Frühkindliche Erfahrungen
Auch Luxusautos haben einen mitunter abwechslungsreichen Lebenslauf. In Ermangelung neuer Erkenntnisse zum Mercedes 600 nehmen die beiden Caramini-Schreiber die neue Farbvariante des KK-Scale 600ers zum Anlass, ihre ersten Begegnungen mit diesem Ausnahmeautomobil zu Papier zu bringen.
Über den 600er Mercedes wurde schon alles geschrieben, was sich denken lässt, und zwar sowohl über das berühmte Original als auch über die nicht kleine Schar seiner Miniaturisierungen. Entsprechend dem Rang, den dieses Fahrzeug in der Automobilgeschichte einnimmt, sind auch unter den Miniaturen hochherrschaftliche Exemplare zu finden, die durch den Umfang ihrer Teileanzahl und die ausgezeichnete Ausführung bis in das letzte noch so kleine Detail dem Ruf dieses Jahrhundertautos gerecht zu werden suchen und das auch erfolgreich tun.
Caramini hat in jüngster Vergangenheit schon verschiedentlich ausführlich darüber berichtet. In den meisten Fällen handelt es sich um die Nonplusultra-Ausführung, den Pullman und damit die Repräsentationsausführung, die in der Regel Staatsoberhäuptern und Päpsten vorbehalten war, also genau genommen Nutzfahrzeuge darstellen, die beeindruckend, aber nicht im klassischen Sinne schön sind. Denn sie leiden unter ihren merkwürdigen Proportionen – etwas, das sie mit ihren weit weniger noblen Genossen, den amerikanischen Stretchlimousinen, gemein haben. Außerdem sind sie reine Chauffeurwagen, denn ein Selbstfahrer wird sich solch eines Autoriesen sicher nicht bedienen.
Der Kurze ist der Schöne
Aber es gibt ja auch noch den Kurzen. Der ist aber tatsächlich richtig schön und seine luftig leichten Linien zeigen, dass hier einer der Großen des europäischen Autodesigns am Werke war, nämlich der Franzose Paul Bracq, der besonders für seinen 230 SL, die so genannte Pagode, berühmt ist, aber neben dem W111/W112-Coupé und der stilistisch verwandten W108-Limousine auch den Strich-Achter gezeichnet hat. Später war er erfolgreich bei BMW und Peugeot tätig. Heute genießt er 95jährig seinen Ruhestand in Frankreich. Ein bemerkenswertes Projekt betreute er vor einigen Jahren, als er die Karosserielinien des nicht mehr existenten Bugatti Esders Cabriolet auf dem letzten noch unverkleideten Chassis der Royale-Baureihe rekonstruierte. Er ist ein Karosseriebauer wirklich alter Schule. Das Fahrzeug steht im berühmten ehemaligen Schlumpf-Museum in Mulhouse.
Die langen 600er durchlebten in der Regel wohl behütet ihr langes Autoleben, während die kurzen durchaus in die Niederungen des Alltags geraten konnten, wo sich gediegene Noblesse in neureiche Schickeria oder noch weniger vornehmes Ambiente verwandeln konnte.
Vor dem „Aquarium“ und auf dem Campingplatz
Hierfür seien zwei Begebenheiten berichtet, die sich im Süden der Republik in den späten 60er und frühen 70er Jahren zugetragen haben. So traf der in seiner Kindheit in Ulm wohnhafte Chefredakteur von Caramini-online vor einem kleinen, illustren und von den braven Ulmern argwöhnisch beäugten Restaurant in der engen Ulmer Kohlgasse auf einen schneeweißen, aber ziemlich ausgelaugten und heruntergewirtschafteten Mercedes 600, der mit seiner Breite schier die ganze Gasse ausgefüllt haben dürfte. Unbekannt ist, wem dies Fahrzeug gehörte, aber der damals rund Achtjährige war schwer beeindruckt von der verfallenen, ehemaligen Hochherrschaftlichkeit dieses Automobils: die erste leibhaftige Begegnung mit einem 600er. Das „Aquarium“, so hieß der Nachtclub, war jedenfalls für seine prominenten Gäste berühmt. Schlagersterne, Schauspielerinnen und ihre Kollegen vom Kaliber eines Curd und Udo Jürgens, Hildegard Knef und Barbara Valentin waren Stammgäste und wurden noch getoppt vom Queen-Sänger Freddie Mercury, der das Restaurant regelmäßig besuchte. Prominenz allesamt, aber Passagiere für den nobelsten Mercedes aller Zeiten? Und dann noch im denkbar schlechtesten Zustand? Das „Aquarium“ zog nicht nur Lichtgestalten an, und die im Dunkeln sieht man nicht.
Der Autor dieser Zeilen hingegen verbrachte sein Kindheits- und Jugendferien ganz brav auf einem Campingplatz in Tirol, wo die versammelte Kinderschar dem Platzwart gerne beim Kassieren der Parkplatzgebühren von den Tagesgästen aushalf. Ebenda tauchte eines Tages ein schwarzer Mercedes 600 auf, drehte eine Runde und verschwand wieder. Er hinterließ nichts außer der lebenslangen Erinnerung des Autors an dieses denkwürdige Ereignis, das die andren Kinder im Übrigen völlig kalt gelassen hatte. Wer aber war der einsame Fahrer der Luxuslimousine? Da konnten die Eltern tatsächlich aushelfen. Es war der Titel- und Ordenhändler Konsul Weyer, der damit einen schwunghaften Handel betrieb und so erfolgreich war, dass es zu dieser Nobelkarosse reichte. So weit also die ersten und frühkindlichen Begegnungen der Caramini-Redaktion mit dem Phänomen Mercedes 600 – die jeweils keine Traumata hinterlassen hatten, sondern eine tiefe und lebenslängliche Verbundenheit mit diesem Ausnahmeautomobil.
In späteren Jahren tauchten immer mal wieder Bilder geschundener Limousinen auf, wobei bei deren Betrachtung auffällt, dass sie ihrem Schicksal mit gelassenem Stolz zu trotzen scheinen. Wer diesen Geschichten nachsinnen möchte, braucht kein super komplexes und super teures Modell von CMC, AUTOart oder NZG. Aber authentisch sollte es schon sein und da ist der nicht zufällig weiße Mercedes 600 von KK-Scale ein guter Partner. Feine Details außen und innen, ein wunderschöner Grill, ein feines, blaues Interieur und alles sehr nah an der Bracq’schen Designlinie, versetzten den Betrachter in längst vergangene Tage einer teils schrillen Hautevolee.
mh


Modellfotos: bat



Foto: afs
Steckbrief:
KK-Scale KKDC180604 Mercedes 600 W100 1963 weiß. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 99,95 €