Der Schutzschild
Der Dritte im Bunde der wieder aufgelegten Minichamps 1:18 Porsche G-Modelle ist ein Targa in Indischrot. Nun ist die schöne Modellfamilie komplett und wartet auf Farbvarianten. Eine gibt es bereits, das neueröffnete Cabriolet in Anthrazitmetallic. Im Original stach es dem Targa die Schau. Als Modell auch.
Das „Prinzip Targa“ kam nicht in seiner definitiven Form zur Welt. Es musste sich erst entwickeln, bis es perfekt wurde. Ein Cabriolet ist ein offener Wagen, also ein Wagen ohne Dach. So weit, so gut. Ein selbst tragend konstruiertes Cabriolet hat eine weniger stabile Karosserie als ein Wagen mit festem Dach, weil ihm dieses stabilisierende Teil fehlt. Auch gut. Ein Cabriolet ist ein weniger sicherer Wagen als ein geschlossener Wagen, weil es vor allem im Falle eines Überschlages weniger Insassenschutz bietet. Auch klar. Klar war das auch Porsche. Porsche gedachte, den Kreis zu quadrieren und erfand den Targa.
Schuld am Targa ist Ralph Nader
Der „Verursacher“ des Targa hieß, über Umwege, Ralph Nader. Der politisch aktive US-Verbraucherschutzanwalt lieferte in seinem Buch „Unsafe at any Speed“ den Vertretern der Sicherheitsdebatte in den 60er Jahren die theoretischen Argumente, und die Autoindustrie reagierte gezwungenermaßen. Das Buch richtete sich in erster Linie gegen Heckmotorwagen, die Nader als gefährliche Heckschleudern geißelte, speziell gegen den Chevrolet Corvair. Zudem kritisierte er den mangelnden Insassenschutz von Cabriolets bei Überschlägen. In David-gegen-Goliath-Manier legt er sich gerne mit Großkonzernen an. Mit seinem Buch gegen General Motors errang er große Reputation und ist seither ein Idol der Linksalternativen in den USA.
Naders Kritik war zwar harsch und von purer Ideologie getragen, aber in ihrer Substanz auch gerechtfertigt. Er war der Initiator, dass sich die Autokonzerne weltweit zunehmend den Themen Insassenschutz und Verkehrssicherheit widmeten. Auch die Politik wurde aktiv und erließ entsprechende Gesetze und Zulassungsbestimmungen, denen sich die Autohersteller unterwerfen mussten. Die US-Autoindustrie baute in der Folge jahrelang keine Cabriolets mehr, und der US-Markt war für importierte Roadster lange Zeit tabu. Der Porsche Targa wurde nicht zuletzt deshalb mit integriertem Überrollbügel und nicht als Vollcabriolet konstruiert, damit er im Hauptexportmarkt USA (damals gingen 75 Prozent aller Porsche in die USA) zulassungsfähig war.
Ein Cabriolet mit einem Überrollbügel zu stabilisieren war zwar keine völlig neue Erfindung, aber Porsche machte diese Aufbauart nicht nur populär, sondern spendierte ihr sogar einen Namen. Pate stand die Targa Florio, jenes von Vincenzo Florio 1906 geschaffene, sizilianische Langstreckenrennen, bei dem Porsche erfolgreich gewesen war. Das italienische Wort „Targa“ bedeutet „Schutzschild“. Porsche ließ es sich schützen, und somit darf nur ein Porsche den Namen Targa tragen. Aber ebenso wie jedes Papiertaschentuch im Volksmund „Tempo“ und jeder Geländewagen „Jeep“ heißt, so wurde auch aus „Targa“ oder „Targadach“ ein Gattungsbegriff. Der Name hat sich also verselbständigt. Das tut Porsche nicht weh, vielmehr ehrt es den Erfinder.
Unter einem Targa versteht man also den Aufbau eines offenen Wagens mit einem Schutz- oder Überrollbügel im Bereich hinter den Türen und einem entfernbaren, festen Dachteil (das so genannte Targadach). Der Genrebegriff des Targa beinhaltet nicht den hinteren Teil, also den Bereich hinter dem Überrollbügel. Der Porsche Targa hatte zunächst 1967 eine Heckscheibe aus Plastikfolie mit Reißverschluss, 1968 optional Sicherheitsglas-Heckscheibe, diese ab 1969 in Serie. Porsche präsentierte den 911 Targa auf der IAA im September 1965, Produktionsbeginn war über ein Jahr später im Dezember 1966.
Vom Sicherheits-Cabriolet zum Kompromiss-Cabriolet
Der Überrollbügel des Porsche ist aus Edelstahl und war anfänglich, als Styling-Gag, unlackiert. Das Dachmittelteil, aus Kunststoff und mit einem Vinylbezug versehen, passt in den Kofferraum. Erst als die beheizbare Sicherheitsglas-Heckscheibe 1969 serienmäßig war, hatte der Porsche Targa jenes Aussehen und jene Funktionen, die bis 1993 Gültigkeit hatten, als der Elfer Typ 993 erschien. Bis dahin gab es nur marginale Änderungen. 1969 kamen Lüftungsschlitze rechts und links am Bügel, und so wurde der Targa in die Zeit des G-Modells ab Modelljahr 1974 übernommen, jedoch mit Falt- statt Targadach als Serienausstattung (was sich bald aber ins Gegenteil verkehrt). Ab 1976 waren die vorderen Dreiecksfenster nicht mehr ausstellbar, 1977 erhielt der Carrera Targa einen mattschwarzen anstelle des silbernen Überrollbügels, ab 1980 war er bei allen Targa-Modellen mattschwarz. Zum Modelljahr 1983 erschien das auf der Targa-Karosserie basierende Vollcabriolet, das dem Targa das Leben sehr schwer machte. Denn mittlerweile sah der Porsche-Kunde im Targa nicht mehr das „Sicherheits-Cabriolet“, als das es ursprünglich propagiert wurde, sondern nur noch das „Kompromiss-Cabriolet“ angesichts des völlig offenen Elfers. Der G-Modell-Nachfolger des Typs 964 übernahm die Targa-Konstruktion unverändert. Da sah der Targa also noch nach Targa aus. Dessen Nachfolge-Targa Typ 993 war ein Coupé mit Glasdach, das sich in offenem Zustand nach hinten unter die Heckscheibe verzieht. Modern zwar, aber völlig charmebefreit. Und mit dem ursprünglichen „Prinzip Targa“ hatte das nichts mehr zu tun.
Der Dritte im Bunde
In drei Karosserieversionen brachte Minichamps 2007 das 1984er G-Modell, den Carrera 3,2. Diese drei erscheinen nun peu-à-peu erneut, Coupé und Cabriolet der Reeditionen konnte Caramini-online am 16. Oktober 2024 präsentieren. Als Auslieferungs-Nachzügler bleibt der Targa, und er erhält Gesellschaft von einem Cabriolet in attraktiver Außen/Innen-Farbkombination. Zunächst kam der Targa in Indischrot, der gemeinsamen Farbe aller Drei; Orange und Weiß stehen noch aus, und diese Farben sind auch für das Coupé avisiert. Das Cabriolet wird neben Rot und Anthrazitmetallic (bereits erschienen) noch in Schwarz kommen. Also drei Mal drei G-Modelle. Neben dem roten Targa präsentiert sich auch das anthrazitmetallicfarbene Cabriolet auf dem schwarzen Schreibtisch. Grundsätzlich sind alle Modelle gleich aufgebaut, haben dieselben Features und denselben Qualitätsstandard. Wir verweisen auf unsere Präsentation von Coupé und Cabriolet vom 16. Oktober.
Das neue Cabriolet besticht durch seine weinroten Sitze, die zwar schon dem roten Coupé zu eigen waren, aber im offenen Wagen eben umso besser zu Geltung kommen. Minichamps benutzt hierfür nicht Kunststoff aus entsprechendem Granulat, sondern lackiert die Plastikteile, was einen weit realistischeren Eindruck hinterlässt. Die Sitze sind aus einem halbweichen und somit leicht beweglichen Material, was auch für die Persenning des Cabrioletverdecks zutrifft. Gut zu sehen sind beim Cabriolet die Gurte – an allen vier Sitzplätzen, denn hintere Gurte waren in Westdeutschland ab 1. Mai 1979 Pflicht (ab Januar 1988 sogar Dreipunktgurte). Diese Gurte trägt auch der Targa, wo sie ebenso gut zu sehen sind wie im offenen Elfer. Das Targaverdeck ist abnehmbar, aber im Gegensatz zum Original-Porsche passt es nicht unter die Kofferraumklappe.
Der Zuffenhausener Dreierbund ist nun komplett, und das Indischrote Trio ist lieferbar, dazu die erste Farbvariante des Cabriolets. Mit dem Elfer als G-Modell bringt Minichamps den absoluten Klassiker neu auf den Markt. Neu ist er zwar nicht, die Erstauflage erschien vor 17 Jahren. Aber es ist das einzige G-Modell in allen drei Versionen, das derzeit fabrikneu zu haben ist. Und es ist nach wie vor ein ganz herrlich geratener Porsche, ein Minichamps-Modell aus deren besten Zeiten.
afs
Steckbrief:
Minichamps 063061 Porsche 911 Carrera 3,2 Targa 1984 rot und 063304 dito Cabriolet anthrazitmetallic. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP je 199,95 Euro.