Der frühe Hybrid
Modelissimo ließ sich von Norev zwei speziell lackierte Opel Diplomat B fertigen, Kosmosblaumetallic, innen schwarz sowie Saharagoldmetallic, innen beige. Ein Vorserienmodell hatten wir zu Caramini-Printzeiten auf dem Schreibtisch und kamen damit der Auslieferung um Monate zuvor. Nun haben wir ein Serienmodell hier stehen, obgleich es schon seit einiger Zeit lieferbar ist. Also sind wir mit dem Serienmodell spät dran. Statistisch gesehen liegen wir also genau richtig…
Ein Hybrid ist eine Mischung aus unterschiedlichen Ingredienzien. In der Welt des Automobils ist dies aktuell die Kombination aus Verbrennungsmotoren und elektrischem Antrieb. Was könnte also bei den in den späten 60er Jahren eingeführten Modellen der zweiten Opel KAD-Baureihe die Verwendung dieses Begriffes rechtfertigen, als dieses motorische Konzept noch nicht geboren war?
Der große Opel war über Jahre hinweg ein Verkaufsschlager und Opel verkaufte mehr Sechszylinder-Limousinen als jeder andere Hersteller in Deutschland – somit auch mehr als Daimler-Benz. Gleich nach dem Krieg war der Opel Kapitän der einzige deutsche Sechszylinder, danach, als es ab 1951 einen Mercedes 220 gab, war er der preiswerteste. Die Vorgänger des letzten, eigenständig konstruierten großen Opel waren allesamt ziemlich erfolgreiche Vertreter der automobilen Oberklasse und motorisierten standesgemäß die erfolgreichen Protagonisten des deutschen Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit. Als Abkömmlinge eines der beiden schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland etablierten amerikanischen Automobilkonzerne, trugen die „Kapitäne“ ihre Herkunft stolz zur Schau und wären ohne den Blitz im Markenzeichen auch problemlos als amerikanische Importware durchgegangen. Vom Fließheck mit Spitzkühler über erste Pontonkarosserien mit Haifischmäulern als Kühlergrill bis hin zu den modischen Panorama-Windschutzscheiben wurde treu (und opportun) jede amerikanische Automode mitgemacht. Die erste Dreiergruppe, bestehend aus Kapitän, Admiral und dem mit einem V8-Motor und 190 PS bestückten Diplomat als Spitzenmodell, rückte mit ihrer schlichten Geradlinigkeit scheinbar mehr in die Nähe europäischer Schlichtheit. Dies traf jedoch nicht wirklich zu, denn auch in Amerika wurde damals gerade das Design entrümpelt. Der als Bananenkante bezeichnete Längsknick auf der Karosserieflanke beim Chevrolet Chevy II wurde ein verbreitetes Styling Element und brachte mit dem Opel Rekord A die Stilistik aktueller Chevrolets volksnah auf deutsche Straßen. Sie fand ebenso bei den KAD-A-Modellen von 1964 Verwendung und sorgte dafür, dass der große Opel neben den neuen Mercedes S-Klassen der Baureihen 108 und 109 bestehen konnte. Leider hielt sich der technische Fortschritt bis auf den V8 Motor in Grenzen und so war es 1969 Zeit für eine grundlegend neue Fahrzeuggeneration.
Das Styling: hochwertig, aber unverstanden
Das Styling der letzten Generation (geschaffen von Hans Seer unter Leitung des Designchefs Chuck Jordan) war sehr hochwertig, blieb aber leider unverstanden. Fahrwerkstechnisch mittels hinterer DeDion-Einzelradaufhängung aufgerüstet, präsentierte sich der große Opel auch stilistisch komplett neu. Aus verschiedenen Designprototypen, die teilweise wieder sehr über den Atlantik schielten, schälte sich eine Formensprache, die amerikanische Einflüsse und europäischen Geschmack so originell wie seriös zu verbinden verstand, dass bei aller Unterschiedlichkeit doch ein Vergleich auf Augenhöhe mit den Stuttgarter Konkurrenzmodellen möglich war. Und da war er dann, der Hybrid: Die Mischung aus amerikanischem und deutschem Design machte aus der zweiten Generation einen großen Opel, der lediglich im Frontdesign des Diplomat mit seinen senkrechten Scheinwerfern unverhohlen an den berühmten Buick Riviera von 1965 anknüpfte und doch ein nobles deutsches Automobil war.
Im elterlichen Freundeskreis des Autors gab es nacheinander beide Diplomatengenerationen, verbunden mit gelegentlichen Mitfahrgelegenheiten, und es war jedes Mal ein in Watte gepacktes First Class upgrade gegenüber den ausstattungsarmen, blechern scheppernden Mittelklassegefährten des eigenen familiären Autoalltags. Die Diplomaten-Erinnerung ist also eine rundweg gute.
Norev war so nett, diese Erinnerung in ein feines Modellauto zu gießen. Alle Details stimmen, die Proportionen sind perfekt, die Erinnerung wird nirgends irritiert, bis auf die Farbe. Der Doktor aus dem Ruhrgebiet hatte ihn nämlich in seriösem Weiß bestellt und mit den „europäischen“ Radkappen ab 1972, die man bedeutend öfter sah als die beim Modell verbaute frühe Version im Turbinenlook. Aber das Modell ist eben ein früher Diplomat B mit all seinen Charakteristiken wie Radkappen, Verlauf des Vinyldachabschlusses, Logos und Schriftzügen – Norev hat sehr korrekt recherchiert. Alles in allem ein wunderbarer Flashback in die eigene Kindheit, vielen Dank an die Franzosen!
mh
Steckbrief:
Norev 183686 Opel Diplomat B 1969. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. Auflage 1000 Exemplare exklusiv für Modelissimo. UVP 79,95 Euro.