Literatur

Lesenswertes: Minol-Modelle

Andresen, Andy: Die Modellwelt der Minol. Bildband mit 320 verschiedenen Modellen der Minol. Eschenlohe (Qin-Verlag) ³2025. 392 Seiten. ISBN 978-3-00-082630-6. Preis 69 Euro.

Alles Minol. Minol en miniature. Miniaturen aus Plastik, Zinkdruckguss, Resine, Holz, Miniaturen aus allen Materialien. Großserie, Kleinserie, Handarbeitsmodelle, Umbauten, Einzelstücke. Aber alles Minol. Das ist der Inhalt des Buches von Andy Andresen, einem absoluten Minolisten, aber nicht nur aus Passion. Er hat mit seiner Agentur HC ANDRESEN 1990 die rot/gelbe MINOL neu gestaltet, mit Purpurviolett als Grundfarbe und einem ausdrucksstarken rosa/gelben Logo. Das schafft Verbundenheit zur Marke – nicht nur die allgemeine Markentreue, sondern auch im Speziellen die Begeisterung Andresens für das Thema. Er hat eine phantastische Sammlung zusammengetragen, und das sammelwütige Publikum scheint danach zu gieren. Das Buch ist nun in der dritten Auflage erschienen, erneut um 65 Modelle und 100 Seiten erweitert. Andresen präsentierte es gestern anlässlich des 100sten Geburtstags der Spedition Poller in der Werner-Poller-Stiftung in Plauen. Das Vorwort verfasste Ulrich Biene, dessen aktuelles Buch Der Pirol an der Zapfsäule – Geschichte und Geschichten Caramini-online am 19. April 2025 präsentierte. Da haben sich also zwei Minolisten gefunden!

Jede traditionelle Tankstellenmarke hat ihre Fans, und während sich die Westsammler aus einer Vielzahl ihre Lieblingsmarke aussuchen können, sind die ostdeutschen Mineralölschlürfer auf eine Marke beschränkt, eben die Minol. Das heißt, ihre Sammlung ist oben gelb und unten rot. Wer aber als Außenstehender meint, die Minol-Modelle beschränkten sich auf eine Handvoll DDR-1:87-Antiquitäten von Espewe-Herr-Permot-Haufe-Hruska und hierbei vorzüglich auf den vorzüglichen IFA S4000-1 Tankwagen, der möge mal in Andresens Buch blättern und wird eines Besseren belehrt. Das in Katalogform aufgebaute Werk spannt den Bogen vom erzgebirgischen Holzspielzeug zum formenbauerisch aufwendigen Kleinserienmodell der Nachwendezeit, eben die komplette Minol-Modellsammlung Andresens. Der jeweilige Fahrzeugtyp wird jeweils eingangs des Modellkapitels im Original präsentiert, mit historischen Aufnahmen und/oder zeitgenössischen Prospektauszügen, und danach erhält jedes Modell seine eigene Seite: meist zwei Fotos, dazu ein Vorbildfoto, katalogisierende Angaben über Typ, Modellhersteller, Maßstab, Produktionszeitraum, Material, Beschriftung und Besonderheiten, wenn bekannt auch die Auflage. Dabei geht der Autor auf formenbauerische Unterschiede ein, während der DDR-Produktion und danach unter den wechselnden Herstellernamen beispielsweise von Espewe zu s.e.s. Das Hauptaugenmerk liegt auf 1:87, doch es finden sich auch aktuelle Minol-Modelle beispielsweise von Ixo in 1:43 oder MCG in 1:18. Manchmal steht auch „unbekannt“ zu lesen, wenn es sich um einen Eigenbau, ein Handarbeitsmodell oder einen 3D-Druck handelt. Die Sammlung umfasst auch etliche von Andresen selbst hergestellten Handmuster zu der Zeit, als er für die Minol tätig war.

Für die Portion extra Flair sorgen circa in Buchmitte etliche Reproduktionen von Spielzeugkatalogen von Espewe, Vero, Minicar und auch Brekina, was den Schwärmfaktor noch weiter in die Höhe treibt. Sodann widmet Andresen dem Dioramenbauer Kai Rückert etliche Seiten, den er als „Meister der Dioramen“ bezeichnet. Tatsächlich ist sein Modellbau bemerkenswert und faszinierend. Die Kesselwagen auf Schienen gehören auch zum Thema und entsprechen dem Buchuntertitel Die Modellwelt der Minol. Sicherlich sind viele H0-Miniaturautosammler auch an Modellbahnen interessiert. Wer mit Schienenfahrzeugen nichts anfangen kann, muss damit leben, überblättert 44 von 392 Seiten und erfreut sich danach an Tankstellen-Modellen aus Holz, Pappe und „Plaste“. Die sind fotografisch ebenso schön in Szene gesetzt wie die Modellautobilder, und auch dies Kapitel wird angereichert von zeitgenössischen Prospekt- und Katalogauszügen (was den Rezensenten stets besonders begeistert).

Den Abschluss bildet der junge Michael Schumacher, der in frühen Jahren (Saison 1994) auf seinem Benetton Ford B194-5 auch Minol als Sponsor fuhr und deshalb, wie üblich, dazu verdammt war, für seinen Auftraggeber Werbung zu machen. Den Ausblick widmet Andresen seiner Arbeit für Minol zwischen 1990 und 1993, als er das neue Minol-Design in Purpurviolett entwarf und den Minol-Pirol durch den Batman-ähnlichen „Minolman“ ersetzten wollte. Aber Minol zeigte am Minolman kein Interesse, damals war der „Deal“ mit Elf Aquitaine schon in trockenen Tüchern. Nicht ganz ohne Ironie endet das Buch mit einer Reproduktion einer Urkunde für eine Minol-Mitarbeiterin, der 1987 der Ehrentitel Aktivist der sozialistischen Arbeit verliehen wurde.

Die Vielfalt an Minol-Miniaturen ist überraschend und überwältigend zugleich. Für den aktiven Minol-Sammler hat das Buch Katalogcharakter, für den weniger beherzten Modellautoaktivisten ist es Unterhaltungslektüre mit viel Hintergrundwissen. Es behandelt zwar ein DDR-Thema, sieht es aber nicht durch die DDR-Brille. Andresen bewertet die gesellschaftlichen Umstände nicht, wenngleich ihm manchmal eine Kritik herausrutscht („So viele gute Modellbauer, so viele schlechte Unternehmensleiter, so viele unfähige Planwirtschaftsbonzen.“). Jedenfalls ist er als „Wessi“ weit entfernt von Ostalgie. Sprachliche Eigentümlichkeiten fanden wir kaum (schmunzeln mussten wir über den „handgefertigten Eigenbau“), der Schreibstil ist sachlich, das Lektorat gut. Das Hardcover-Buch selbst besticht durch eine sehr angenehme und hochwertige Haptik: Fadenheftung, Vorsatzpapier (worauf der Traditionalist sein Exlibris kleben und seinen Namen schreiben kann), rote Kapitelbändchen, der Umschlag kartoniert und mit matter Folienkaschierung versehen. Das nimmt man gerne in die Hand. Und zwar öfters.

afs