Schiebung als Basis des Sieges
Ein unvergessener und ein unverdienter Sieg: Juha Kankkunen musste seinem Teamkollegen und Rivalen Miki Biasion den Sieg bei der Monte 1987 überlassen – par ordre du mufti. Kyosho macht den Siegerwagen, den Lancia Delta HF 4WD im legendären Lancia-Martini-Livrée.
Es war ein Doppelsieg und Kyosho macht den Siegerwagen: Rallye Monte Carlo 1987, Massimo „Miki“ Biasion und sein Co Tiziano Siviero auf Lancia Delta HF 4WD vor Juha Kankkunen/Juha Piironen auf dem gleichen Wagen mit 59 Sekunden Rückstand, dahinter der Walter und der Christian im Audi 200 Quattro. Für Röhrl, den zweifachen Rallye-Weltmeister, war es die letzte Monte. Statt des fünften Sieges in Monaco sagte er mit Rang Drei Adieu. Biasion siegte, obgleich sein Stallgenosse im Lancia-Martini-Team, der Finne Juha Kankkunen, schneller war. Ganz nach Wunsch seines Arbeitgebers schenkte er Biasion den Sieg („Stallorder“). Die beiden fuhren auf Augenhöhe, schenkten sich nichts. Der damalige Teamchef bei Lancia, Cesare Fiorio, befürchtete, dass sie sich gegenseitig abschießen könnten. Lancia ist italienisch, Fiorio ist Italiener, Biasion ist es auch. Da war die Entscheidung nahe liegend, wer zu siegen hat. Dem teaminternen Zwist entschärfte diese Entscheidung wahrlich nicht. Jedenfalls stellte Kankkunen 500 Meter vor dem Ende der letzten Etappe seinen Delta rechts am Straßenrand ab, wartete auf Biason, ließ ihn passieren und fuhr wieder los. Offensichtlicher ging es nicht, selbst im Fernsehen war der Trotz-Stopp zu sehen. Jeder roch Lunte, jeder realisierte die Stallorder. Und dann blieb Kankkunen auch noch der obligatorischen Sieger-Pressekonferenz fern. Fiorini wurde zur Furie wegen dieser öffentlichen Bloßstellung.
37 Jahre ist das nun her, und noch immer ist dieser Monte-Eklat im Gedächtnis. Es gibt Dinge, die vergisst man nicht. Darüber hinaus vergisst man nicht, dass die Monte 1987 ohne die über 500 PS starken Gruppe-B-Boliden mit relativ schmalbrüstigen Gruppe-A-Fahrzeugen ausgetragen wurde. Das drückte damals ein wenig auf die Stimmung. Und man vergisst nicht, dass die 1987er eine der schneereichsten Monte-Carlo-Rallyes aller Zeiten war. Obgleich das Finale zur Farce wurde, hatten die Lancia Delta diese Rallye geprägt. Es waren ja nicht nur zwei. Es waren drei. Da war noch Bruno Saby, weit schneller und besser als die beiden späteren Streithähne, in der Mitte der Rallye Spitzenreiter, dann aber Opfer eines mechanischen Problems.
Sechs Markentitel in der Rallye-Weltmeisterschaft und 46 Siege gewann Lancia mit dem Delta zwischen 1987 und 1992. Im ersten Jahr hatte der 2-Liter-Turbo-Delta gerade mal 265 PS, permanenten Allradantrieb, ein vorderes Sperrdifferenzial, ein zentrales Verteilergetriebe (halbe Kraft nach vorne, die andere Hälfte nach hinten) und an der Hinterachse ein Torsen-Differenzial. Damit begann der Siegesreigen, immerhin gelang es, den Walter in seiner Luxuslimousine zu demolieren. Die Rallye-Delta des ersten Jahrgangs waren so schmal wie die Straßenfahrzeuge, erst in der Saison 1988 kamen breitere Achsen und somit ausgestellte Kotflügel. Der 16-Ventiler mit Buckel auf der Motorhaube kam 1989, und zur Rallye-WM 1991 setzte Lancia auf den Delta Evoluzione, noch breiter, 340 PS stark, und den letzten Marken-WM-Titel holte nicht das Lancia-Werksteam, sondern das vom Werk unterstützte Jolly-Club-Team. Mit der Auszeichnung, das erfolgreichste Rallyeauto der Motorsport-Geschichte zu sein, durfte der Delta dann die Rente antreten. Diese Geschichte belegt, wie wichtig der Lancia Delta im Motorsport ist und dass es daher ganz normal ist, dass er zu den Dominierenden in der Modellauto-Rallyeszene gehört.
Ein schmaler Delta statt des breiten Evolutione
Mit Lancia Deltas ist Kyosho gut im Rennen. Den Delta HF Integrale Evolutione als Straßenauto beabsichtigt Kyosho offenbar, in sämtlichen Sonderversionen und limitierten Serien zu bringen, die das Werk anbot und ist damit schon recht weit gekommen. Dann hat Kyosho den Motorsport-Delta im Programm, ebenfalls etliche Versionen als Integrale. Nun erscheinen drei neue 1987er Versionen und zugleich drei Siegerwagen, in Japan seit Juni im Verkauf, nun auch in Europa via Importeur Minichamps im Angebot: Targa Florio Team Lancia Totip (Dario Cerrato/Giuseppe Cerri, # 1), Rallye 1000 Seen (Markku Alén/Ilkka Kivimäki, #4) sowie der Monte-Sieger 1987. Das sind aber nicht nur Farb- oder Dekorationsvarianten. Nein, Kyosho gab sich Mühe und kreierte ein neues Modellauto, den schmalen Lancia Delta.
Die Motorhaube hat nun feiner gestaltete Scharniere, eine Haltestange und durchbrochene Luftöffnungen mit Ätzgrill. Der Motor darunter, basierend auf dem bisherigen, bekam einen neuen Zylinderkopf. Innen ein neues Armaturenbrett mit analogen Instrumenten und veränderten Türverkleidungen. Ebenfalls neu ist der separat eingesetzte Tankeinfüllstutzen in der rechten C-Säule. Obendrein modellierte Kyosho eine Abgrenzung zwischen Innen- und Kofferraum aus transparentem Plastik, das Chassis verfügt über einen Motor-Unterfahrschutz. Die Kyosho-Variante stellt die Nachtversion dar, also mit montierten Zusatzscheinwerfern. In der vorderen Stoßstange trägt der Monte-Delta zwei Luftöffnungen, die der Serien-Delta nicht kennt und die deshalb vermeintlich nicht regelkonform waren. Der Protest der hinterbliebenen Konkurrenz verhallte aber im Nichts. Dem Modell liegt eine Antenne zur Selbstmontage bei, die wir unserem Fotomodell verweigern (damit es später wieder Platz in seiner Schachtel findet). Nicht zuletzt erwähnenswert ist, dass Kyosho dem Modell nach der Dekoration eine Klarlackschicht verpasst. Das heißt, die Decals sind nicht nur versiegelt und gesichert, es ist auch ein durchgängiger Glanzgrat gewährleistet.
Die anderen Versionen (1000-Seen-Rallye, Targa Florio) tragen teilweise ergänzende oder abweichende Details, dem Vorbild entsprechend, so beispielsweise Schmutzfänger auch hinter den Vorderrädern, Luftein- und -auslässe auf dem Dach, veränderte Bremsanlage, Abdeckungen für Nebelleuchten, Slicks statt der profilierten Reifen. Das Trio ist der Opener für eine größere Zahl an schmalen Lancia Delta, die Kyosho bringen wird – in der Kyosho-eigenen Gelassenheit. Die kommen nicht Schlag auf Schlag. Die kommen über die Jahre hinweg.
What’s wrong with Spaltmaßen?!
Der schmale Delta ist eine Neuentwicklung, auch wenn ein paar Teile vom Delta Integrale übernommen werden konnten. Ein typisches Kyosho-Modell, höchst detailliert und dabei sehr solide gemacht. Alleine der Klarlacküberzug nach der Dekoration zeigt: Einen Kyosho kann man in die Hand nehmen, ohne Angst um ihn haben zu müssen. Man kann ihn auch von Hand bedienen: Bei einem Kyosho-Modell benötigt der Sammler keine mitgelieferten „Tools“, also Saugnäpfe, um Türen zu öffnen. Ein Fingernagel tut’s auch! Natürlich kann man dann über Spaltmaße jammern. Aber ein Blick auf das Original beweist, dass „echte“ Türen und Hauben weit größere Spaltmaße haben, als sie in perfekt miniaturisierten 1:18-Modellen dargestellt werden. Keine Türspalte am Modell sehen zwar gut aus, sind aber manchmal ein Abstrich in Sachen Originalität.
Dabei schafft es der Hersteller, auch sehr feine Details wie die Haubenschnellverschlüsse wiederzugeben, und gerade der Rallye-Innenraum ist furios. Die gelben Schalensitze mit schwarzen Sitzflächen, die orangefarbenen Sechspunktgurte aus Stoff mit Fotoätzschnallen, das Rohrgewirr des Überrollkäfigs, die automobile Infrastruktur im Kofferraum. Und dann ein absolut glatter Dachhimmel (der ja die Innenseite der Dachaußenhaut ist, weil unverkleidet) und die Scharniere der Heckklappe – ein Kyosho-Modell vereint schlichtweg zwei Welten im Modellbau. Fein und grob – nirgends liegt das näher beieinander als bei einem Kyosho. Und genau das macht den Charme dieser Marke aus.
afs
Steckbrief:
Kyosho KYO8960A Lancia Delta HF Rallye Monte Carlo 1987. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP des Importeurs Minichamps 309,95 Euro.