Der größte Buick Kombi aller Zeiten
Keiner war größer, keiner verschwenderischer: BoS macht einen Buick Kombi aus der größten Zeit, als die Full Size Cars fünfeinhalb Meter maßen. Dann kam die Ölkrise und das allgemeine Schrumpfen der US-Cars. Der Buick Estate Wagon von 1974 beeindruckt und benötigt so viel Platz in der Vitrine wie ein Transporter. Aber irgendwie ist er ja auch einer… ein Transporter!
Die Zeit, als die US-Straßenkreuzer so richtig groß waren: Anfang der 70er Jahre, der absolute amerikanische Wahnsinn im Überfluss. Beispiel Buick: Der LeSabre, das Standardmodell, maß fünfeinhalb Meter. Das vermag heute noch zu beeindrucken. Damals noch viel mehr! Heute misst ein Luxus-SUV wie der BMW XM 5,11 Meter, wiegt aber 2,8 Tonnen mit seinen Batterien. Der Buick LeSabre ist im Gegensatz dazu als 2-Tonner ein Leichtgewicht. Zum Vergleich: Ein ausgewachsner Mercedes Strich-Achter brachte es zu LeSabre-Zeiten auf 1350 Kilo. Hubraum hatte der Buick ohne Ende, bei 3,8 Litern (was niemand orderte) ging es los, ein 5,7-Liter-Smallblock-V8 war die Norm, und wer sich etwas gönnte, nahm den 7,5-Liter-Bigblock-V8, und der brachte es auf schnuckelige 225 PS, der Small-Block auf deren 150 – das reichte, um mit Tempo 88 hunderte von Kilometern geradeaus zu fahren. Das aber mit höchstem Komfort. Schneller durfte man nicht auf den Highways: 1974 wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 55 mph (knapp 90 km/h) abgesenkt. Damaliger Slogan: „Drive fifty-five and stay alive“).
Die vierte Generation des LeSabre wurde zwischen 1970 und 1976 mit jährlichen kleinen Facelifts gebaut, der BoS-Station-Wagon ist ein 1974er. Er heißt nicht LeSabre, sondern nur Buick Estate Wagon, gehört aber zur Familie. Er war weit oben angesiedelt, also ein Family Luxury Car, was sich in der inneren und äußeren Ausstattung manifestiert: Holzfurnier an den Flanken, Chromgalerie auf dem Dach, matching colours innen und außen, ausschließlich V8-Maschinen mit Automatik (Turbo Hydramatic). Der größte Buick aller Zeiten war ein Blechmonstrum, aber seine Flanken wurden stilistisch geschickt erleichtert durch kurvenreiche Sicken, das Verhältnis der Motorhaubenlänge zum Karosseriekörper passte perfekt („Goldener Schnitt“), und die Wagen waren großzügig verglast – der Station Wagon sogar mit um die Ecken nach hinten gezogenen hinteren Seitenscheiben.
Buick tat nicht nur etwas für die Seele der größenverwöhnten Amerikaner, sondern auch für ihre Sicherheit: So hatte der LeSabre erstmals eine Dachhaut aus doppeltem Blech als Überschlagschutz, Kopfstützen, Stoßfänger, die 5 mph abfingen (also Parkrempler) und als Extras gab es Airbags, die aber niemand orderte. Und der Wagen startete nicht, bevor die vorne Sitzenden angeschnallt waren. Das brachte einen Aufschrei nach sich, dieses „Interlock“-System war sogar Thema einer nervösen Congress-Debatte, und der Gesetzgeber ruderte zurück: Kunden konnten das System legal abklemmen lassen. Im Folgejahr dann wurde in den USA Blei aus dem Benzin verbannt und der Katalysator wurde zur Pflicht.
Cabrio-Feeling im Station Wagon
Mit dem Buick Estate Wagon konkurrierte die GM-Filiale mit dem Mercury Colony Park aus dem Ford-Konzern und dem Chrysler Town & Country. Sie alle hatten zu dieser Zeit eine unten angeschlagene Heckklappe mit rahmenloser Heckscheibe, die auf Knopfdruck voll versenkt werden konnte. Beim Fahren konnte dadurch also fast schon ein Cabrioeffekt hergestellt werden, wenn die Seitenscheiben und, wenn vorhanden, auch das Schiebedach offen waren: voller Durchzug! Und im Stehen bot die offene Heckklappe drei Personen einen bequemen Sitzplatz beim Picknick. Serienmäßig war eine dritte Sitzreihe im Gepäckabteil, voll versenkbar bei Nichtgebrauch. Weil der Buick eine vordere Sitzbank hatte, durften vorne und hinten je Drei sitzen, auf der dritten Reihe nochmals Zwei. Der Buick war also ein cooler Achtsitzer, wofür man in Europa vor Erfindung des Vans zehn Jahre später einen Kleinbus benötigte.
Viel Verkehrsfläche in 1:1, viel Vitrinenfläche in 1:18
Das BoS-Modell ist in Potomac Blue Metallic lackiert. Vor neun Jahren erschien das Modell in erster Auflage, damals in hellem Grünmetallic und der gleichen Art der Holzdekoration, eine 1000er-Auflage. Nun kommt ein kleiner Nachschlag, nur 300 Stück in Blaumetallic, ein Exklusivmodell von Model Car World. Wie uns der MCW-Produktmanager Martin Neumann bestätigte, wird es keine BoS-Formneuheiten in Resine im Maßstab 1:18 mehr geben, aber durchaus exklusive, kleine Wiederauflagen bestehender Modelle in neuen Farben. Der Buick gehört dazu.
Er benötigt viel Vitrinenfläche mit seinen 33 cm Länge und 12 cm Breite (er wird mit angeklebten Spiegeln noch breiter, sie liegen zur Selbstmontage bei, woraus wir verzichteten). Aber er legt auch eine gewaltige Präsenz an den Tag, eben durch diese schiere Größe, aber auch durch den verschwenderischen Chromzierrat als visuelles Symbol des amerikanischen Überflusses. Ob „Make America great again“ auch bedeutet, dass es wieder Fünfeinhalbmeter-Straßenkreuzer geben soll? Eine Schau sind die Felgen. Sie sind, im Gegensatz zum Charakter des Fahrzeugs, sportlich. Es sind Stahlsportfelgen im Rostyle-Stil, komplett verchromt mit mattschwarz ausgelegtem Innenteil, stilistisch sehr ähnlich der Felgen des (gleichzeitigen) Opel Manta A, und geschmückt mit White Wall Tyres. Innen ist der Buick dunkelblau und nichts als geräumig, ein anachronistisches Space Shuttle, und das kantige, typisch amerikanische Armaturenbrett ist großzügig mit Holz dekoriert.
Ein Woody der letzten Generation
Was sofort ins Auge sticht, ist die Flankendekoration, das Holzfurnier, das dem Buick im Profil die Allüre einer Schrankwand aus Eichenholz verleiht. Dieses „Holz“ ist ein von vorne bis hinten durchgezogenes Druckwerk, und da setzt unsere Kritik an. Das wirkt, weil durchgehend, zu flächig. Die Türspalte hätten ausgelassen werden sollen (was im Original ja auch der Fall ist). Der Buick ist also ein typischer Woody. Aber ein Woody der letzten Generation, mit „Holz“, das weder massiv noch furniert ist, sondern nur aus D-C-Fix-Folie besteht. Woodies sind eine uralte, amerikanische Tradition. Bevor es Kombis am Fließband gab, stellten sie Karosseriebauer auf Basis von Limousinen her. Der hintere Teil wurde aus Holz gebaut und dieses Holz blieb sichtbar – sozusagen in der Tradition der Pferdekutsche. Anfang der 50er Jahre, als Kombis vom Fließband rollten, war die Karosserie aus Stahlblech, aber die Kunden wollten weiterhin Holz sehen. Also verkleideten die Automobilbauer die best ausgestatteten Kombis in ihrem Programm mit Holzfurnier an den Flanken, was den Familien-Luxuskombi auch optisch vom Handwerker-Standardkombi unterschied. Aus Kostengründen wurde in den 60ern aus dem Holzfurnier eine Kunststofffolie à la D-C-Fix.
Der Buick Estate Wagon ist ein schön gemachtes Modellauto mit viel Materialverbrauch. Er hat Vitrinenpräsenz wie kaum ein Supersportwagen und BoS machte seine Sache sehr gut. Die ebenfalls sehr großen Fensterflächen aus dünner Zellonfolie sind allerdings ziemlich wellig. Wir bemühten uns beim Fotografieren, den Wagen so zu positionieren, dass keine Spiegelungen diese Welligkeit zu sehr in den Vordergrund stellen. Aber wir sind nicht sicher, ob der Klebstoff diese riesigen Zellonteile, die obendrein sehr stark gebogen sind, auf Dauer wird halten können.
afs




Modellfotos: bat

Foto: Aurora Terra
Steckbrief:
BoS 417 Buick (LeSabre) Estate Wagon 1974 hellblaumetallic. Fertigmodell Resine, Maßstab 1:18. Auflage 300 Exemplare. Exklusiv bei Model Car World. UVP 119,95 Euro.