Korp, Dieter: NSU Ro 80. Die Geschichte des Wankelmotors. Stuttgart (Motorbuch-Verlag) 2024. 264 Seiten. ISBN 978-3-613-04648-1. Preis 49,90 Euro.
Dieter Korp ist einer der wenigen Motorjournalisten, die den Dunstkreis der Benzinpresse verlassen und bis in die Feuilletons der Tageszeitungen und Wochenmagazine aufsteigen konnten – dank seiner 1963 aufgelegten Buchserie „Jetzt helfe ich mir selbst“. Die entstand aus Ärger über die Empfehlungen der Autoindustrie, schon bei leichten Zündaussetzern den Fachmann in der Werkstatt aufzusuchen und inzwischen „eine Tasse Kaffee (zu trinken),… während er das Auto überprüft“.
So steht’s geschrieben, beispielhaft für die anderen Autofirmen, in der Betriebsanleitung für den NSU Ro 80, womit ich beim Thema wäre. Zu diesem Auto hegte Korp ein ganz besonderes Verhältnis, zum einen, weil er nah dran war an Felix Wankel mit seiner fallweise lebensverändernden Überzeugungskraft – es gibt Leute, die nach kurzer Bekanntschaft nur noch Ro 80 fahren wollten -, zum anderen, weil dieses Auto dank Technik und Design uneinholbar nach Zukunft roch. Die Aufregung in der Autowelt beim Stapellauf 1967 war vergleichbar mit dem Blättersturm, den der Tropfenwagen von Edmund Rumpler 1921 ausgelöst hatte, zufälligerweise Geburtsjahr von Korp. Nur mit dem Unterschied, dass der Ro 80 nachbartauglich und nimbusfähig war. Im Tropfenwagen hingegen wollte niemand gesehen werden, zu weit vorausgedacht auf Kosten der Praktikabilität.
Verständlich, dass sich Korp näher mit Wankeltechnik und Ro 80-Entwicklung beschäftigte. Sein Vorhaben, eine umfassende Wankel-Studie zwischen zwei Buchdeckeln abzuhandeln, scheiterte an der schieren Masse an interessierendem Stoff. Worauf er seine selbst gestellte Aufgabe zweiteilte: Teil 1, das Protokoll einer Erfindung, 222 Seiten, erschien 1975 und geht auf die technische Entwicklung und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Wankelmotors ein. Teil 2, NSU Ro 80 – Die Geschichte des Wankelmotors, kam 1993 auf den Markt.
Und 2024, als „unveränderter Nachdruck der 1. Auflage von 1993“, wie der Motorbuch-Verlag Stuttgart, der auch das Protokoll... herausgebracht hatte, versichert. Auf 264 Seiten steht also nichts Neues, schon deshalb nicht, weil Korp 2015 verstorben ist. Das Buch sollte nach seiner Ansicht das Protokoll... insofern ergänzen, als hier ein Gesamtüberblick über „die noch fehlende Geschichte der deutschen Wankel-Epoche“ geboten wird, mit gelegentlichem Seitenblick auf Japans Toyo Kogyo/Mazda „und bis zur langsamen Einschläferung der Rotations-Idee durch VW/Audi“.
So streift Korp nur kurz die Vorspiele (Dreh- und Kreiskolbenmotor, Ski-Craft, Wankel-Spider) und rollt anschließend die Entwicklungsgeschichte des Ro 80 auf – auch hier zweigeteilt: Zum einen den Formfindungsprozess von Chefdesigner Claus Luthe, zum anderen den „zunächst hoffnungsfrohe(n), dann immer mühsamer werdende(n), pionierhafte(n) Marsch zum Serienmotor KKM (Kreiskolbenmotor) 612 … das Herz für den Ro 80“. Wobei er nicht verschweigt, dass NSU viel Zeit für die universale Anwendung des Wankelmotors verschwendete und sich nicht, wie Mazda, von vorneherein auf einen Zweiläufer-Motor für Automobile konzentrierte, wie es der Buchtitel vermuten lässt. Die im nachhinein als unglücklich empfundene Strategie rächte sich mit halbgaren Motoren, die das Werk zur Rücknahme zwangen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Jahresbilanzen.
Am Ende aber waren es nicht technische oder weltpolitische Gründe, Stichwort „Ölkrise“, die den inzwischen „gesundeten Ro 80“ vom Band kickten, sondern, laut Korp, „das exotische Ro-80-Triebwerk, … (das) nicht in diese Planung (passt)“. Gemeint ist die Vorbereitung auf ein Motor-Baukasten-System des Volkswagen-Konzerns, der NSU 1969 via Audi übernommen hatte. „Der Fusion folgt, wie üblich, die Konfusion“, ätzt Korp weiter, denn das nun aus VW-, Audi- und NSU-Modellen bestehende Produktionsprogramm mit seinen einander nicht ergänzenden Antriebskonzepten (Hub- und Kreiskolbenmotor, Luft- und Wasserkühlung, Front- und Heckantrieb) torpedierte sämtliche Rationalisierungsmaßnahmen. „Der neue VW-Oberhirte Schmücker, … sonst eher schweigsam an der Pfeife saugend, legte denn auch bald … den Finger in die Wunde: ’An diesem Wagen ist nichts verdient.’“
Genugtuung empfindet Korp, „wenn man den Ro 80 in einem Atemzug mit den Jaguar-Limousinen nennt“, damals Sinnbild für schmissige Formgebung und Noblesse. Den Motor hingegen beurteilt er als „einfach im Aufbau, doch schwer zu begreifen. Er besitzt weniger Teile und gilt dennoch als teuer in der Produktion … Des Motors Grundzüge sind mathematisch schwer zu berechnen, doch Wankel ist nach eigenem Urteil mathematisch nicht begabt … Er wird mit der Idee reich, aber NSU macht sie arm“. Weise Erkenntnis.
Ein Buch, das kaum noch Wünsche unerfüllt lässt, zumal auch die Modellpflegemaßnahmen Jahr für Jahr gelistet sind. Halt: Einen Wunsch hätte ich noch: In ein Sachbuch gehört nun mal ein Sach- und Personenverzeichnis. Ich freu’ mich schon auf die dritte Auflage.
Erik Eckermann