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News 1:87 V&V

Das Ende einer Produktlinie – Nur noch Bausätze

Die schönen V&V-Miniaturen in 1:87 gibt es nur noch als Bausätze. Die Produktion der Fertigmodelle wurde eingestellt, Restbestände werden abverkauft. Der Firmeninhaber Frantisek Vecernik ist schwer krank und der immer weiter steigende, staatlich diktierte Mindestlohn in Tschechien macht die Fertigmodellproduktion unrentabel.

Wir wollen gute Nachrichten verbreiten. Caramini-online ist ein Hobby-Blog, und das Hobby soll ausschließlich Freude bereiten. Schlechte Nachrichten wollen wir den anderen überlassen – und sie haben damit genug zu tun. Aber es gibt nun einmal auch traurige Neuigkeiten im Modellautobereich, und die können wir nicht des angestrebten Optimismus’ wegen unterschlagen. Von V&V aus Tschechien erreichen uns bedenkliche Nachrichten.

V&V ist das Unternehmen von Frantisek Vecernik aus Varnsdorf. Er fertigt seit 1990 Resine-Kleinserienmodelle in Tschechien. Er selbst erstellt die Urmodelle und erledigt den Formenbau, gegossen, montiert und lackiert werden die Modelle vor Ort von fest angestellten Damen in einer Werkstatt. Qualitativ sind sie durchaus mit Chinamodellen à la BoS vergleichbar (diesen teilweise sogar überlegen), preislich waren sie es bislang auch. Das zeigt, dass schöne Miniaturautos durchaus auch made in Tschechien sein können und nicht unbedingt made in China sein müssen. Von irgendwelchen Imponderabilien abgesehen, ist ihre Umweltbilanz sicherlich besser: Varnsdorf liegt 50 km von Bautzen, 100 km von Dresden und einen Steinwurf von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt. Tschechen in Varnsdorf sprechen in der Regel besser deutsch als Chinesen englisch sprechen. Vieles spricht also für die Produktion dort… – Doch diesen Satz sollte man heute ins Präteritum setzen: Vieles sprach für die Produktion dort.

Vecerniks Modelle sind klassisch aufgebaut mit Karosserie, Bodenplatte, Innenausstattung, Verglasung. Die Räder bewegen sich sogar. Scheibenwischer, gegebenenfalls auch Kleinteile, liegen als Fotoätzteile bei. Die Spritzlackierung ist hervorragend ausgeführt und hat den richtigen Glanzgrad. Sie glänzt nicht so sehr wie so manche Chinalackierung mit drei Klarlackschichten, aber ein Škoda von vor 70 Jahren glänzte auch nicht wie ein in den USA überrestaurierter Klassiker. Die silbernen Details, also Zierleisten und Radkappen, auch die Kennzeichen und roten Rückleuchten sind keine Druckwerke, sondern von Hand lackiert. Die Innenräume sind lackiert, auch hier gesilberte Details, Lenkräder realisiert V&V meist als lackiertes Fotoätzteil. Die Bodenplatte, ebenfalls Resine, ist unlackiert und mattschwarz. V&V-Modelle haben ungemein viel Charme, sind liebenswerte Miniaturen, und der Urmodellbauer versteht sein Handwerk. Formfehler erkennen wir nicht, die Gravuren sitzen richtig und haben die angemessene Tiefe, die Gussoberfläche ist prima, die Lackierung auch. Rundum schöne Modelle.

Breites Angebot, nicht nur Ostblock

V&V spezialisierte sich auf Ostblock-Fahrzeuge, vorzüglich aus der ČSSR, aber auch DDR-Fahrzeuge wie den AWZ P70 Zwickau als Coupé oder den Sachsenring P240 als Kombi. In der Print-Caramini haben wir während der vergangenen Jahre etliche davon vorstellen können, wir bezogen sie vom Online-Shop Modell-Mobil Dresden, dessen Inhaber Matthias Schmidt auf Ostblock-Kleinserien spezialisiert und V&V-Distributor ist. V&V produzierte nicht nur unter eigener Marke, sondern auch im Auftrag. So stammten die meisten Resine-Kleinserienmodelle von S.A.I. aus Frankreich aus Vecerniks Hand, auch etliche Volvos für den schwedischen Volvo-Club, und für Arwico in der Schweiz produzierte er auch. Zusätzlich zu den H0-Modellen gibt es auch TT- und N-Miniaturen. Neben den Franzosen und Schweden miniaturisierte V&V auch westliche Personenwagen ganz unterschiedlicher Couleur, vom englischen Ford Anglia 105 E über deutsche Vorkriegsfahrzeuge wie den Adler Standard 6S 12/50 PS von 1928 bis hin zum Ferrari 250 GT/L Berlinetta Lusso von 1963, Cisitalia 202 SC und zum Bentley Continental R von 1952. Manchmal krätschten ihm die Großserienhersteller dazwischen und brachten ihrerseits 1:87-Miniaturen, die Vecernik zuvor schon hatte (vor allem Herpa und Brekina sind derartige Missetäter), aber ein Plastik-Großserienmodell schmälert die Freude an einem von Hand gefertigten Resine-Modell bekanntlich nicht.

Ohne den Chef gibt es keine Neuheiten

Die letzte Formneuheit aus der böhmischen Resine-Manufaktur erschien 2020, der Jaguar XK 150 in drei Versionen. Damals war Frantisek Vecernik bereits krank, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Mal ist er im Hospital, dann in der Reha, aber in der Werkstatt ist er nicht mehr. Seine Tochter Lenka „schmeißt den Laden“, so gut sie kann, und lanciert existente Modelle in neuen Farben. Aber ohne Frantisek Vecernik gibt es eben keine neuen Formen und somit keine neuen Modelle. Erschwerend kommt hinzu, dass die tschechische Regierung den dortigen Mindestlohn permanent erhöht. Er wurde im Januar 2024 auf 780 Euro pro Monat festgelegt, nachdem er 2020 bei rund 570 Euro und 2022 bei etwa 650 Euro gelegen hatte (gerundete Zahlen, weil umgerechnet aus tschechischen Kronen). Das kann V&V seinen Damen mit den goldenen Händchen nicht bezahlen, denn ohne Neuheiten und nur mit Farbvarianten läuft das Geschäft nicht rund. Zum Jahresende 2023 musste V&V ihnen kündigen, die Montage-Werkstatt ist nun verwaist. Damit wurde die Produktion von V&V-Fertigmodellen eingestellt. Was noch in Varnsdorf vorhanden ist, wird direkt vermarktet, Händler oder Distributoren werden nicht mehr beliefert. Diese bekommen künftig nur noch Bausätze.

Ein Ende mit Schrecken statt des Schreckens ohne Ende

Doch auch die Fertigmodelle waren zuletzt schwierig abzusetzen. V&V hatte die Preise im Sechs-Monats-Rhythmus erhöht (Stichwort: Löhne, Material, Energie). Manche V&V-Modelle wie die aufwendig gemachten Jaguar XK 150 kosten heute schon 45 Euro als Fertigmodell, andere sind noch für 25 Euro zu haben. Bei V&V weiß man, dass kaum jemand 45 oder mehr Euro für einen H0-Personenwagen bezahlen möchte oder kann. Diese Erkenntnis führte zur Entscheidung, künftig keine Fertigmodelle mehr anzubieten.

V&V bedient in Deutschland mehrere Distributoren und Händler. Von Matthias Schmidt erfuhren wir vom Dilemma des böhmischen Kleinserienherstellers. Sein Online-Shop Modell-Mobil Dresden (www.modellmobildresden.de) ist noch gut mit V&V-Fertigmodellen sortiert. Aber Nachschub wird es nicht mehr geben. Eben nur noch Bausätze. V&V selbst bietet noch vorhandene Fertigmodelle auch über den eigenen Webshop an (www.vvmodel.cz), die dort, also direkt beim Hersteller, sogar teurer sind als bei Modell-Mobil Dresden (Beispiel: Jaguar XK 150 in Dresden 45, in Tschechien 47 Euro, dazu natürlich Auslands- statt Inlandsporto). Wer V&V-Modelle mag, sollte sich sputen und sich mit dem eindecken, was ihm fehlt.

afs

Die Kernkompetenz von V&V konzentriert sich natürlich auf tschechische Vorbilder. Vom Škoda 1101 und 1102 Popular gibt es eine ganze Modellfamilie.
Modellfotos: bat
Der Tatra 603: Wohl das Modell, das sich (mit) am besten verkauft, innerhalb Tschechiens ebenso wie im Export. Im Bild der T 603-3 von 1969 ein- und zweifarbig. Es gibt auch den Ur-603 von 1958 und den 603-2 von 1963 sowie die berühmten Rundstrecken-Tatras (Marathon de la Route).
V&V widmet sich auch des Nachfolgers, sogar ziemlich ausführlich. Hier der ursprüngliche T 613 von 1975 und ein T 623 K Landaulet Paradefahrzeug von 1984.
Der letzte Tatra-Personenwagen, der T 700 von 1996, ist als V&V-Modell nicht aus Resine, sondern aus Metall, was man seiner Wandstärke an den Fensterpfosten gut ansieht. Er ist zwar hervorragend lackiert, wirkt aber gegenüber den Resine-Miniaturen viel gröber.
V&V deckt auch für DDR-Sammler ab, was die Großserienhersteller vernachlässigen: So gesellt sich beispielsweise zum Herpa P70 Zwickau als Limousine und Kombi das Coupé von V&V und macht die Familie komplett.
Deutscher Vorkrieg, also weder West noch Ost: Adler Standard 6S 12/50PS (Ambi-Budd) 1928, eine prächtig gestaltete Miniatur.
Das Auto, das vieler Kinder Lieblings-Matchbox war: Ferrari 250GT Berlinetta Lusso (Pininfarina) 1962. V&V getraute sich nicht, den Namen „Ferrari“ zu verwenden, hätte es aber dürfen. Denn als das Modell erschien, war der Ferrari weit älter als 25 Jahre.
Das letzt V&V-Modell und so mancher sagt, es sei auch das beste: Jaguar XK 150 in diversen Varianten, hier als blaues FHC Coupé von 1957 und als roter OTS Roadster von 1958.