Der Centosessantaquattro
Ihm folgte noch der 166er, dann folgte nichts mehr. Norev macht den Alfa Romeo 164 aus den späten 80ern, also aus der Periode, welche die heute kaufkräftigste Klientel an ihre Kindheit erinnert. So weit, so clever. Darüber hinaus ist der Alfa 164 ein beeindruckender Wagen und der letzte Alfa, den Alfa selbständig verantwortete.
Wie so oft im automobilen Leben: Es begann hoffnungsfroh mit der Erschließung eines neuen Marktsegments in der oberen Mittel- oder unteren Oberklasse und es endete mit der Kapitulation vor den Germanen. Sie alle, die Hoffnungsträger von Citroën und Peugeot, von Alfa Romeo, Lancia und Fiat, von Rover, Ford und Opel, mussten sich mehr oder weniger kampflos den teutonischen Platzhirschen Mercedes, BMW und Audi unterwerfen. Alfa Romeo startete 1957 mit dem vierzylindrigen 2000, aus dem 1962 der sechszylindrige 2600 wurde. In den 70ern war Alfa im Sechszylinder-Limousinen-Segment nicht unterwegs, 1979 kam der glücklose Alfa Sei bis 1986, dann der 164, den uns Norev nun beschert. Dessen Nachfolger 166 war das letzte Aufbäumen, und er starb den Heldentod ohne Nachfolger, zusammen mit seinen Artgenossen (Citroën C6, Peugeot 605, Lancia Thesis, Ford Scorpio, Opel Omega/Senator, Saab 9000 et cetera). Die deutschen Premiummarken löschten durch ihre Über- und Allmacht quasi ein komplettes, internationales automobiles Segment aus und übernahmen die Alleinherrschaft.
Mit dem Alfa 164 entfernte sich Alfa bereits von der eigenständigen, autarken und originären Konstruktion. Er ist das Ergebnis einer Arbeitsgemeinschaft, hat Zwillinge, aber keine eineiigen. Konzernintern heißen seine Geschwister Lancia Thema und Fiat Croma, und Saab klinkte sich in die Entwicklung mit ein, der Saab 9000 ist auch ein direkter Verwandter. Geteilte Kosten sind halbe Kosten, geteiltes Leid auch halbes Leid. Wobei festgehalten werden muss, dass sich Alfa der Gemeinschaftsentwicklung angeschlossen hatte, bevor die Marke Teil des Fiat-Konzerns wurde. Und während die Geschwister allesamt von Giugiaro gezeichnet wurden, griff Alfa Romeo auf einen Karosserieentwurf von Enrico Fumia bei Pininfarina zurück. Somit war der Alfa der Emanzipierteste des gemeinsamen Wurfes. Er erschien auch als letzter von ihnen, Debüt IAA 1987. Er hatte gleich eine große Aufgabe zu meistern, nämlich zwei Fahrzeuge zu ersetzen, den Alfa Sei und den Alfa 90, beides Alfetta-Ableger und somit Hecktriebler mit Transaxle-Bauweise. Am 164 waren die Vorderräder angetrieben – was in dieser Klasse schon mal nicht unbedingt als Vorteil gesehen wurde. Zehn Jahre lang war er am Markt, bis 1997.
Lieber „Der Weg zu Wohlstand“ als „Der Weg in den Tod“
Mit Front- oder Allradantrieb gab es den 164 als Vier- und Sechszylinder, auch 2-Liter-Turbo, auch Turbodiesel, Fünfgang-Getriebe oder Vierstufen-Automatik. Norevs Erstling ist ein Twin Spark (was auf Deutsch „Doppelzündung“ heißt und zwei Zündkerzen pro Zylinder bedeutet), obendrein zweistufige Ventilsteuerung, also ein 2-Liter-DOHC-Vierzylinder mit 143 oder 148 PS (ohne/mit Kat), das Volumenmodell, auch in Westdeutschland. Norev macht das erste, leichte Facelift namens Maquilage 90, also Bauzeitraum Juli 1990 bis Juli 1992. Hauptsächliche Änderung: vollverzinkte und somit lange haltbare Karosserie. Die hat das Norev-Modell auch, Zinkdruckguss rostet nicht. Was historisch ungemein für den 164 spricht, ist die Tatsache, dass er der letzte Alfa Romeo ist, den Alfa vor der Übernahme durch Fiat konstruierte. Nette Anekdote am Rande: In Taiwan, Hongkong und Malaysia hieß der Wagen nicht 164, sondern 168. Die Zahl 164 hat dort eine negative Bedeutung, das Homophon bedeutet „Der Weg in den Tod“ (路死). Die Zahl 168 hingegen ist positiv besetzt und bedeutet „Der Weg zu Wohlstand“ (路發).
Norev machte seinen Job gut, die Liebe des Product Managers Sascha Voss zur Marke Alfa Romeo ist bekannt. Vom Scudetto zum Heckschriftzug und von den verchromten Scheibenrahmen zu den Speedline-Alus gefällt uns der Alfa 164 komplett und voll umfänglich. Es ist ein sealed-Modell ohne Federung, aber mit Lenkung. Viel kann er also nicht. Aber er sieht aus, wie ein Alfa 164 aussieht, und das alleine zählt. Die Karosserie ist einteilig ausgeführt, die semimattmetallic gefärbten Flanken sind also schabloniert lackiertes Metall, die Schürzen hingegen aus Kunststoff, und erfreulich ist, dass beider Farbton identisch ausfällt. Der Alfa beweist einmal mehr, wie professionell es aussieht, wenn die Scheiben und deren Rahmen zwar ein Formteil sind, aber die erhaben geprägten Rahmen verchromt dargestellt werden. Die Alfa-Embleme sind zwar „nur“ Decals, aber auf erhöhtem Sockel angebracht, schön ist das Pininfarina-Emblem im Vorderkotflügel neben dem separat eingesetzten Seitenblinker, nett auch der chromige Antennenstummel auf dem linken hinteren Kotflügel. Die Felgen sind durchbrochen dargestellt, und weil der Autor am Tag des Schreibens dieser Zeilen die „Gullideckel“ an seinem ollen Mercedes W210 aufpolierte, fällt ihm auf, wie ähnlich doch das Design der Speedline-Felgen am Alfa 164 ist. Die Mercedes-Gullideckel erschienen erstmals 1985 (am W126), die Speedline-Felgen auf dem 164 zwei Jahre später. Also ist klar, wer von wem abkupferte.
Altpapier herausgekramt
Die Aufpreisliste (ja, wir haben einen alten 164er-Prospekt aus dem Archiv gezogen!): Der Twin-Spark-Käufer investierte in eine Windschutzscheibe mit Colorkeil, ein Heckscheibenrollo (das Norev in eingefahrenem Zustand darstellt), eine vordere Mittelarmlehne, ein Schiebedach, und die Abwesenheit hinterer Fensterkurbeln zeigt, er investierte auch in elektrische Fensterheber hinten. Lederpolster waren offenbar zu teuer, eine Metalliclackierung wollte er nicht, denn sein Alfa musste rot sein (Rosso Alfa), verbunden mit Stoffsitzen in Struktursamt grau, der bei Norev allerdings sehr schwarz aussieht. Deshalb können wir auch wenig über das Innenleben sagen, arg schwarz eben, aber dekoriert, nicht nur die Armaturen, und ein Alfa-Logo auf der Lenkradprallplatte. Zunächst dachten wir ja, Norev habe den Heckschriftzug auf der falschen Seite der Kofferraumklappe angebracht, denn auf Fotos ist er immer rechts. Aber nein, nähere Beschäftigung mit dem „Subjekt 164“ ergab: Vor dem Facelift: Schriftzug rechts. Nach dem Facelift: Schriftzug links.
afs




Modellfotos: bat



Foto: Centro Storico Alfa Romeo
Steckbrief:
Norev 187866 Alfa Romeo 164 2.0 Twin Spark Maquilage 90 1990 rot. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 69,95 Euro.