Verändern um zu verbessern
Nach einem guten halben Jahr Wartezeit: Der Opel Monza A2 von Norev kommt in den allgemeinen Fachhandel, zunächst als beryllgrüner 2.5 E. Er wurde gegenüber der Erstauflage überarbeitet und blickt aus modifizierten Augen in die Welt. Und die Welt blickt auf ihn und nickt wohlwollend: Ein richtig schöner Monza.
Es gibt Modellautos, die sehen grausig aus. Irgendwelche chinesische Modellbauer konstruierten Formen von Fahrzeugen, die sie nie live gesehen haben, nach Fotos, welche die Realität dank Weitwinkelobjektiv fatal pervertieren. Autos mit falschen Proportionen, mit falschen Wölbungen, mangelhaften Karosserieschwüngen, unrichtig platzierten Sicken und Kanten. Darüber hinaus gibt es Modellautos, die wegen des Kostendrucks so konstruiert werden, dass die Formenwerkzeuge möglichst einfach zu gestalten sind. Denen fehlt dann zumeist der untere Karosserieeinzug (im Schwellerbereich ist ein Automobil schmaler als in Höhe der Gürtellinie). Das alles wird von vielen Sammlern mehr oder weniger kritiklos akzeptiert. Weil sie die Defizite nicht sehen können. Denn das Abstrahieren von einer originalen Formgestaltung im Maßstab 1:echt in einen kleineren Maßstab, beispielsweise in 1:18, kann man nicht lernen. Das ist eine Gabe. Man hat es oder man hat es nicht. Die meisten Leute haben es offenbar nicht. Davon profitieren die Hersteller vorzüglich preiswerter Modellautos. Sie gehen davon aus, dass der Käufer kritikunfähig ist und sparen sich deshalb eine aufwendige Konstruktion.
Es macht nämlich schon einen Unterschied, ob quasi am Fließband nach Fotos konstruiert wird, oder ob ein engagierter Modellentwickler (heute heißt das Produktmanager) nach dem konkreten Vorbild des zu miniaturisierenden Fahrzeugs fahndet, dieses aufwendig durchfotografiert und CAD-Daten davon erstellt, und obendrein den Originalzustand recherchiert. Denn auch das ist ein großes Problem: Ein Auto zu finden, mag einfach sein. Und der stolze Besitzer beteuert stets die absolute Originalität seines Schatzes. Dass Originalität aber mehrdeutig ist und der heutige Eigentümer oftmals nicht weiß, was der oder die Vorbesitzer bereits veränderten, steht auf einem anderen Blatt. In dieser Disziplin muss der Produktmanager nicht nur Modellentwickler sein, sondern auch Automobilhistoriker.
Hundsgemein für ihn, den Schöpfer der Miniatur, ist, wenn das Publikum seine Mühen nicht zu schätzen weiß. Da stimmt das Auto in seiner Gesamterscheinung, hat also die korrekte Anmutungsqualität, und dann verlieren sich diejenigen, die eben nicht abstrahieren können, in Petitessen wie den Scheinwerferreflektoren und einer falsch oder nicht gemattschwärzten Gummidichtung. Aber ein anderes Automodell von einem anderen Hersteller, dessen Vorbild sie so sehr lieben, das aber en miniature fast schon die Karikatur seiner selbst ist, das loben sie über alles. Daran mag man als seriöser und engagierter Modellautoentwickler schier verzweifeln.
Scheinwerfertuning für den Monza
Norev hat Anfang 2024 einen Opel Monza A2 gemacht. Das ist die Faceliftversion des Monza zwischen November 1982 und Juni 1986. Das Modell ist sealed und kann lenken. Auftraggeber war Martin Kosmann von Modelissimo, er bekam die ersten Monzas nach eigenen Vorstellungen konfiguriert (3.0i in Silber, 3.0E in Dunkelrotmetallic, GSE in Weiß, Präsentation in Caramini-online vom 13. April 2024). Bestandteil des „Deals“ war, dass sich Norev mit seinen Fachhandelsversionen zurückhält und Modelissimo ein halbes Jahr das exklusive Verkaufsrecht hat. Dieses Modellauto ist formenbauerisch und konstruktiv erstklassig. Aber Norev leistete sich zwei Kleinigkeiten, wegen derer die Miniatur schlecht geredet wurde: eine fehlende Gummilippe des GSE-Heckspoilers in Richtung Heckscheibe und Scheinwerfer, deren Streuscheiben zu „klarglasig“ wirken und die überdies, ausschließlich beim GSE, zwei zusätzliche kleine Reflektoren haben müssten. Statt sich über den Monza zu freuen, törnten sich die Lautsprecher an diesen beiden Punkten auf und kritisierten überdies, dass die einfacheren Ausstattungsversionen (Norev konstruierte smart, kann diverse Varianten machen) Extras tragen, die im Normalfall nicht verbaut wurden – allerdings durchaus lieferbar waren (zum Beispiel der GSE-Heckspoiler oder die Recaro-Vordersitze auch für einfachere Versionen).
Nun kommt der erste Fachhandels-Monza, und Norev besserte tatsächlich nach. Ein anthrazitmetallicfarbener GSE und ein beryllgrünmetallicfarbener 2,5 E sind erschienen, ersterer auf 200 Exemplare limitiert im Norev-online-Shop und bereits ausverkauft, letzterer im Fachhandel weithin erhältlich. Am limitierten GSE ist nun die Gummilippe am Heckspoiler korrekt dargestellt, quasi ein zusätzlicher schwarzer Streifen. Und die Schweinwerfer wurden an allen Monzas korrigiert: strenger konturierte Gläser sowie nicht mehr ein Scheinwerfer für alle Monzas, sondern deren zwei, also ein zweiter für den GSE mit zwei Zusatzreflektoren. Der Autor dieser Zeilen fand die Scheinwerfer schon beim Erstling in Ordnung, jetzt mögen sie noch besser sein, und vor allem differenzieren sie zwischen Standard und GSE. Aber wer blickt auf Scheinwerferglasriffelungen, wenn er sich an einem Modellauto erfreut, das so aussieht, wie das Original? An dem winzige Kleinigkeiten verwirklicht wurden, die andere Produktentwickler nie berücksichtigen würden (zum Beispiel die Eckstücke der vorderen Fensterumrandung, die erhaben dargestellt sind)? Sind jetzt alle glücklich, nachdem die Scheinwerfergläser überarbeitet sind und die Gummilippe stimmt? Nein! Warum nicht? Weil das Beryllgrün angeblich zu dunkel gemischt wurde, zu viel grüne Pigmente enthalte, dabei ist Beryllgrün doch ein Silbermetallic mit einem kleinen Schuss Grün. Ist die Kritik berechtigt? Ja, im Vergleich mit dem Vorbild mag sie berechtigt sein. Aber das ist erneut Jammern auf höchstem Niveau, wenn man sich an anderer Hersteller Autos die Schwellerform ansieht, worüber die großen Kenner kein Wort verlieren (aber der Farbton stimmt!). „Man hat’s nicht leicht als Produktmanager“, mag so mancher Produktmanager denken. Aber dabei sollte er nicht vergessen: Innerhalb des Modellautokosmos’ hat er den absoluten Traumjob!
afs
Steckbrief:
Norev 183643 Opel Monza 2.5 E 1983 grünmetallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 69,90 Euro.