Toyota King-Daddy Century
Konservativ, erzkonservativ, Toyota Century. So könnte die Steigerungsformel lauten (ob sie sich durchsetzen wird?). Almost Real macht die zweite Century-Generation, formal stockkonservativ, konstruktiv eine modellbauerische Offenbarung.
Wer alle Toyotas aktuell sehen wollte, und das sind sehr viele unterschiedliche Fahrzeuge, besuchte in Tokio den Toyota Auto Salon Amlux im Stadtviertel Ikebukuro. Das war der einzige Ort, wo das komplette Programm ausgestellt wurde – sogar der unerreichbare Century, den Toyota zwar gegen Geld abgibt, aber nicht normal verkauft, sondern nur an very important Persons verteilt. Und Toyota alleine entscheidet, wer very important ist. Bei Amlux stand er im Showroom. Und man bekam Prospekte von jedem Modell, richtige Prachtkataloge. Einzig vom Century nicht. Aber das war bekannt. Auch Schreiben an Toyota half nichts. Century-Prospekte wurden nicht herausgerückt, nur an potentielle Kunden vergeben.
Warum Amlux so besonders war? Toyota hat in Japan eine für uns ungewohnte Händlerstruktur. Es gibt „Stores“ für die unterschiedlichen Größenkategorien, beispielsweise Corolla-Stores oder Offroad-Stores, die, jeweils in privater Hand, untereinander konkurrieren. Einzig Amlux war Toyota-eigen, also eine Werksniederlassung. Amlux ist seit Dezember 2013 Geschichte. Es gibt nun einen moderneren Nachfolger, nicht mehr in Tokio-City, eher draußen. Und Prospekte gibt es auch nur noch, wenn man umgerechnet drei Dollar in den jeweiligen Automaten steckt. Bei der Menge an Toyota-Modellen kann das ganz schön teuer werden, wenn man alle aktuellen Prospekte haben möchte. Aber vielleicht ist diese Information auch schon wieder veraltet. Vielleicht ist es heute bei Toyota so, wie bei anderen: Prospekte sind ein Relikt aus alten Zeiten, es gibt keine mehr. Der moderne Käufer wählt seinen Wagen im Internet aus und konfiguriert ihn auch dort. Der Verkäufer berät nicht mehr. Er nimmt nur noch die Bestellung entgegen. Wie der McDonald’s-Fritze hinter dem Counter im Schnellrestaurant. Aber auch das ist veraltet. Bei McDonald’s wird nun im Lokal am Bestellterminal geordert und bezahlt. Der Fritze wirft den Burger und die Pommes nur noch aufs Tablett. Aber wenigstens das noch!
Erkennungsmerkmal: das goldene Huhn
Genug geplaudert, über Amlux und McDonald’s. Es geht um den ’97er Toyota Century von Almost Real, seine Einordnung in den Modellautokosmos und sein Vorbild. Der Century ist ein eigenartiges und eigenwilliges Toyota-Automobil. Er wird auch nicht bei Toyota selbst gebaut, sondern im Auftrag Toyotas von den Kanto Auto Works. Diese Firma ist erst seit 2012 Bestandteil des Toyota-Kosmos’ und war zuvor eigenständig. Drei Century-Generationen gibt es seit 1967. Damals wurde der 100ste Geburtstag des Gründers Sakichi Toyoda gefeiert, ihm zu Ehren bekam der Wagen seinen Namen. Die erste Generation wurde ohne Änderungen 30 Jahre lang produziert.
An diesem Wagen verdient Toyota nichts. Es ist eine Repräsentationslimousine, die sich durch die Namen ihrer Nutzer bezahlt, indem sie für Imagegewinn bei Toyota sorgt: Das japanische Kaiserhaus fährt Century, der Premierminister und seine wichtigsten Minister, hohe Regierungsbeamte und führende Geschäftsleute, darunter ein paar Rechtsanwälte und Ärzte. Ein Century ist ein Verlustgeschäft (wie seinerzeit der Mercedes 600), selbst ein gut ausgestatteter Lexus ist teurer als er. Aber am Lexus will Toyota verdienen. Am Century nicht, Er wird verteilt. Natürlich muss man dafür bezahlen. Aber der Preis steht in kaum einer Relation zu den Selbstkosten dieser handgefertigten Fahrzeuge. Geld zu haben spielt keine Rolle, wenn man einen Century möchte. Man bekommt ihn, wenn man wichtig genug ist. Und das entscheidet Toyota. Er ist das Symbol für konservativen Erfolg. Er trägt kein Toyota-Markenzeichen, sondern ein Logo mit einem stilisierten, goldenen Huhn, das Symbol für das japanische Kaiserhaus.
Ein Toyota Century, fast ausschließlich in Schwarz geliefert, strahlt unerhörten Luxus aus – aber keinen auf internationalem Standard, sondern so, wie es die Japaner lieben: Plüsch, Wollbezüge (die Japaner sind keine Leder-Anhänger, sie mögen dessen Geruch nicht), Spitzenvorhänge, Häkeldeckchen, viel heimisches Holz, Luftfederung, als Chauffeurlimousine konstruiert. Es geht nur um den Fahrgast, nicht um den Fahrer.
Die erste Generation von 1967 bis 1997 war ein V8, die zweite, im selben Stil gehalten aber völlig neu konstruiert, trug einen V12. Die dritte Generation seit 2018 kehrte zum V8 zurück, aber Hybrid. Einen Ursprungs-Century gibt ist in 1:18 unseres Wissens nicht, eine große Lücke für all die Fans konservativer Staatslimousinen und Toyota-Enthusiasten (derer vor allem in Asien viele sind). Die dritte und somit aktuelle Generation trat in den vergangenen Jahren geradezu inflationär auf, drei Hersteller, darunter zwei High-Ender. Ein Resine-Modell kam von Kyosho-Samurai. Das sind GT-Spirit-Resine-Modelle, von Kyosho für den asiatischen Markt in Auftrag gegeben. LCD macht einen hochwertigen Zinkdruckguss-Century. Von AUTOart kommt der dritte Century in der bekannten Composite-Machart, gleich drei Versionen: die normale Limousine erschien im Herbst 2020, der getunte Century GRMN folgte im Frühjahr 2022, der offene, viertürige Paradewagen im Sommer 2023. Die dazwischen liegende, zweite Generation wurde bislang noch nicht miniaturisiert und kommt nun von Almost Real, ungefähr auf demselben Niveau wie AUTOart sowie LCD und somit ein wunderbarer Platznachbar für einen aktuellen Century. Optimisten lassen einen weiteren Platz in der Vitrine frei und hoffen auf einen Ur-Century. Wir gehören ebenfalls zu diesen Optimisten, aber so optimistisch sind wir nicht, dass wir jetzt schon einen Platz reservieren.
Nur er verließ die japanische Insel
Der zweite Century von 1997, die Almost-Real-Neuheit, sah dem ersten sehr ähnlich, behielt also den konservativen Stil bei, Design Akira Shimizu. Er war aber ein völlig neu konstruierter Wagen mit 280 PS starkem 5-Liter-V12-Motor. Er wurde fast ausschließlich in Schwarz geliefert, doch die Innenraumfarbe war frei wählbar. Während seiner 20jährigen Bauphase gab es nur zwei signifikante Änderungen: Sechs- statt Vierstufenautomatik 2005 (wahlweise Wählhebel am Lenkrad oder zwischen den Vordersitzen), serienmäßig Digitalfernseher 2008. Der Century ist ein großer Wagen (5,27 Meter lang, länger als eine damalige S-Klasse mit langem Radstand) und wiegt leer mindestens zwei Tonnen. Der zweite Century ist der einzige, der offiziell Japan verließ: Toyota baute rund 100 Linkslenker für den Export nach China und den Mittleren Osten, einige gingen auch in die USA. Letztlich blieben sie aber doch in Toyota-Hand: Die meisten Export-Century wurden von hohen Toyota-Managern gefahren. Insgesamt wurden 9573 Exemplare gebaut.
Spitze gemachte Spitzenklöppeleien
Almost Real hat Erfahrung mit Supersportwagen, klassischen Offroadern und würdevollen Luxuslimousinen. Der Century passt ins Portfolio. Das erzkonservative Design des Toyota Century setzte Almost Real perfekt um. Doch das zu erwähnen ist nahezu überflüssig. Er ist also ein typisches Almost-Real-Produkt, und das spricht für sich – ganz feine Modellbaukunst. Almost Real kann nicht nur Crabon, Alu, Nappa und Alcantara oder farbliche Akzente an Sitznähten. Perfektion kann sich auch in Spitzenvorhängen, stoffbezogenen Sitzmöbeln und Wurzelholzapplikationen zeigen. Liebevoll en miniature umgesetzt sind viele kleine Details, beispielsweise das gotisch gestaltete „C“ (für „Century“) auf der Motorhaube und an der C-Säule, das „Goldene Huhn“ im Kühlergrill und auf der Heckblende, die Alus mit unzähligen Speichen, die nur dann einem Wagen zugemutet werden können, wenn es einen fest angestellten Chauffeur gibt, der für ihre Sauberkeit zuständig ist. Trotz des ungemein kleinen Abstandes zwischen den Speichen sind die Felgen durchbrochen, und obgleich von außen nicht sichtbar, modellierte Almost Real eine Bremsanlage. Und genau dies ist die Eigenheit der Produkte von Sum’s Models, der Mutterfirma von Almost Real: Es wird auch berücksichtigt, was nicht oder kaum sichtbar ist. Auf den ersten Blick hingegen und geradezu „systembestimmend“ sind die Spitzenvorhänge (im Original elektrisch) an den hinteren Seitenscheiben und im Rückfenster. Almost Real wählte dazu echten Stoff aus (im Gegensatz zu AUTOart bei seiner Interpretation des Nachfolgers, da sind die Vorhänge aus Kunststoff). Das heißt, Almost Real lässt seine Mitarbeiter sogar klöppeln!
Der Innenraum mit seinem herrlich altmodischen Armaturenbrett trägt sehr viel Holz, dem Almost Real eine wunderbare Maserung verleiht, die Oberfläche der Sitze sieht nach Wollstoff aus, natürlich Teppichbodenbeflockung. Erwähnenswert ist noch die Verstellmöglichkeit der Vordersitze.
Unter der Motorhaube wirkt der Toyota Century zunächst trist, denn sein Motor ist ebenso geräuschgekapselt wie es alle anderen modernen Motoren sind, ein wenig Bedruckung, zwei weiß hervorgehobene Flüssigkeitsbehälter. Doch die obere Motorabdeckung lässt sich abnehmen, und dann offenbart sich dem Auge ein sehr schön nachgebildeter V12, ein separat eingesetztes Bauteil. Die Haube hängt an feinen Scharnieren, unterstützt von Teleskopdämpfern, etwas geringer Öffnungswinkel (das scheint ein generelles Modellautoproblem zu sein, quer durch die Herstellerfraktionen), und dass der Kühlergrill nicht durchbrochen ist, also kein meshed grill, will nicht so ganz zur edlen Anmutung des Century passen. Entschädigung erhält, wer hinten öffnen und in den Kofferraum kriecht. Da findet sich nämlich eine winzige Lasche, die man am besten mit der Pinzette greift, mittels derer sich der Kofferraumboden aufklappen lässt. Darunter ein herausnehmbares Reserverad sowie ein Scherenwagenheber. Sehr schön! Ebenfalls wunderbar die Chassisnachbildung mit aufwändig gestalteter Hinterachse und schön gemachtem Differential, separater Abgasanlage in Silber mit etwas dunkler eingefärbtem Katalysator, und immer wieder schön ist, wenn lenkbare Modelle an allen vier Rädern federn.
Toyotas King-Daddy Century ist in jeder Generation ein außergewöhnliches Modell, und Almost Real setzte die zweite Auflage bestmöglich um. Das weckt ungemein Begehrlichkeiten nach einem Toyota Century in der 1967er Ursprungsversion, um den wir nicht nur bitten, sondern den wir geradezu fordern. Her mit dem alten Century!
afs
Steckbrief:
Almost Real ALM870201 Toyota Century (Typ G50) 1997. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP des Importeurs Minichamps 274,95 Euro.