite. Einen rostigen E30 auf der Straße oder einen abgetakelten E36 als Boy-Racer sucht man vergebens. Aber auch das gehört zur Geschichte des Dreiers! Manchmal würden wir uns etwas weniger Begeisterung wünschen („Wer einen BMW fuhr, bewies Kennerschaft, Geschmack und Ambition; für den 3er galt dies in ganz besonderem Maße“, lesen wir im E30-Kapitel). Und selbst dem unsäglich abgeschnittenen E36 Compact bescheinigt Schrader „gute Proportionen“ und ein „geschicktes Styling“. Ein wenig Kritik kommt allenfalls aus den Zitaten aus der Motorpresse, aber auch hier gilt: Eine positive Meinung wählt der Autor am liebsten für sein Zitat aus.
Diese tiefe Verbundenheit zum Objekt ändert nichts an den Qualitäten des Buches, man sollte sie aber bei der Lektüre stets im Hinterkopf haben. Es gibt nichts Vergleichbares über den Dreier-BMW am Markt, nichts Umfassenderes, nichts tiefer Recherchiertes. Es ist ein Standardwerk, ohne Frage. Alle Facetten der sieben Generationen werden beleuchtet, Technik und Optik, ein wenig Soziologie, viel Hintergrundwissen über die Entwicklung der jeweiligen Baureihen und über die Männer, die sie verantworteten. Selbstverständlich werden auch die M3-Modelle beleuchtet und Schrader blickt über die „3“ hinaus, denn heute ist ein Vierer doch nichts anderes als ein viertüriger Dreier. Auch der Z3 findet sein Kapitel und der Z1 bleibt nicht unerwähnt, so wenig wie die SUV-Variante X3. Tief dringt Schrader in die Motorsportgeschichte des Dreiers ein.
Die letzte Generation wird am umfangreichsten beschrieben, obgleich sie doch weder abgeschlossen noch historisch ist. Aber das ist eben die Crux an Typologien, die bis in die Gegenwart reichen: Erstens sind die neueren Modelle nicht historisch, sondern Neu- oder allenfalls Gebrauchtwagen. Und zweitens ist über einen E21 oder E30 alleine schon deshalb weniger zu sagen als über den aktuellen G20, weil weniger dran war an diesen frühen Modellen, weniger Technik, weniger Elektronik, weniger Schnickschnack, weniger (Nischen-)Varianten. Der E21: ein Zweitürer, den Baur auch als Top-Cabrio baute, ein Vier- und ein Sechszylinder in verschiedenen Ausbaustufen – ça y’est! Logisch, dass das E21-Kapitel wesentlich kürzer sein muss als jenes über die modernen F30- oder G20-Modelle. Außerdem unterliegt man als gut informierter Autor, wenn man über aktuelle Modelle schreibt, stets ein wenig der Versuchung, dem Leser eine Art Kaufentscheidung zu bieten – es ist immer heikel, ein Buch über eine Typenreihe, die bis in die Jetztzeit reicht, auch bis zum aktuellen Modell auszuweiten. Denn viele Leser mögen historische Dreier, können sich aber mit den Modellen aus dem neuen Jahrtausend nicht anfreunden. Es hat schon was, den Mut aufzubringen, ein solches Buch 1990 oder meinetwegen im Jahre 2000 enden zu lassen (im Dreier-Falle böte sich 2004 als Ende der E46-Generation an). Entweder man schreibt über moderne Autos oder über historische. Aber das ist wohl Ansichtssache. Oftmals will der Autor etwas anderes als der Verlag. Und zumeist setzt sich der Verlag mit seinem Willen durch.
Wer nahezu allwissend zum Thema Dreier-BMW sein möchte, benötigt dieses Buch und stellt es schlauerweise neben Graham Robsons M3-Buch aus dem Heel-Verlag (Neuauflage 2021). Diese beiden zusammen, und man weiß Bescheid über den Dreier!
afs