Drei Häschen
Kaum ein Rennwagen vermittelt so viel positive Gefühle, selbst für Kinder: Das intensive Türkisgrün, die fröhlichen Streifen in Magenta, Rot und Orange und dann die drei Häschen auf den Türen, die Vaillant-Häschen in der Arbeiter-Latzhose. Vaillant-Renn-Porsche sind immer populär, und Solido setzt darauf: die Häschen als Botschafter, dass jedem trüben Herbst ein Frühling mit dem Osterfest folgen wird.
Der Porsche 935 ist sattsam bekannt, Solido schlachtet die Form weidlich aus. Sie muss arbeiten, muss sich rentieren, damit die günstigen Verkaufspreise gehalten werden können. Bei einem Preis von 55 Euro muss Solido viele Porsche verkaufen, um in die Gewinnzone zu kommen. Aber das organisieren die schon: Solido-Achtzehner bekommt man mittlerweile nicht nur in der Nonfood-Abteilung von Supermärkten, sie wurden sogar schon in Baumärkten gesehen. Dorthin passt der Bob-Wollek-Wagen im Vaillant-Design besonders. Der Sponsor ist natürlich nicht der fiktive Comic-Rennstall und -Automobilproduzent Vaillant aus Frankreich, sondern der deutsche Heiz- und Klimatechnikkonzern Vaillant. Der Hase als Markenzeichen hat für Vaillant seit 1899 Gültigkeit. Seither ist er etwas moderner geworden, nicht mehr realistisch dargestellt, sondern ein Comic-Hase. Vaillant hat eine faszinierende Verbindung zum Motorsport, in den 70er Jahren engagierte sich der Heizkesselbauer beim Sponsoring von Porsche-Fahrzeugen in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft, besonders Porsche 934 und 935 trugen das Vaillant-Gewand.
Solido macht (vermeintlich) einen ikonischen Porsche 935 aus der DRM-Saison 1977. Rivalen waren Rolf Stommelen, Bob Wollek und Manfred Schurti, alle auf Porsche 935. Der Elsässer Wollek siegte im Kremer-Porsche 935 K2 im Vaillant-Livrée vier Mal, Stommelen im Loos-Porsche kam auf fünf Siege und sicherte sich den Titel. Der Liechtensteiner Schurti im Max-Moritz-Porsche siegte ein Mal, hatte aber auch einen ikonisch lackierten Wagen auf der Strecke, orangefarbenes Jägermeister-Design. In der Folgesaison 1978 sponserte Vaillant erneut die DRM, doch dies war das letzte Jahr, in dem heizkesselgrüne Porsche den Asphalt beben ließen.
2006 tauchte Wolleks alter Vaillant-935 wieder auf. Viele Spezial-Tourenwagen wurden nach 1982, nachdem sie im Reglement von der Gruppe C verdrängt worden waren, nach Skandinavien verkauft, und dort spürte ihn der Profi-Restaurator Bo Strandell auf und bescherte ihm einen über Jahre dauernden Neuaufbau: Premiere beim Le Mans Classic 2006.
Und welche Version stellt nun die Solido-Neuheit dar? Das Original von 1977? Das restaurierte Fahrzeug von 2006? Oder ein Drittes? Ja, ein Drittes, das nicht zeitgenössisch ist – aber ein konkretes Vorbild hat. Auf dem Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring startete ein Vaillant-935 (den sich Carrera und Majorette ebenfalls zum Vorbild für Miniaturen nahmen), ein restauriertes Jägermeister-K3-Fahrzeug, das „umfoliert“ wurde, um bei diesem Event als Vaillant aufzutreten. Solido hat also kein Phantasierfahrzeug erschaffen. Aber Solido bezeichnet es als 1977er Original, was zumindest eine Irreführung ist. Aber letztlich macht das nichts. Die Lackierung ist attraktiv und populär, das Modell ist schön umgesetzt, und bei einem 55-Euro-Modell darf man nicht päpstlicher sein als der Papst.
Auf dieses dritte Fahrzeug wäre der Autor von selbst nicht gekommen. Er verglich das Solido-Modell mit Originalaufnahmen und stellte unerklärliche Diskrepanzen fest, auch zwischen Modell und restauriertem Fahrzeug. Die Erkenntnis, dass es einen Kurzzeit-Event-Folianten gibt, ist der „Schwarmintelligenz“ des Model Car Forums zu verdanken. Ehre, wem Ehre gebührt! Und mit fremden Federn schmückt man sich nicht.
afs
Steckbrief:
Solido S1807205 Kremer-Porsche 935 K3 ‚Vaillant‘ 1977 (Bob Wollek, # 51). Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 54,95 Euro.