Auf großem Fuße
Lässt sich das Wort „elitär“ steigern? Schon die Basis ist etwas Besonderes. Noch besonderer (gibt’s das Wort?) ist die Brabus-Interpretation. Almost Real bringt den Brabus G63 4×4², die brabusierte Version des Mercedes G63 4×4² mit AMG-Technik. Das ist Länge mal Breite x Höhe in Eskalationsstufe, mindestens 700 Pferde, und Almost Real ließ sich wie üblich nicht lumpen.
Normalerweise ist der Mensch höher als sein Auto. Besonders, wenn er Sportwagen fährt. Er steigt in sie hinab (oder: fällt in sie hinein. Oder: schlängelt sich in sie hinein). Das andere Extrem sind Geländewagen. Die sind höher als des Menschen Wuchs. Man steigt hinauf (oder: empor). Man kann sie tiefer legen, was manche tun. Das ist abartig und alles andere als artgerecht (und man kann beim Entern nicht mehr empor steigen). Man kann sie aber auch höher legen. Das ist schon eher produktiv und effektiv. Dann klettert man hinein. Ein Big Foot (ohne deshalb ein Monster-Truck zu sein) schindet schon Eindruck. Die Größe der Räder würde Sigmund Freud auf seine Weise deuten. Und womöglich hätte er gar nicht so unrecht damit. Große, breite Räder am Offroader als Symbol für die Potenz des Fahrers – wobei die Potenz nicht nur den sexuellen Aspekt meint, sondern auch seine wirtschaftlich-finanzielle Stärke oder seine politische oder gesellschaftliche Macht. Natürlich – wer derartige Eigenschaften mit Äußerlichkeiten belegen oder gar aufmotzen muss, zweifelt im tiefsten Inneren an genau diesen, seinen Eigenschaften (erneut der olle Freud). Aber egal: Eine G-Klasse von Brabus schindet gehörig Eindruck und lässt das Ego seines Herrn wachsen. Unvergessen ist der Werbespot für Buttermilch von Müllermilch aus dem Jahre 2002 mit der Lindenstraße-Putzfrau Else Kling (alias Annemarie Wendl): „Wenn’s schee macht!“ Ob’s den Fahrer nun „schee macht“, sei dahin gestellt, aber es macht ihn zumindest groß.
…im Reichtum fühlend, was uns fehlt
Die Brabus-Version des Mercedes G63 4×4 aus dem Jahre 2023 – das ist also noch die bisherige G-Klasse, bevor sie im Frühjahr 2024 zum Baumuster W465 aufstieg und auch elektrisch wurde. Aber es ist bereits die gemopfte G-Klasse nach 2018, 12 cm breiter und 5 cm länger als zuvor und vordere Einzelradaufhängung statt Starrachse. Auf seiner Basis gab es Ende 2022 wieder einen 4×4², 11,3 cm höher als das Basismodell, somit 35 cm Bodenfreiheit, und er baut nunmehr auf dem G63 AMG auf. Sein Clou: Portalachsen. Die Brabus-Version dieses G63 AMG ist das neue Almost-Real-Modell.
Zunächst gibt es den Achtzehner in Obsidian Schwarz und in Designo Diamond White 9799 Perleffekt, was ein perlmuttweißes Polyester-Metallic ist – wobei dieser Ton von gestern (also: von 2023) ist, heute trägt man Manufaktur Opalithweiß Bright, wenn es glänzen soll, und Manufaktur Opalithweiß Magno, wenn nichts glänzen soll. Wir suchten uns als Muster den Weißen heraus, weil die ganzen schwarzen und/oder carbonisierten Karosseriebestandteile bei einem schwarzen Auto logischerweise nicht zur Geltung kommen. Wir hätten auch lieber Farbe gehabt – gibt es aber (noch) nicht. Angeblich soll er bald als nicht gebrabuster Mercedes-AMG G63 4×4² kommen, dann in Farbe (Green Hell Magno = mattgrünmetallic). In Asien ist dieses Modell bereits lieferbar.
Einen 4×4² gab es zuvor schon im Jahre 2015 auf Basis des W463, vielfach miniaturisiert, auch von Almost Real. Der damalige G 500 4×4² hatte ein neu entwickeltes Fahrwerk, Portalachsen mit Riesenrädern und eine extrabreite Karosserie. Der Ende 2022 aufgelegte Nachfolger galt als Sondermodell, und Daimler-Benz macht keinen Hehl daraus, dass es danach nie wieder einen 4×4² geben wird. G63 AMG bedeutet einen 4-Liter-Biturbo-V8 mit 585 PS, Portalachsen wie im Unimog (aber nicht vom Unimog, sonders eigens für den 4×4² konstruiert!), 91 cm Wattiefe, Sperren, permanenter Allradantrieb: Das ist ein „go anywhere“ im klassischen Sinne, der kommt überall durch. Die Räder sind immens, 22-Zöller mit Offroadreifen, die von den mit Carbon verkleideten Kotflügelverbreiterungen gerade mal so abgedeckt werden. Der Panamericana-Grill ist heute das AMG-Statussymbol, der Carbon-Dachaufsatz mit Zusatzleuchten ist martialisch, aber nicht neu. Zum Entern gibt es, für jene, die klein von Wuchs sind, ein ausfahrbares Trittbrett, innen feinstes AMG-Nappa-Alcantara-Gedöns, ein Clou ist der digitale Rückspiegel. Dieses Auto kostete 300.000 Euro und wurde zwischen August 2022 und Frühsommer 2024 gebaut – also war zwar nicht die Stückzahl limitiert, aber der kurze Produktionszeitraum (und der Preis) sorgten für eine natürliche Beschränkung der Stückzahl.
Das Refugium mit quadratiertem Allradantrieb
Nun gibt es natürlich Männer (was sonst?), denen das zu wenig auffällig, zu wenig individuell, zu wenig exquisit, zu wenig teuer – überhaupt zu wenig ist. Getreu dem evangelischen Liedtext „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken“, bekamen diese Herren den weisen Rat, sich gen Bottrop zu wenden. Dort, in der Brabus-Allee Nummer 1, ist Brabus. „Dort werden Sie geholfen“, vernahm der Gramgebeugte, und das Ergebnis dieser Hilfe ist die Brabus G-Klasse G63 4×4², das Almost-Real-Modell.
Von vorne der Brabus-Grill (im Original mit beleuchtbarem Brabus-Logo), auf der Haube der typische Powerdome-Aufsatz aus Sichtcarbon, dazu der bekannte Brabus-Widestar-Bodykit – da weiß man, was man vor (oder: hinter) sich hat. Die 585 AMG-PS sind aus Brabus-Sicht etwas für Amateure, Bottrop macht deren 700 oder 800 daraus, 4,6 Sekunden nullhundert, 210 km/h Topspeed (limitiert wegen der Geländepneus). Da Räder (und Bremsen) heute eher Statussymbol sind als Motorleistung, sind die 22-Zoll-Monoblock-Alus mit abenteuerlichen 325/55 R 22-Geländereifen ein Muss, mattschwarz mit weißem Felgenhorn, knallrote Bremszangen. Innen alles vom Allerfeinsten mit vielen angesagten Aluminium- und Carbonelementen, Suchtpotenzial serienmäßig. Was das kostet? Ganz offiziell spricht darüber keiner, aber Brabus nimmt für die Döner-mit-allem-Variante inklusive der 800-PS-Option rund eine halbe Million – zuzüglich zum Preis des G63 AMG, versteht sich! Das ist dann ein persönliches Refugium auf vier Rädern (in welchem die Klimafrage durch die Klimaanlage beantwortet wird). Dieses Auto mit seiner gewollten Opulenz schafft Aufmerksamkeit. Die Frage ist nur, ob es unsere Aufmerksamkeit verdient.
Masterpiece en miniature
Die Aufmerksamkeit verdient auf jeden Fall das Almost-Real-Modell. Almost Real macht erneut seinem Namen alle Ehre, und wir wollen nicht in jeden Winkel kriechen. Die Masterpiece-Innenausstattung, schwarz mit einem Beigeton, der ins Orangefarbene tendiert, ist ein Masterpiece en miniature, die Türen sind perfekt an ihren außen liegenden Scharnieren geführt und schließen bombig, sie öffnen auch im korrekten Winkel, das Reserverad ist abklappbar, der separat eingesetzte Motor eine im Rahmen des Vorbildmöglichen umgesetzte Offenbarung, sogar ein Hitzeschild an der Motorhaubeninnenseite, feinste Haubenlifter. Die Trittbretter sind klappbar. Die Fahrzeugunterseite lädt zur Technikinspektion ein und besteht jeglichen Vergleich mit dem „echten“ Auto. Nur einen Gimmick vermissen wir: Beim 2015er Modell koppelte Almost Real die Drehbewegung der nach hinten führenden Kardanwelle an jene der Hinterräder, was wirklich ein Clou war. Das geht beim aktuellen Modell nicht mehr. Zwar dreht sich die nach hinten führende Kardanwelle (die nach vorne führende nicht), aber unabhängig von den Rädern. Irgendwie schade, denn das ist ein Rückschritt.
afs




Modellfotos: bat




Steckbrief:
Almost Real ALM860542 (Mercedes) Brabus G-Klasse G63 4×4² W465 2023 weiß. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. Auflage 504 Exemplare. UVP des Importeurs Minichamps 289,95 Euro.