Porsche für gewisse Kreise
Der Klassiker schlechthin: Das Elfer G-Modell in seiner letzten Ausbaustufe Carrera 3,2 als schöner 18er von Minichamps. Alle drei Karosserieversionen werden erscheinen, Coupé und Cabriolet sind schon da, beide in Indischrot, der Targa ist im Anrollen. Ein roter Porsche: Der Traum jeder Mutter für ihren Sohn. Denn der Bub soll’s ja zu was bringen.
In „gewissen Kreisen“ fährt man G-Modell. Nicht jedes Porsche Elfer G-Modell, eher die späteren Baujahre ab 1983, als der ultimative Carrera erschien, bis zum Auslaufen der Serie 1989. Denn damals, in den 80er Jahren, waren die Babyboomer in ihren Zwanzigern und träumten vom Porsche, der trotz allem und allen (924, 944, 928) nach wie vor der Elfer war. Diejenigen unter ihnen, die heute zu den „gewissen Kreisen“ gehören, erfüllen sich diesen Jugendtraum. Es machte die Runde, es gehört zum guten Ton, der eine tut’s, der andere folgt ihm nach. Das Haupthaar schütter, jedenfalls ergraut, der Kontostand nicht ganz ohne, die Knochen noch elastisch genug, um unfallfrei ein- und aussteigen zu können, die Legitimität der besseren Hälfte ist ebenfalls garantiert – nichts spricht gegen einen schicken Elfer aus den 80ern – zumal die Verfügbarkeit groß ist, man kann sich den Wagen quasi nach Farbe und Ausstattung aussuchen. Professionelle Importeure grasen die Märkte im Süden Europas systematisch ab, Spanien, Portugal, auch den Süden Italiens, wo von der Sonne verwöhnte Elfer darauf warten, nach Deutschland reimportiert zu werden und dank der EU nicht mal Zollformalitäten anfallen. Die Rechtsanwälte, Zahnärzte, Politiker, Architekten, Manager, Firmeninhaber, Geschäftsmänner, Uniprofessoren – na, eben die „gewissen Kreise“ greifen begeistert zu. Der alte Porsche, er öffnet Türen, denn er eröffnet Gespräche. Nichts ist bekömmlicher, als über die jüngste Ausfahrt mit dem 911 Carrera zu plaudern, denn hierbei ist nichts Verfängliches und man weiß, dass einem das Gegenüber auf Augenhöhe begegnet. Der Gesprächspartner hat schließlich auch einen. Und danach, nach den Porsche-Anekdoten, kann man ja in medias res gehen und die Welt aus Angeln heben – sofern man es noch kann. Denn dies ist etwas schwieriger als einen Elfer G-Modell zu fahren.
Auto ohne Designer
Das G-Modell ist also der Elfer-Klassiker. Nicht der Ur-Elfer, denn der gilt als Oldtimer und somit als nur eingeschränkt alltagstauglich. Und alle anderen, vielleicht mit Ausnahme des 964, sind moderne Porsche, die zwar Elfer-Faszination versprühen, aber keinen Klassiker-Charme haben. Mit einem G-Modell hat man einen „alten“ Porsche 911, der aber verkehrstüchtig ist, dessen Ersatzteilversorgung keine Probleme bereitet und der ganz einfach so aussieht, wie sich die Generation Babyboomer den Porsche 911 vorstellt. Das G-Modell hat keinen Designer. Natürlich hat es einen, nämlich Ferdinand Alexander „Butzi“ Porsche. Aber es hat keinen, der namentlich in Bezug auf das G-Modell erwähnt wird. „Butzi“ Porsche war damals, Anfang der 70er Jahre, noch immer für das Porsche-Design zuständig. Aber die spezielle Optik des G-Modells entstand nicht ihrer selbst wegen, nicht, um den Elfer moderner oder auch nur anders zu gestalten. Nein, sie entstand als Reaktion auf US-amerikanische Sicherheitsvorschriften, die der Porsche 911 zu erfüllen hatte, um weiterhin in seinem Hauptexportland USA zulassungsfähig zu sein. So gesehen bedeutet das G-Modell also nicht mal ein Facelift um seiner selbst willen, sondern ein erzwungenes Facelift wegen behördlicher Vorschriften in einem wichtigen Exportland.
Minichamps ist Porsche. Porsche ist Minichamps
Für Minichamps ist jeder Porsche wichtig. Porsche ist der hauptsächliche Industrieauftraggeber für Minichamps. Schon immer. Und deshalb ist das G-Modell für Minichamps wichtig, mindestens so wichtig wie jede andere Elfer-Generation. 2007 erschien die 1:18-Interpretation des G-Modells von Minichamps, drei Karosserievarianten, wie im Original, nämlich Coupé, Cabriolet und Targa. Konstruktiv sind sie identisch (all open, lenkbar, gefedert), die Karosserie und ihre Anbauteile sind vorbildentsprechend unterschiedlich. Die Modelle waren damals ein großer Erfolg und erschienen im Laufe der ersten Jahre in mehreren Farben. Dann war lange Zeit Schluss mit G-Modell in 1:18. Nun hat Minichamps, nach langer Ankündigungsphase, die Formwerkzeuge entstaubt und bringt das Trio in jeweils drei Farben erneut: Coupé und Targa jeweils in Rot, Weiß und Orange, Cabriolet in Rot, Schwarz und Anthrazitmetallic.
Zunächst ausgeliefert wurden Coupé und Cabriolet in Indischrot, unsere Muster. Weitere werden folgen, bei Minichamps und in Caramini-online. Was ist anders gegenüber den Erstauflagen? Zunächst nicht mal die Seriennummern. Da die ursprünglichen Modelle unlimitiert waren, gibt es keinen Grund, damalige Farben nicht erneut zu produzieren und diesen die damaligen Seriennummern wieder zu geben. Es handelt sich eben um eine Neuauflage damaliger Modelle. Und doch finden sich ein paar Unterschiede, wenn man Alt mit Neu vergleicht, aber keine Short Cuts, nichts, was die damalige Qualität besser erscheinen lässt als die aktuelle Produktion. Die früheren Modelle hatten ein Kennzeichen, die heutigen sind im Neuwagenzustand ohne Zulassung. Das indischrote Coupé von 2007 verfügte über einen komplett schwarzen Innenraum, das heutige ist rotbraun möbliert. An den alten Modellen lässt sich die Abdeckmatte im vorderen Kofferraum weit schwergängiger entfernen als in den neuen. Dann entdecken wir noch Unterschiede in der Kolorierung der Rückleuchten. Beim Alten wirken die Blinker gelblicher, beim neuen sind sie eindeutig orangefarben. Dafür sind beim Alten die Rückfahrscheinwerfer transparenter als beim Neuen. Das war’s mit den Unterschieden. Dass die Kofferraumabdeckung beweglicher ist als früher, ist ein Fortschritt. Die Modelle befinden sich also auf „gutem, altem Minichamps-Niveau“, was sehr erfreulich ist. Denn das war und ist hoch. Als Kritikpunkt finden wir allenfalls die Pins in den Nebelscheinwerfern. Formale Schwächen im Frontbereich, von manchen Sammlern konstatiert, können wir beim besten (oder: schlechtesten) Willen nicht feststellen. Die Minichamps-G-Modelle sind schlichtweg hervorragende Modellautos.
Der Detailreichtum ist groß, der Motor eine Wonne, der Motorraum mit Wartungsaufklebern, die Haube mit durchsichtigem Lüftungsgitter, der Innenraum mit Beflockung, das Bedruckungsniveau gut, Lack und Finish entsprechen den Erwartungen und die Abdeckmatte des Kofferraums verbirgt eine wahre Pracht: Reserverad auf Stahlfelge mit aufblasbarer Notbereifung, hellgrauer Tank mit Zuleitung, die bis zum Einfüllstutzen führt, weiße Batterie, Hauptbremszylinder, Diverses, was ein Auto zum Leben braucht, obendrein ist sogar der Dichtungsgummi schwarz hervorgehoben.
Die Farbauswahl, die Minichamps dem Modell gönnt, ist etwas altbacken, wenngleich klassisch. Indischrot geht natürlich immer für einen alten Elfer, aber ist eben nicht gerade der Kracher – und das gilt auch für die anderen Farben. Die Ausstattung ist auch eher „Brot und Butter“ als extravagant. Von Hause aus war der Wagen damals mit den ungeliebten „Telefonwählscheiben“-Felgen ausgestattet, die aber von den meisten Käufern quasi routinemäßig ab- und die Fuchsfelgen zubestellt wurden, das Schiebedach des Coupés ist ein Extra. Beim Cabriolet sind zwei Außenspiegel Standard, beim Coupé musste der rechte extra bestellt werden.
Wer sich vor rund 17 Jahren ein Minichamps 1:18 G-Modell in die Sammlung stellte, braucht also kein aktuelles Modell zu kaufen, sofern er nicht eine Farbvariante möchte. Wer dies damals versäumte oder damals noch nicht sammelte, hat nun die Gelegenheit, diese schönen Modelle wieder fabrikneu zu erwerben.
Der Carrera 3,2 als Endpunkt des G-Modells
Noch die historische Einordnung: Das G-Modell erschien im September 1973 als Coupé und Targa, das Cabriolet folgte im Oktober 1982. Während seiner 16jährigen Bauzeit wurde das G-Modell auf dem Wege zur Reife immer luxuriöser und stärker. Ab 1978 mit dem 911 SC wurden alle Elfer breit, der SC so breit wie der bisherige Carrera, somit auch breitere Räder. Der SC war quasi ein Einheits-Elfer (SC = Super-Carrera), was der angestammten Carrera-Klientel missfiel. Sie bekam einen neuen Carrera zum Modelljahr 1984, das Minichamps-Modell. Der war aber nicht oberhalb des SC angesiedelt, sondern löste ihn ab: Mit 3,2 Litern mehr Hubraum, mit 231 PS 27 Pferde mehr Leistung, Topspeed 245 km/h, Erfüllen modernster Umweltstandards, dabei weniger Verbrauch – das ist Fortschritt! Porsche war mit dem Carrera 3,2 beim ultimativen G-Modell angelangt, das bis zur Produktionseinstellung 1989 zwar weiterhin von Jahr zu Jahr modifiziert und modernisiert wurde. Aber grundlegend geändert wurde das G-Modell nicht mehr.
afs






Modellfotos: bat







Steckbrief:
Minichamps 100063021 Porsche 911 Carrera 3,2 1984 rot und 100063030 dito Cabriolet rot. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP je 199,95 Euro.