Manzùs großer Wurf
Pio Manzù zeichnete in seinem kurzen Leben nur ein Fahrzeug, das es zur Serienreife brachte: den Fiat 127. Aber der war ein umwerfender Erfolg. Laudoracing widmet sich nun schon zum zweiten Mal dem Ur-127. Dem Zweitürer von 1971 folgt nun die Version mit großer Heckklappe, mit der Fiat auf den Renault 5 reagierte. Ein sehr sympathisches Modell!
Hinter diesem freundlichen und gleichsam gefällig-modernen Aussehen steckt ein Mann, der es ersonnen hat: Piero Manzoni, der sich den lombardischen Künstlernamen Pio Manzù gab, ein italienischer Designer und Absolvent der legendären Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG). In einem Munde mit dem Bauhaus wird sie genannt und gilt zusammen damit als bedeutendste deutsche Designhochschule. Die HfG wurde direkt nach dem Krieg gegründet und die Amerikaner gaben großzügige Starthilfe, weil zu den Gründern neben Max Bill und Otl Aicher auch Inge Aicher-Scholl gehörte, die Schwester von Hans und Sophie Scholl. Die HfG gab sich von Anfang an sehr elitär, Design wurde als Selbstzweck gesehen und sollte nicht in den Dienst einer Sache gestellt werden. Also genau das Gegenteil vom Designer-Leitsatz „Form follows Fuction“. Damals wurde auch vehement zwischen „Design“ und „Styling“ unterschieden, letzteres wurde lediglich als Verkaufspropaganda gesehen, ersteres zum Ethos überhöht. Deshalb weigerte sich die HfG, sich überhaupt mit so etwas Profanem wie Automobilgestaltung (als „Styling“ verdammt!) zu beschäftigen – doch während vor allem Max Bill Wasser predigte, trank er reinsten Wein und fuhr als einziger im Ulm der 50er Jahre einen Bentley. Bill als ausgewiesene Koryphäe sorgte zwar für den besten internationalen Ruf der HfG, aber seine narzisstische Arroganz grub der privaten Hochschule das Wasser ab: Lieber keine Industrieaufträge als die falschen, lieber keine Auftraggeber als die unpassenden, hochgestochene modulare Produktentwürfe statt Alltagstauglichkeit, Ethik über allem – und dann der Bentley als Status- und Prestigesymbol! Managementfehler und Max Bills Charakter gruben der HfG das Wasser ab: Aus im Jahre 1968.
Autostyling galt der HfG als unethisch
Pio Manzù machte seinen Abschluss an der HfG beim argentinischen Designer und Philosophen Tomás Maldonado noch zu deren besten Zeiten in der ersten Hälfte der 60er Jahre. Trotzdem er danach eine Lehrtätigkeit an der HfG aufnahm, konnte er dort seine Automobilbegeisterung nicht umsetzen. Ein Jahr nach seinem Abschluss gehörte Manzù zusammen mit seinen Kommilitonen Michael Conradt und Henner Werner das Designbüro Autonova in Bad Wurzach. Dort (und nicht an der HfG!) entwickelten sie zusammen mit dem Motorjournalisten Fritz B. Busch den Autonova Fam mit Glas-Technik als Familienfahrzeug der Zukunft, also eine Art Minivan, und den Sportwagen Autonova GT mit NSU-Technik. Beide wurden vom Sponsor Pirelli finanziert, bei der Carrozzeria Sibona-basano in Turin gebaut und auf der IAA 1965 präsentiert. Es fanden sich keine Interessenten für den Serienbau, aber das Projekt sowie die beiden Designer Manzù und Conradt waren rund zwei Jahre lang in aller Munde. Das tat ihrem brancheninternen Renommee gut.
Manzù ging in seine Heimat zurück und erhielt eine Anstellung als Freelancer im Centro Stile bei Fiat, denn der Chefdesigner Dante Giacosa war durch die Autonova-Aktivitäten auf ihn, einen der kreativsten Köpfe seiner Epoche, aufmerksam geworden. Manzùs erste Tat bei Fiat war das Fiat 850 City Taxi, eine reine Studie. Daraufhin beauftragte ihn Giacosa mit dem Design des Fiat 127, eines modernen Schrägheck-Kleinwagens mit Frontantrieb und quer eingebautem Motor. Manzù blieb freischaffend, also externer Mitarbeiter bei Fiat, ebenso wie er beratende Tätigkeiten bei Piaggio, dem Uhrenfabrikant Alessi und dem Büromaschinenhersteller Olivetti ausübte – ein seinerzeit viel gefragter Mann!
Der Fiat 127 sollte zu einem Riesenerfolg werden, rund 4,5 Millionen Exemplare bis 1987 plus die Auslandsproduktion. So wurde er als Fiat 147 in Südamerika sogar bis 1996 produziert (weitere 1,5 Millionen Stück). Doch Pio Manzù erlebte ihn nicht mehr – weder das fertige Produkt noch dessen späteren Werdegang. Er erlebte nicht mal die Premiere seiner Schöpfung. Am 26. Mai 1969, als der endgültige Entwurf dem Fiat-Vorstand präsentiert werden sollte, verunfallte er auf dem Weg dorthin im Fiat 500 seiner Ehefrau tödlich. Man sagt, er sei während der Fahrt eingeschlafen. Er wurde nur 30 Jahre alt. Genau zwei Jahre nach Manzùs Tod erschien im April 1971 der Fiat 127.
Die große Klappe mit einem Jahr Verspätung
Zunächst war der kleine Fiat, der Nachfolger des heckmotorigen 850ers, ein Zweitüren mit kleinem Kofferraumdeckel. Es war zu Beginn der Schrägheckmode nicht unüblich, dass diese Fahrzeuge keine große Heckklappe aufwiesen – als Beispiel sei der erste VW Passat genannt, und selbst der Opel Kadett D war noch 1979 wahlweise mit kleiner Klappe erhältlich. Kurz nach dem Fiat 127 erschien sein französischer Konkurrent, der Renault 5, serienmäßig mit großer Klappe (gerne als „dritte Türe“ bezeichnet), worauf Fiat rasch reagierte und im März 1972 den „Dreitürer“, also die Version mit großer Heckklappe lancierte, die sich sofort zum populäreren Modell entwickelte. Rein chronologisch ging Laudoracing diesen Schritt mit: Anfang 2021 erschien der Fiat 127 als Zweitürer, nun wird die Heckklappenversion nachgeschoben. Darüber hinaus keine Unterschiede (bis auf Parkscheibe in der Windschutzscheibe und Fahrertüre-Außenspiegel beim Neuen), es handelt sich beide Male um den Ur-127, also Prima Serie. Gebaut bis April 1977, änderte sich an dieser ersten Serie nur sehr wenig: Ab Mai 1973 unterschied Fiat zwischen Standard- und Deluxe-Modell, letzteres mit Liegesitzen und zu öffnenden hinteren Seitenscheiben, Ende 1974 kam der 127 Special mit leicht verändertem Grill, und 1976 verlor das 903-cm³-Motörchen dank neuen Vergasers 2 Pferde (45 statt 47 PS), um die Emissionswerte einzuhalten und den Verbrauch zu senken. Einen optischen Unterschied zwischen 127 Standard und Deluxe gibt es nicht, weswegen Laudoracing zurecht nur von „Fiat 127“ spricht.
Der Kleine ist so sympathisch wie das Original
Das Modell ist so hervorragend wie es von Laudoracing gewohnt sind. Der Kleine verdient nur Lob und muss keinerlei Kritik einstecken. Er ist mindestens so sympathisch wie das Original. Besonders nett ist der freundlich gefärbte, aber karge Innenraum mit viel lackiertem Blech in Karosseriefarbe, das schön zum Innenstoff kontrastiert. Auch die A- und B-Säule sind innen nicht verkleidet. Dafür gönnte Fiat wie auch Laudoracing dem 127er ein schwarz gepolstertes Armaturenbrett mit Holzdekoration, die beim Original nichts anderes als eine DC-Fix-Folie war. Nichts Neues, aber immer wieder erwähnenswert, sind die Kleinigkeiten, die Laudracing als Separate Teile ausführt, so Heckklappenschloss, scharniere und -griff, auch der Tankdeckel, und die Türgriffe sind zweiteilig und somit partiell schwarz und verchromt. Ein echtes Kleinod ist das Fiat-Zeichen im Grill, und eben dieser ist sehr sauber graviert und besteht aus vielen, vielen kleinen Rundungen mit verchromtem Rahmen.
Das bisherige Modell, der Zweitürer (LM129), ist derzeit bei Laudoracing noch in einer Farbe, nämlich Rot, verfügbar. Den neuen Dreitürer liefert Laudoracing in sieben Farben gleichzeitig aus: Blu Scuro (Dunkelblau), Blu Chiaro (Hellblau), Blu (helles Türkis, unser Fotomuster), Rosso, Bianco, Giallo (ein gelbliches Beige) und Verde (ein frühlingshaftes Grün), jeweils zum selben Preis und jeweils in 250er Auflage. Das heißt, insgesamt fertigt Laudoracing 1500 Exemplare des 1973er Fiat 127.
afs
Steckbrief:
Laudoracing LM176D Fiat 127 1° Serie 1972 (dreitürig) türkis. Fertigmodell Resine, Maßstab 1:18. Auflage 250 Exemplare. Preis bei Laudoracing 114,90 Euro.