Der Magyar
Csepel ist eine Donauinsel in Ungarn und eine Lastwagenmarke in Ungarn. In der DDR kennt man den Csepel D-450 gut, er wurde mannigfach importiert und er hatte das wohl am schönsten gestylte 50er-Jahre-Lkw-Fahrerhaus im Ostblock. Premium Classixxs verwöhnt uns mit dem ungarischen Beau.
Aus einer Eisengießerei wurde im Ersten Weltkrieg die größte Waffenschmiede Österreich-Ungarns, wozu in der Zwischenkriegszeit Militärfahrzeuge kamen, 1947 Verstaatlichung zu den Csepel-Automobilwerken mit Lastwagen nach österreichischer Steyr-Lizenz, Motorräder (250er, die in den USA als „White“ verkauft wurden) und Fahrräder. Interessant: Der erste Direktor der Fabrik war eine Direktorin, Ferencné Bíró, eine Ingenieurin, die in Moskau studiert hatte. Auf der Insel Csepel entstanden ab 1949 Hauben-Lastwagen nach dem Vorbild des Steyr 380 und ab 1960 Frontlenker, auch Export in die DDR (vor allem als Milchtankwagen). Während das Frontlenker-Fahrerhaus ab 1968 identisch zu jenem des Steyr 880 war, wurde der 100-PS-Vierzylinder-Diesel-Hauber 1957 optisch überarbeitet, erhielt ein etwas rundlicheres Fahrerhaus mit nach vorne gepfeilter Motorhaube, das Vorbild der bis 1968 gebauten Premium-Classixxs-Neuheit. Es war ein Zulieferteil und stammt vom ebenfalls ungarischen Omnibusfabrikanten Ikarus. 1968 wurden die Karten neu gemischt, Csepel erhielt andere Aufgaben, wurde Ikarus-, Jelcz- und Star-Zulieferer, baute Rába-Lastwagen und -Motoren unter MAN-Lizenz, 1975 Ende des Motorenbaus, 1976 bis 1980 Lohnfabrikation des Volvo C202 Laplander aus schwedischen Bausätzen für Volvo, 1993 Bankrott, weil Ikarus die Zulieferteile nicht mehr bezahlte. Aber es ging weiter, Csepel existiert noch heute, jedoch ausschließlich als Komponentenproduzent für Pkw- und Lkw-Hersteller.
Ein typischer 50er-Jahre-Hauber, fast schon wollüstige Formen
Schon länger bietet die Model-Car-World-Marke Premium Classixxs den älteren Hauber Csepel D-344 an, neu ist der modifizierte 4,5-Tonner D-450 in diversen Varianten: Pritschenwagen mit und ohne Plane sowie Pritschenkipper in jeweils unterschiedlichen Farben, alle zum selben Preis von 75 Euro. Wir haben uns zwei Pritschenwagen ausgesucht, hellblau mit Plane und dunkelrot ohne, dieser in Diensten der Radeberger Pils-Brauerei (aus Radeberg bei Dresden), jeweils mit weiß lackiertem Dach, was dem schönen 50er-Jahre-Design zusätzlichen Nierentisch-Charme verleiht. Wie bei Premium Classixxs üblich, handelt es sich nicht um Eigenkonstruktionen, sondern um umgelabelte Modelle des russischen Herstellers Start Scale Models (SSM), gefertigt in China. Bei SSM gibt es die Modelle in leicht anderen Konfigurationen und Farben, zum Beispiel den Pritschenlaster auch in Militärausführung. Die Preise dort sind identisch zu den Premium-Classixxs-Modellen. Da bestellt man doch lieber in Flörsheim bei Model Car World als im russischen Kostroma bei SSM direkt!
Der Csepel ist in Mischbauweise gefertigt, mehrheitlich aus Kunststoff. Lediglich das Fahrerhaus ist ein Zinkdruckguss-Teil. Den Materialmix sieht dem Modell niemand an, es gibt keine „Farbsprünge“ zwischen Metall und Plastik – was auch daran liegt, dass die in Fahrerhausfarbe lackierte Pritsche seidenmatt gehalten ist, was realistisch aussieht. Denn lackiertes Holz glänzt meist nicht so sehr wie lackiertes Blech. Die Detaillierung ist vorbildlich, ein wunderschönes Fahrgestell mit viel Technik, auch die Rückleuchten sind nun separate Teile (waren sie bei früheren SSM- = Premium-Classixxs-Lastwagen nicht immer), überhaupt sind die Anbauteile vielfältig: Außenspiegel, Peilstangen, Fotoätz-Scheibenwischer, Türgriffe, mehrteiliges und mehrfarbiges Interieur, weißes Lenkrad, und die Zweifarbenlackierung des Fahrerhauses ist höchst akkurat ab- und umgesetzt. Der „Radeberger“ ist planenlos (natürlich wären ein paar Bierkästen als Ladung nett, aber man kann nicht alles haben), der Hellblaue trägt eine etwas ungewöhnlich geformte Plane, deren Oberfläche und Faltenwurf realistisch nachgebildet sind und die zwei „Fenster“ je Seite trägt, allerdings zugeklappt. Wofür dieses? Weil auf der Pritsche durchaus Holzbänke befestigt sein könnten und der Csepel somit dem Mannschaftstransport dienen könnte – ehedem Gediente älteren Semesters kennen das vom MAN 630 L2AE, auf dem sie den Lkw-Führerschein machten. Man sitzt nicht gut, sondern sehr hart, aber man sitzt wenigstens. Die „Transportware Mensch“ hockt dann wenigstens nicht im komplett Dunkeln.
Der Csepel, wir wiederholen uns, ist ein richtig schön geformter Haubenlastwagen mit typisch nach vorne gepfeilter Motorhaube, etwas bacchantisch geformten Kotflügeln, geteilter Windschutzscheibe, 50er-Jahre-Design comme il faut. Wer alte Hauber mag, wird den Csepel mögen. Und wer Fan von Radeberger Pils ist, braucht ihn nochmals mehr.
afs






Modellfotos: bat

Foto: Archiv afs/Letzner
Steckbrief:
Premium Classixxs PCL47180 Csepel D-450 Pritsche „Radeberger“ 1958 dunkelrot und PCL47179 dito mit Plane hellblau. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:43. UVP je 74,95 Euro.