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News 1:18 Kyosho Lamborghini Countach LP5000S Quattrovalvole 1985

Affront gegen die Normalität

Abgesehen vom Miura: Wohl kein anderes Auto war so nervenerschütternd, so verstandzerwühlend, so unverschämt bizarr und unvergleichlich wie der Lamborghini Countach. Eben abgesehen vom Miura. Beider schöpferischer Vater ist derselbe, Marcello Gandini bei Bertone. Mit dem Miura schuf er sich einen Thron und mit dem Countach festigte er seine Position. Kyosho lässt seinen Countach seit Jahren immer wieder neu aufleben, und nun kommt er in einem weiteren Dreierpack.

Ein „Wagen für böse Buben“, schrieb Patrick Bedard in der US-Autozeitschrift Car & Driver über den Countach, und der Countach hält alles, was seine Optik verspricht. Auch en miniature ist er ein echter Evergreen. Wer etwas auf sich hält, hat einen Countach im Programm. Unzählig sind alleine die Varianten, die Kyosho auf den Markt brachte. Und obgleich er immer wieder erscheint und dabei immer teurer wird, finden neue Versionen ihre Käufer. Es gibt wohl genügend Gründe für die Sammler, sich einen Zwei-Countach zuzulegen, oder einen Dritt- oder Viert-Countach. Womöglich färbt der Charakter des Countach sogar auf die Eigentümer seiner Miniaturen ab: Er ist salopp, hat sogar einen leicht vulgären Touch. Er behandelt die Gesellschaft geringschätzig, stellt deren Normen und Werte auf den Kopf. Fast könnte man sagen, er zeige der Gesellschaft den Stinkefinger. Jedenfalls zeigte Ferruccio Lamborghini selbigen seinem Erzrivalen Enzo Ferrari – wenngleich nur symbolisch, so doch genüsslich. Mit dem Miura wurde Lamborghini berühmt, mit dem Countach unsterblich, und der alte und etablierte Enzo konnte nur noch reagieren. Auf jede seiner Reaktionen kam aus Sant’Agata Bolognese eine Antwort, Reaktionen als schier unhaltbare Eskalationsstufen. Enzo Ferrari brachte des Testarossa mit 390 PS. Lamborghini reagierte, nicht mit 395 oder 400 oder sowas PS, sondern mit 455 Pferden im Countach LP500S Quattrovalvole.

Die Mittelmotor-Lambos hießen alle LP und dann folgt eine dreistellige Zahl. LP steht für Longitudinale Posteriore und bedeutet einen längs hinter dem Fahrer situierten Motor, vulgo einen Mittelmotor, und die dreistellige Zahl gibt die ungefähre Leistung in PS an, großzügig aufgerundet. Aber für die Amerikaner, denen nichts groß genug sein kann, war die Zahl 500 zu gering. Unter vierstellig gibt es offenbar keine Zahl, die einen Amerikaner beeindrucken kann. Deshalb wurde der Quattrovalvole dort nicht LP500S genannt, sondern LP5000S – was auch das Kyosho-Modell als Heckschriftzug trägt. Das wird ihm, der die nackte Aggression versprüht, offenbar mehr gerecht. Auch in den USA galt: Wer einem Countach begegnete, war entweder so sehr von ihm eingenommen, dass er ihn fahren und besitzen wollte. Oder er rannte um sein Leben.

Gelb ist die Countach-Farbe

Kyosho brachte im April 2024 drei neue Countach-Modelle, neben unserem gelben Muster den gleichen in Schwarz, jeweils LP500S Quattrovalvole von 1985, und als Dritten einen 1982er LP500R in schwarz mit weißen Zierlinien und BBS-Felgen (den es bereits 2006 gab, aber mit schwarzen statt der aktuell goldenen Felgenspeichen). Warum wir uns für Gelb entschieden: Gelb ist die reine, die wahre Countach-Farbe, denn in Gelb stand Prototyp Nummer Eins auf dem Genfer Salon 1971, mit Gelb wird der Countach assoziiert. Nummer Eins war übrigens ein noch ziemlich unzulängliches Fahrzeug mit Stahlkarosserie, das allerdings Tausende schneller Testkilometer absolvierte, bevor er bei einem Crashtest in Großbritannien in die Ewigen Jagdgründe übersiedelte. Countach Nummer Zwei von 1973 war grün, der Dritte wieder gelb.

Fertig war der Countach nie, und je jünger er wurde, desto besser war er. Hier ist nicht der Ort, die Countach-Geschichte zu erzählen. Sie ist ja auch weitgehend bekannt. Der Rennfahrer Walter Wolf erhielt den ersten Serien-Countach, er initiierte den 5-Liter-V12, den Lambo als Einzelstück baute und der in mehreren Walter-Wolf-Fahrzeugen eingebaut war. Wolf war auch die treibende Kraft, dass Lamborghini die unerhörten Pirelli-P7-Reifen montierte und dem Countach quasi einen Widebody-Kit verpasste. So erschien 1982 ein hauseigener 5-Liter-V12 mit 375 PS und auf seiner Basis im März 1985 auf dem Genfer Salon der LP500S Quattrovalvole mit Vierventilköpfen und nunmehr 455 PS aus 5167 cm³ Hubraum (letztlich eine Konstruktion, die auf Giotto Bizzarini aus dem Jahre 1963 zurückgeht). Ganz schön viele Ventile, bei zwölf Zylindern immerhin 48 Stück! Weitere Verbesserungen an Bremsen und Aufhängung, dazu potthässliche Stoßfänger, die den US-Vorschriften genügten, aber in Europa nicht obligat waren. Immer noch schlürfte der Countach seine Lebensessenz aus Fallstrom-Vergasern, doch der US-Markt verlangte Benzineinspritzung. So verlor der V12 trotz Injektion (KE-Jetronic von Bosch) ein paar PS, war aber mit 420 eingespritzten Pferden amerikatauglich. Und auf diesen Fahrzeugen für den US-Markt prangte dann der Heckschriftzug LP5000S mit einer Null mehr als üblich! Nach 610 Exemplaren des LP500S Quattrovalvole erschien 1988 der Countach 25th Anniversary, 470 PS stark, 657 Exemplare gebaut bis 4. Juli 1990. Dann war Schluss mit Countach.

Mit dem „Cannonball Run“ fing alles an

Gandinis Design ist eine Offenbarung, an Faszination ebenso wie an Hässlichkeit, an Aggression wie an Disharmonie, und Kyosho gelang eine absolut wirklichkeitsnahe Wiedergabe dieses ästhetischen Spannungsfeldes. Man muss den Countach nicht mögen, um von ihm gefesselt zu sein, und diese sinnlichen Reize fängt die Miniatur eins zu eins ein. Für alle ab circa 1965 Geborenen ist der Countach der Held des Kinderzimmers und der Jugend. Wir haben damit gespielt, wir haben davon geträumt, er hing als Poster überm Bett. Den Film The Cannonball Run (deutsch: Auf dem Highway ist die Hölle los) haben wir wegen des Countach angehimmelt. Er machte etwas mit uns. Gibt es auch nur eine Modellautosammlung, in der nicht mindestens ein Countach steht? Wohl kaum! Doch in so mancher stehen mehrere Kyosho Countach. 2004 erschien der Erste, ein LP400 in Blaumetallic, der erste Quattrovalvole kam 2007, die Formwerkzeuge sind also 17 Jahre alt – so alt, wie wir damals, als The Cannonball Run auf der Leinwand erschien (und viel älter durfte man auch nicht sein, um diesen Klamauk um rauchende Reifen gut zu finden!). Im Prinzip ist es stets der gleiche Wagen, nur modifiziert. Unser neuer Quattrovalvole unterscheidet sich vom 1982er LP500S nur durch die Form des Motordeckels, ganz dem Vorbild entsprechend. Denn der Vierventiler baute höher, wonach sich der Deckel zu richten hatte, und deswegen sah der Fahrer fortan nach hinten noch weniger (oder besser: durch den Rückspiegel gar nichts mehr).

„All open“ bedeutet beim Kyosho Countach mehr als bei einer gewöhnlichen Viertürer-Limousine: Die Scherentüren schwingen nach oben auf, die vordere Haube gibt das Räumchen für Reserverad und Scheibenwaschanlage frei. Im hinteren oberen Bereich geht die Motorklappe auf und enthüllt ein voll verkabeltes, separat eingesetztes Motorwunder zum Niederknien, und das dahinter liegende beflockte Gepäckfach lässt sich inklusive Flügel auch öffnen. Dann noch die Klappscheinwerfer, die auf Druck eines Hebels an der Karosserieunterseite aufspringen. Die Machart atmet den Hauch der Perfektion, lediglich die Pins in den Nebelscheinwerfern belegen, dass die Form schon einige Jahre alt ist. Die Vielzahl an Be- und Entlüftungsschlunden, gepaart mit den NACA-Öffnungen an den Türen, hat Kyosho phantastisch wiedergegeben, und die einen sehen in ihnen, gepaart mit dem „Wide Body“, erst das Brachiale in Marcello Gandinis Countach-Design, die anderen lehnen diese wüsten Wülste ab, sie sind die Puristen und loben den Ursprungsentwurf.

Viele Fans sind der Meinung, die Campagnolo-Bravo-Felgen im Telefon-Wählscheibendesign seien die coolsten Alus aller Zeiten gewesen, und besonders in goldener Lackierung repräsentieren sie quasi den Geschmack der 80er. Auf den Postern, welche sich die Jungs aufhängten, sah man den roten Countach mit goldenen Bravos und wild beflügelt. Am gelben Quattrovalvole sind sie silbern und nicht weniger eindrucksvoll. Und obgleich die Werkzeuge wie erwähnt bald volljährig sind, weisen die Felgen Ventile auf. Es gibt wahrlich keinen Grund, das Vorhandensein von Reifenventilen an Modellautos als aktuellen Fortschritt zu bejubeln. Das gibt’s schon ewig. Aber eben nicht bei allen Herstellern… Generell: Es ist ein Kyosho, massiv und stabil wie ein Kyosho, dabei so detailliert wie ein Kyosho. Ein Modell, das nicht zuletzt durch sein Gewicht jene Wertigkeit ausstrahlt, die es auch besitzt.

afs

Sieben Sachen gehen am Kyosho Countach auf. Bei einem all-open-Viertürer sind es nur sechs. Und die sind weit weniger spektakulär als das, was der Countach offenbart, wenn er seine exhibitionistischen Anwandlungen hat.
Modellfotos: bat
Die Augen zu und die Augen auf. So ingeniös der Klappmechanismus ist, so profan sind die Pins in den Nebelscheinwerfern.
So viel Farbe an einem Motor: silbern, rot und schwarz, und der Motor ist ein separates Stück, nicht einfach nur graviert. Eben so, wie es sein soll. Der Zylinderkopf ist offen und zeigt sein Darunter. Der mit „Lamborghini“ beschriftete Zylinderkopfdeckel liegt dem Modell bei, in einem Tütchen verpackt.
Schmuckschatullenscharniere halten die vordere Haube auf, darin das Reserverad, das uns zeigt, wie eine Bravo-Felge von hinten aussieht.
Was eine Kameralinse kaum zu leisten vermag, schafft das menschliche Auge mit Leichtigkeit: den Blick an den Serentüren vorbei in den Innenraum. Wir zeigen statt dessen den genial gemachten Gurt mit seinem glänzenden Schloss.

Steckbrief:

Kyosho KS08320Y Lamborghini Countach LP5000S Quattrovalvole 1985. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP des Importeurs Minicahmps 305 Euro.