Biene, Ulrich: Der Pirol an der Zapfsäule. Minol – Geschichte und Geschichten. Halle (Mitteldeutscher Verlag) 2025, 160 Seiten. ISBN 978-3-96311-964-4. Preis 24 Euro.
Minol – die alleinige Spritmarke der DDR, die automobile Infrastruktur des Alltags für Trabanten und Wartburgs. Ulrich Biene hat ein Büchlein über die Geschichte der DDR-Tankstellenmarke geschrieben und damit eine Lücke geschlossen. Eine Monographie über Minol gab es noch nicht. Schwerpunkt seines Buches ist der Zeitraum von 1949 bis 1999. Wer heute noch an einer Minol-Tankstelle tanken möchte, muss nach Heidenau, Wesenberg oder Zeitz fahren. In der Nähe von Stuttgart gibt es ebenfalls eine Minol-Station, die West-Minol hat aber mit der DDR-Marke nichts zu tun und erfährt von Biene keine Würdigung. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls gab es noch 1300 Tankstellen auf dem Gebiet der DDR.
Biene beleuchtet viele Aspekte der Tankstellengeschichte. Er geht auf die Ausbaupläne der Minol-Zentrale in Berlin ein. Sie präsentierte ihr Ausbauprogramm der Tankstelleninfrastruktur Anfang der 60er Jahre. Darin waren fünf Tankstellentypen vorgesehen, doch die Realisierung scheiterte an der Planwirtschaft und der daraus resultierenden Mangelwirtschaft. Biene hat Fotos der Modelle der Tankstellentypen abgebildet und eine Skizze des Entwurfs des Tankstellentyps V. In der DDR waren bis in die 60er Jahre noch die Vorkriegs-Tankstellen in Betrieb und sollten im Sinne des modernen und wohlhabenden Sozialismus’ durch Neubauten ersetzt werden. Biene schildert exemplarisch die Verhältnisse der Tankstelle in Saßnitz auf der Insel Rügen. Sie befand sich an einer abschüssigen Straße, was zu gefährlichen Situationen führte. Bereits im Frühjahr 1960 plante die Minol-Zentrale einen Neubau. Die Kommune freute sich darüber und machte Grundstücke für den Neubau frei. Es mussten sogar Kleingärtner weichen. Doch die Tankstelle kam nicht. Es lag an den vollautomatischen Zapfsäulen der Vaka-Werke in Halle, die Lieferung blieb aus. Immer wieder wurde das Projekt verschoben, teilweise ganz gestrichen, bis dann 1968 tatsächlich ein Neubau erfolgte, wenn auch nicht so groß wie ursprünglich vorgesehen.
Wie Tankwarte mit dem Mangel zurecht kamen, zeigt Biene am Beispiel der Tankstelle in Schwarzenberg im Erzgebirge. Tankwart Lothar Hahn berichtet als Zeitzeuge über seinen Alltag. Er war gelernter Kraftfahrzeugschlosser und arbeitete ab 1950 als Tankwart. Er bekam ein festes Gehalt von Minol und führte die Tankstelle. In den 50er Jahren kam es häufig vor, dass Hahn zu wenig Kraftstoff geliefert bekam. Deshalb besorgte er sich einen Traktor und holte sich seinen Sprit selbst ab. Später klappte die Lieferung wesentlich besser. Außerdem baute Minol einen Erdtank mit 5000 Litern und einen Großbehälter mit 20.000 Litern Volumen – Schwarzenberg wurde dadurch zur Großtankstelle. Hahns Tankstelle war ein Geheimtipp und letzte Hoffnung, wenn an den anderen Tankstellen der Brennstoff ausverkauft war. Eine Hackordnung der Fahrzeuge gab es auch bei Hahn. Lange Autoschlangen vor den Tankstellen waren normal. Krankenwagen und Fahrzeuge der Polizei mussten nicht anstehen und durften vor. Hahn beschreibt, dass nach dem Leitbild der Minol der Tankwart immer freundlich und hilfsbereit sein musste. Mit dem Ende der Minol-Tankstelle in Schwarzenberg 1993 endete auch Hahns Berufsleben. Er ging in Rente.
Trotz des Willens um moderne Tankstellen und des gut gemeinten Leitbilds („Stets dienstbereit zu Ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol“) war auch der Tankalltag der Menschen in der DDR durch Mangel geprägt. Wie Biene den Tankalltag beschreibt, war spontanes und schnelles Tanken eher unrealistisch. Gerade bei Urlaubsreisen wurden die Route und das Tanken genau geplant. Allerdings gab es Engpässe in den Urlaubsgebieten, vor allem an der Ostsee. Da konnte es schon passieren, dass kein Sprit mehr verfügbar war.
Biene widmet sich in seinem Büchlein dem Markenmaskottchen Minol-Pirol. Das gelbe Tier – eine Mischung aus Ölkanne und Vogel – grüßt schon auf dem Titelblatt und ist im Buch mehrmals abgebildet. Biene beleuchtet auch die Werbeaktivitäten des VEB Kombinat Minol. Erinnerungen dürften die zeitgenössischen Aufnahmen von Tankstellen und Werkstätten wecken. Somit kann man sich mit diesem Buch auf die Zeitreise in die DDR-Vergangenheit begeben und sich daran erfreuen, dass Tanken heute unkomplizierter ist. Dafür gibt es keine netten Tankwarte mehr und der Minol-Pirol ist nur noch auf Ebay präsent.
Und wer sich wundert, warum in Pleidelsheim in der Nähe von Stuttgart eine der letzten Minol-Tankstellen existiert, der sollte sich mit der Urgeschichte von Minol befassen. Werner Lehmann sen. gründete 1948 die Minol Mineralölimport in Stuttgart, „Minol“ als Abbreviatur von Mineralöl. 1950 gab es die erste Minol-Tankstelle in Stuttgart. Die DDR gründete das VEB Kombinat Minol erst 1956. Die Namensgleichheit, so schreibt das Stuttgarter Unternehmen (Brunata Minol) auf seiner Homepage, sei zufällig gewesen und nicht gewollt.
bat