Und doch ein konkretes Vorbild!
Von wegen generischer Grand-Prix-Bugatti! Der Renn-Bugatti, den wir als Norev-Neuheit in 1:12 am 2. März vorstellten, ist kein generisch-phantasievolles Rennauto, sondern hat ein konkretes Vorbild. Diese Erkenntnis wollen wir nicht für uns behalten, sondern als Nachtrag gerne mit den Lesern teilen.
Das lässt Sascha Voss nicht auf sich sitzen: Der Norev-Product Manager, auch für den historischen Bugatti in 1:12 verantwortlich, verweist uns auf das konkrete Vorbild, das er miniaturisiert hat. Kein generischer, sondern ein ganz konkreter Bugatti. Wohlan, seine Geschichte goes like that:
Am 1. Juni 1931 wurde der Bugatti Type 51 mit der Chassis-Nummer 51128 als Neuwagen an den Rennfahrer Marcel Lehoux (1888 oder 1889 bis 1936) ausgeliefert. Brandneu fuhr er den Wagen einige Tage später beim Grand Prix von Genf – ein bemerkenswertes Debüt, denn Lehoux, Spitzname „Coeur de Lion“ (Löwenherz), legte einen Start-Ziel-Sieg hin. Bis zum Saisonende 1932 war Lehoux mit seinem Bugatti glücklich und erfolgreich, dann legte er sich etwas Neues zu und verkaufte den Type 51 an seinen Landsmann Louis Trintignant weiter. Er erzielte damit ebenfalls einige Erfolge, erlitt im Mai 1933 allerdings einen tödlichen Unfall – jedoch nicht mit dem Type 51, sondern mit seinem Zweit-Bugatti, einem Type 35C, in dem jedoch der Doppelnockenwellenmotor des Type 51 eingebaut war. Danach wurde das Originalaggregat wohl wieder in den überlebenden Type 51 transplantiert. Rund ein Vierteljahr später verkaufte Trintignants Witwe den Wagen an den Jules Rolland, hauptsächlich als Motorradrennfahrer bekannt. Seine Karriere auf zwei Rädern war 1928 durch einen Unfall beendet worden und er plante, mit dem Bugatti wieder an Wettkämpfen teilzunehmen. Tatsächlich fuhr er mit dem Auto 1934 und Anfang 1935 bei lokalen Veranstaltungen in der Provence Rennen. Daraufhin stand es bis 1938 in Rollands Garage und wurde anschließend von Louis Trintignants jüngerem Bruder Maurice (1917 bis 2005) erworben, der selbst ein Rennfahrer am Beginn seiner Karriere war. Seinen ersten Einsatz unter Maurice Trintignant erlebte der Bugatti Type 51 beim Grand Prix de Pau 1938, seinen ersten Rennsieg erzielte er mit dem Auto im Juni 1938 in Chimay.
Der Krieg unterbrach jeglichen Motorsport, doch Trintignant zog es sofort danach wieder ins Cockpit. Offenbar war sein Fahrzeug aber nicht gut gelagert gewesen (zerlegt, in Heuballen versteckt auf dem Familienbauernhof im Südwesten Frankreichs), denn Rattenexkremente im Tank (französisch: les Petoules“) führten beim ersten Nachkriegseinsatz, dem Rennen im Bois de Boulogne 1945, zum Ausfall. Trintignant bekam daraufhin den humorvollen Spitznamen „Le Petoulet“. Maurice Trintignant fuhr das Auto bis weit in die Saison 1947 hinein. Zu diesem Zeitpunkt war es mit einem 1,5-Liter-Motor ausgestattet, der von einem Schwestermodell Typ 51A stammte. Nach der rund zehnjährigen Rennkarriere in seinen Händen behielt Maurice Trintignant (übrigens der Onkel des Schauspielers Jean-Louis Trintignant) Chassis 51128 viele Jahre lang. Er liebte den kleinen Rennwagen und stellte ihn in seinem Wohnzimmer aus, bis er ihn 1974 an den Bugatti-Sammler Jacques Lefranc verkaufte. Dieser beauftragte seinen Mechaniker damit, den alten und müden Typ 51 wieder einsatzfähig zu bringen. Das Originalgetriebe war zuvor durch ein Vorwählgetriebe von Cotal ersetzt worden, dem Motor fehlten Teile, darunter die Kurbelwelle. Nach der Technikrenovierung wurde der Bugatti in Lefrancs Musée d’Automobiles du Forez in Sury-le-Comtal ausgestellt. 20 Jahre später musste er Geld bringen, wurde versteigert und vom Sammler Jean-Claude Miloé erworben und während des folgenden Vierteljahrhunderts regelmäßig benutzt und bei historischen Rennen eingesetzt. Dann sollte der Type 51 erneut zu Geld gemacht werden und trat als einer der Headliner des Artcurial Retromobile-Verkaufs in Paris im Februar 2019 auf – 4 bis 4,5 Millionen Euro erwartete der Verkäufer, aber das Fahrzeug wurde nicht versteigert.
afs

Modellfoto: bat


Fotos: Artcurial Retromobile (anlässlich der Auktion 2019)

Foto: Bibliothèque Nationale de France/Agence de Presse Meurisse

Foto: public domain