Aurus Senat für 20 Euro gefällig? Bitteschön…!
Manches, das man will, bekommt man nicht einfach so im Laden. Das gilt auch für Neuware. Vor allem, wenn sie aus Russland kommt. Wir bildeten uns einen Aurus Senat ein, die normallange Version, nicht die Staatslimousine. Es gibt ein nett gemachtes Spielzeugauto in 1:43. Wer sucht, der findet.
An Russenmodelle aus aktueller Produktion heranzukommen, ist momentan nicht einfach. Vom Ebay ist Russland seit dem Krieg völlig abgeschnitten, und wir sind mehr oder weniger von Informationen abgeschnitten. Was gibt es für Modellautoneuheiten dort, welche Kioskserien laufen aktuell? Natürlich wird dies alles publiziert, auch im Netz, aber da die Händler nahezu nichts mehr in die Europäische Union verkaufen können, beschränken sie sich auf die Informationen für das Inland. Die erfolgen in kyrillischen Buchstaben, die zu lesen wir nicht mächtig sind. Umgekehrt geht es den Russen. Sie bekommen kaum noch Ware aus dem Westen. Nicht, weil Modellautos von Sanktionen betroffen sind (sie sind es nicht!). Aber viele westliche Unternehmen exportieren aus opportunen Gründen nicht mehr nach Russland. Und selbst wenn sie es tun möchten, so gelingt es ihnen zumeist nicht, weil die wenigsten Speditionen noch Russland anfahren. Und diejenigen, welche es tun, lassen sich diesen Service sehr teuer bezahlen.
Der Aurus im S-Klasse-Format
Wir sahen im Netz einen Aurus Senat in 1:43. Nicht die Staatslimousine Senat L700, die sattsam bekannt und mehrfach miniaturisiert ist. Sie gab es bereits 2020 in 1:18 und in 1:43 von CMF als schwarzes sowie in 1:43 von Schuco als weißes Resinemodell, darüber hinaus ein recht exquisites Kleinserienmodell von DiP aus Russland. Aber der Aurus Senat existiert nicht nur als Kreml-Paradefahrzeug, sondern auch als normale Luxuslimousine im Mercedes-S-Klasse-Format (Senat S600, 5,63 m lang), und den wollten wir haben. Weder ein westlicher noch ein russischer Modellauto-Hersteller nahm sich seiner bisher an, unseres Wissens auch nicht Ixo im Rahmen einer Kioskserie. Aber wir fanden einen im Netz, natürlich auf einer russischen Seite. Zwar wird er international angeboten, aber das Risiko (und die Nebenkosten für Porto und Zoll) waren uns zu hoch. Also auf die Suche gegangen und tatsächlich zwei Exemplare in Deutschland gefunden, ein schwarzes für 30 und ein dunkelrotmetallicfarbenes für 20 Euro. Letzteren Aurus bestellt, erhalten, für nett befunden.
Zwar ein Spielzeug, aber sehr nett
Es handelt sich um ein 1:43-Diecast-Modell, ein typisches China-Spielzeug mit Rückzugmotor und zu öffnenden Türen an kruden Scharnieren. Derartiges gibt es hierzulande im Spielzeuggeschäft, in Souvenirläden oder Kaufhäusern, Preis zumeist zwischen 8 und 12 Euro. Gut, der Aufpreis ist dem Exotenstatus geschuldet, und wenn man etwas haben möchte, so muss man dafür zahlen. Außerdem tun 20 Euro einem Modellautosammler wahrlich nicht weh, der ist andere Preisdimensionen gewöhnt. Aber er kauft gewöhnlicherweise auch kein aktuelles Kinderspielzeug…
Der Hersteller heißt Technopark. Aber Technopark ist wohl eher der Auftraggeber, und der Hersteller dürfte einer der üblichen Verdächtigen aus China sein, der derartige Aufträge ausführt. Motormax beispielsweise macht eine Serie russischer Automodelle unter dem Namen Autotime, Hongwell vermarktet die seinen unter Nash Avtoprom. Hinter Technopark steckt die Daxiang Plastic Toy Products Co. in Shantou City, und weil die Eintragungen im Netz zu dieser Firma nahezu ausschließlich in russischer Sprache sind, schließen wir, dass sich Daxiang auf den russischen Spielzeugmarkt spezialisiert hat. Die Marke Technopark gibt es seit ungefähr zehn Jahren, das Angebot ist groß und vielfältig, Spielzeugautos im Matchbox-Maßstab, etwas größer in 1:36 bis 1:43 mit Rückzugmotor, PKW, LKW, Baumaschinen, Feuerwehren, Funktionsmodelle; Technopark bietet auch etliche Sets mit thematischen Zusammenstellungen an. Inhaltlich dominieren russische Fahrzeuge, aber es gibt auch genügend Nicht-Russen, die in Russland eben halbwegs bekannt sind.
Der Maßstab des Modells wird nirgends angegeben, aber es passt in eine 1:43-Sammlung, und das Nachmessen und -rechnen ergab den Maßstab 1:41,7. Da uns noch nie ein Aurus Senat begegnete, können wir das Modell nur nach Vorbildfotos beurteilen, und da hat Technopark unserer Meinung nach im Rahmen der Vorgabe, ein preiswertes Spielzeug zu produzieren, gute Arbeit geleistet. Die Form scheint zu stimmen, die Proportionen und Dimensionen auch. Die Machart ist billig. Zwar sind die Chromteile silbern bedruckt, aber nicht sehr akkurat. Der Grill ist Bestandteil der Karosserieform, immerhin sind die Scheinwerfer und Rückleuchten separat eingesetzte Teile. Auf dem Kofferraumdeckel findet sich das „Aurus“-Logo als Druck, die Kennzeichen sind mit „Aurus Senat“ bedruckt, die Felgen geben die Originale recht brauchbar wieder. Das alles steht für ein gutes Verdikt, wäre da nicht die Lackierung. Die ist unterirdisch (zumindest an unserem Exemplar): Sie glänzt zwar, die Oberfläche weist aber rundum eine Apfelsinenhaut auf, überdies sind die Metallicflakes im Lack viel zu groß. Der Innenraum ist korrekt, aber einfach gehalten, die Vordertüren öffnen an vorgestrig wirkenden Doglegs.
Ein engagierter Modellbauer würde diesen Aurus Senat zerlegen (was einfach ist, weil geschraubt und nicht genietet), ablaugen, die Vordertüren für immer verschließen und ihm eine vernünftige Lackierung spendieren. Dann wäre er ein sehenswertes, schönes Modell. Sehenswert ist er im Auslieferungszustand freilich auch, und er besticht durch seinen Exotenstatus. Wer hat schon einen kurzen Aurus Senat in der Sammlung stehen? Dieses seltene Vergnügen kostet gerade mal 20 Euro, wenn man denn einen auf Ebay in Deutschland findet.
afs



Modellfotos: bat


Foto: Krassotkin

Foto: Alexander Migl