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News 1:18 Norev Mercedes 190 E 2.3-16 1983 Rauchsilbermetallic

Slippers ohne Socken und Jeans mit kalkulierten Rissen

Nach Blauschwarzmetallic nun Rauchsilbermetallic: Tief, breit, mit Becker-Avus-Cassettenradio, wie ein 190 E 2.3-16 sein soll, bringt Norev den kleinen, bösen Benz in neuer Farbe und mit all den Attributen, die ihn vom Normalo unterscheiden.

Saturday Night Fever statt Hosenträger: Die Daimler-Benz-Ingenieure landeten einen ihrer größten Coups aller Zeiten, als sie den Stern des „Baby-Benz“ mit Spoilern verbanden – mit Werksgarantie. Gerade so, als habe Daimler-Benz den berühmten Satz Thomas Jeffersons aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung auf sich gemünzt: „All car marques are created equal.“ Stuttgart begab sich auf neues Terrain, auf das die Sternendeuter zuvor hochmütig herabgeblickt hatten; Daimler-Benz wandte sich einer Klientel zu, die zuvor keine Mercedes-Kundschaft war. Das waren Zeitgenossen, die keinen Windsorknoten binden konnten, deren Polo-Shirt nicht das Lacoste-Krokodil zierte, die dafür Sonnenbrillen bei bewölktem Himmel trugen, das Jackett über dem weißen T-Shirt, Slippers ohne Socken oder gar Jeans mit genau kalkulierten Rissen überm Knie. Der Mercedes 190 E 2.3-16 war nicht nur die Sportversion des „Baby-Benz“. Er überforderte auch das Weltbild mancher Mercedes-Fahrer. Es dauerte ein wenig, bis sie sich gewöhnt hatten. Und dann kaufte der Zahnarzt oder Architekt seinem studierenden Sohn oder seiner hübschen, jungen Geliebten einen 2.3-16er. Natürlich etablierte sich sofort ein Klischee: Zwei-Drei-Strich-Sechzehner-Fahrer waren Berufstöchter und -söhne aus gutem Hause, Luxus-Tussis und Popper-Jünglinge. Aber es etablierte sich eben auch ein neues Image der Firma. Und BMW? Schob verstört und verzweifelt den M3 nach. Heute allerdings steht der 2.3-16 und sein Nachfolger 2.5-16 ein wenig im Schatten des überdominant populären BMW M3 E30, aber immerhin weiß jeder: Er, der Mercedes, war es, der das Konzept um drei Jahre voraus genommen hatte.

Wer nicht limitiert, ist fein raus

Wenn es ein Auto im Original in nur einer oder zwei Farben gab, so ist das für Modellautohersteller ein Albtraum. Denn heutige Kunden erwarten bei jeder Neuauflage eine neue Variante. Das ist auch notwendig, weil fast jedes Modell durch den Verweis auf seine Limitierung künstlich wertvoll gehalten wird. Ob die Limitierung nun beispielsweise mittels Sockel- oder Chassisaufdruck thematisiert wird oder nicht, spielt dabei keine Rolle – der Kunde weiß, vom jeweiligen Modell in dieser Farbe gibt es nicht unendlich viele.

Manche Modelle, bei denen ganz einfach kaum Farbvarianten möglich sind, werden von einigen Herstellern entgegen sonstiger Gepflogenheiten nicht limitiert, sondern gehören zum Standardprogramm. Ein feines Beispiel dafür sind der weiße und silberne BMW 2002 Turbo von Minichamps, die immer wieder unverändert neu produziert werden. Norev ist durch seine Firmenpolitik dabei auf der sicheren Seite, denn Norev spricht beim Standard-Fachhandelsprogramm nicht von Limitierungen. Aber natürlich sind die Modelle limitiert – eben auf diejenige Stückzahl, von welcher der Hersteller dank seiner Erfahrung weiß, wie viele er absetzen kann. Und dabei verkalkulieren sich die Profis seilten.

Gullideckel-Alus und Prada-Stiefelchen

Den Mercedes 190 E 2.3-16 gab es in zwei Farben, Blauschwarzmetallic 199 und Rauchsilbermetallic 702. Sonderlich variieren kann man das nicht. Norev könnte den 1983er Nardo-Rekordwagen machen oder jene Renner des Race of Champions anlässlich der Wiedereröffnung des Nürburgrings am 12. Mai 1984 – einem von Daimler-Benz veranstalteten Rennen, bei dem Formel-1-Weltmeister und andere Motorsportgrößen mit gleichen Fahrzeugen gegeneinander antraten. Ein damals noch relativ unbekannter Rookie namens Ayrton Senna fuhr wie entfesselt und hielt die Meute im Schach, sogar Niki Lauda musste sich ihm geschlagen geben. Das war der Beginn einer tollen Karriere, und Senna düpierte das Establishment damals genau so, wie er es später noch oft tun sollte. Daimler-Benz baute zwischen September 1983 und Juni 1988 insgesamt 19.487 Exemplare des 2.3-16.

Nun bringt Norev also seinen wilden und rotzigen „Baby-Benz“ erneut, nunmehr in Rauchsilbermetallic. Das legendäre Auto hat Norev ganz wunderbar achtzehnfach herabgezirkelt, und er kann, was sich der Sammler wünscht: alles zu öffnen, lenkbar, sogar gefedert ist er, Norev recherchierte seine Charakteristika very well, bis hin zum Becker Cassettenradio namens Avus. An diesem Modellauto gibt es schlichtweg nichts auszusetzen, und so mancher Sammler lobte seinerzeit 2021 beim Ersterscheinen des Schwarzmetallicfarbenen, die Norev-Interpretation sei noch schöner als das selige Modell von AUTOart. In Rauchsilber gab es ihn bereits, aber nicht im Fachhandel, sondern ausschließlich bei Daimler-Benz auf der Accessoireschiene, später erschien er in gleicher Farbe als Sondermodell des Großhändlers Ravensberger Handelskontor. Und nun ist er allgemein erhältlich. Der Wagen repräsentiert wie kaum ein anderes den Sex-Appeal der 80er Jahre, und wenn man ihn sieht, denkt man unwillkürlich – nicht an Ayrton Senna, sondern an glamouröse Disco-Girls mit Prada-Stiefelchen und kurzen Röcken.

afs

Eigentlich wollte Daimler-Benz mit dem 190 E 2.3-16 Rallyes fahren, wozu es aber nicht kam. Nach einer eindrucksvollen Rekordfahrt auf der Strecke in Nardo über 50.000 km entschied Stuttgart, den Sechzehnventiler im Tourenwagensport einzusetzen. Der 2.3-16 wurde zwischen September 1983 und Juni 1988 gebaut, lieferbar nur in Blauschwarzmetallic 199 und Rauchsilber 702. Einen Heckschriftzug trägt das Norev-Modell nicht.
Modellfotos: bat
Auf der britischen Insel: Rauchsilberner 16-Ventiler auf englischem Rasen, die dezenteste Farbe für den extrovertiertesten Benz jener Tage.
Foto: Kieran White

Steckbrief:

Norev 183831 Mercedes 190 E 2.3-16 rauchsilbermetallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 99,90 Euro.