Für junge Wilde und ausgeflippte Alte
Die schönste und gesündeste Form der Gelbsucht. Speziell für den SLK kreierte DaimlerChrysler 1996 den Farbton Yellowstone. Er schmückt die Norev-Neuheit. Und noch mehr schmückt sie, verglichen mit bisherigen Norev-Modellen: bessere Scharniere hinten und mehr Tiefe im Motorraum.
Die Boomer kennen den Yellowstone-Park im US-Bundesstaat Wyoming, benannt nach dem Yellowstone River, der durch den Nationalpark führt. Denn sie lasen als Kinder Comics (tun heutige Kinder kaum mehr) und sie sahen fern (tun heutige Kinder zwar noch, aber anders als damals). Sowohl als Comic-Heftchen wie auch als Zeichentrickserie sahen die Boomer Hucky und seine Freunde aus den Hanna-Barbera-Studios: Hucky der blaue Hund, die Mäuse Pixie und Dixie im Clinch mit Kater Jinks und natürlich Jogi Bär und sein kleiner Freund Boo Boo. Einziger Mensch der Serie ist der Ranger Smith, der seine liebe Not mit den umtriebigen Nationalparkbewohnern hat. In der US-Originalfassung hieß der Nationalpark Jellystone Park, in den deutschen Comics aus dem Neuer Tessloff-Verlag hingegen wurde die korrekte Bezeichnung „Yellowstone Park“ verwendet. „Yellowstone“ nannte DaimlerChrysler (so hieß der Konzern damals) einen intensiven, warmen Gelbton und machte damit dem Speedgelb von Porsche Konkurrenz, bestens geeignet für den kleinen Flitzer SLK und anfangs nur für ihn reserviert. Daimler-Benz (so heißt der Konzern heute wieder) orderte den neuen SLK von Norev in zwei Farben, Schwarz und Yellowstone, und Caramini-online bekam den Gelben als Vorserienmuster. Ab Ende Juli/Anfang August sind beide über Mercedes-Händler erhältlich. Die Fachhandelsversionen werden später nachgeschoben.
Nichts als eine Reaktion. Und dann auch noch auf einen Mazda!
Wieder mal so ein 90er-Jahre-Fahrzeug, das per Definition zwar ein Oldtimer ist, weil älter als 30 Jahre, aber gefühlt ist es alles andere als ein Oldtimer, allenfalls ein Youngtimer, eigentlich ein Gebrauchtwagen. Die Sicht des weißen, alten Mannes? Mag sein, ein 35jähriger sieht das natürlich anders, und für den ist der tatsächliche Vorgänger des SLK R170, der legendäre 190 SL, ein prähistorisches Fahrzeug. Der SLK hat immerhin die Anfänge des Internets live erlebt, gehört somit zur Generation Z (die ab 1995 Geborenen) und ist ein „Digital Native“. Auch die Generation Y, also die Millennials, hat ihr Verhältnis zum SLK: Diese Jungs erlebten ihn, als sie sich für Autos begeisterten. Und die Millennials begeisterten sich noch für Autos! Jedenfalls nehmen derartige Jahrgänge in 1:18 zu, die 90er-Jahre-Fahrzeuge. Diese Entwicklung wird insoweit ganz spannend, als sie eben die ersten Fahrzeuge umfasst, die neu waren, als das Modellauto im heutigen Sinne „erfunden“ wurde, um 1990. Und recht bald setzte der Industriemodelle-Boom ein, damals noch in 1:43. Das bedeutet, damals moderne Fahrzeuge können von den noch existenten Firmen heute als „Oldies“ neu aufgelegt werden – was ja vor allem Minichamps mit seiner Maxichamps-Reihe munter praktiziert. Und so mancher frühe 18er aus dem Formenfundus ist mittlerweile auch gereift genug, um erneut zu erscheinen.
Der Mercedes SLK war nichts als eine Reaktion auf etwas, das die komplette Branche überrollte, das nicht erwartet war – nämlich den unerhörten Erfolg des Mazda MX-5 in Europa und den USA. Mazda hat quasi den britischen Roadster neu erfunden und damit den Markt aufgerollt. Daimler-Benz reagierte mit dem SLK, BMW mit dem Z3, Audi mit dem TT. BMW ist damit noch im Geschäft (mittlerweile Z4), viele andere strichen die Segel, aber das Original, der Mazda, lebt nach wie vor. Die 90er Jahre jedenfalls gehörten den knackigen offenen Zweisitzern und Daimler-Benz belegte mit dem SLK jenes Segment unterhalb des SL erneut, das seit dem 190 SL (Produktionsende 1963) ersatzlos brachlag – sofern man die SL-Geschichte so interpretiert, dass sie im 300 SL ihren Anfang nahm. Der SLK war jedenfalls ein „bezahlbarer“ Roadster, ein demokratischer Roadster, ein Spielzeug für junge Wilde ebenso wie für alte Knacker und Knackerinnen, die nach dem Auszug der Kinder den W124 durch etwas Ausgeflipptes ersetzen wollten. Von ihnen, heute hochbetagt, stammen die gepflegten Ersthand-Exemplare, die es durchaus noch am Markt gibt – aber originallackiert dürfte kaum mehr einer sein, denn dieser Mercedes rostete nicht nur gerne, der damals verwendete Wasserbasis-Lack ist auch ziemlich weich und neigt dazu, im Alter klebrig zu werden. In Deutschland stach der Mercedes (Design: Michael Mauer zusammen mit Murat Günak unter Bruno Sacco) den Mazda als meistverkaufter Roadster aus.
Der Mazda hatte ein Stoffverdeck, der SLK ein Variodach, also ein klappbares Stahldach, welches im Kofferraum verschwand. In den 90ern der letzte Schrei, das wintertaugliche Cabriolet, offener und geschlossener Wagen in einem. Die Mode ist vorüber. Was von ihr blieb, sind ein paar Gebrauchtwagen mit dickem Hintern (weil das Stahldach ja irgendwo hin muss). Der SLK teilt wichtige Technikkomponenten mit der damaligen C-Klasse W202, ist aber eine eigenständige Konstruktion (auf seiner Basis entstand auch der Chrysler Crossfire). Daimler-Benz verdiente gut Geld daran, 311.222 Exemplare wurden in zwei Bauserien verkauft. Norev zeichnet das Ur-Modell nach, Herbst 1996 bis Anfang 2000: Schweller und Schürzen in Anthrazit (später in Karosseriefarbe), noch keine Blinker in den Außenspiegeln und das Kofferraumschloss auf der rechten Seite. In der Ur-Form (Mercedes-Szene-Jargon: „Vormopf“) gab es drei Motorisierungen, 2 Liter ohne und mit Kompressor (letzterer nur für südeuropäische Märkte) sowie 2,3 Liter mit Kompressor. Das Norev-Modell ist ein SLK 200 ohne Pumpe, also 136 PS stark.
Motor mit Tiefe und feine Scharniere
DaimlerChrysler bewarb den SLK als Symbiose aus Tradition und Moderne („Die Designer (haben) das Kapitel Roadster wieder spannend gemacht“), es gebe „ein Revival klassischer Elemente“, so seien die beiden Powerdomes auf der Motorhaube eine Hommage an den 300 SL, der Tacho erinnere an die Silberpfeile. Das Vario-Dach nimmt ganze vier Seiten im Premierenprospekt ein, muss es doch beschrieben werden (und dazu dient ein Foto-Model in Yellowstone). Beim Norev-Modell bedarf es auch einer Erläuterung. Norev stellt den Wagen im offenen Zustand dar, es gibt also kein funktionierendes Variodach. Der Kofferraum ist somit „voll“, nämlich voller Dach. Öffnet man ihn (wenn das Auto offen und somit das Dachzusammengefaltet ist), so sieht man als oberste Lage die (gelbe) Dachhaut. Das ist beim Modell ebenso und vorbildgerecht. Diese Dachhaut (sieht aus wie das Targadach beim Porsche 911) ist aus Kunststoff und herausnehmbar, was ein wenig Gefummel bedeutet. Sie ist deshalb herausnehmbar, damit der Sammler das schön gemachte Darunter sehen kann: Der eigentliche Kofferraumboden ist beflockt, darüber eine Kunststoffschale, die aufwendig bedruckt ist mit Warnhinweisen, was der Fahrer alles zu unterlassen hat (zum Beispiel, niemals etwas in diese Schale legen, in der das zusammengelegte Dach unterkommt). Einen anderen Sinn hat das herausnehmbare Dachmittelteil nicht. Wer meint, es sei Bestandteil eines Kits, also ein Einzelteil für ein funktionierendes Variodach, täuscht sich. Allerdings lässt sich der SLK natürlich auch als Coupé in die Vitrine stellen, Norev legt ein einteiliges Kunststoffhardtop bei. Wird dieses aufgesetzt, sollte (zumindest theoretisch) das Dachmittelteil aus dem Kofferraum herausgenommen werden. Kleiner Kritikpunkt: Sowohl das Hardtop als auch das beigelegte Dachmittelteil sind aus Kunststoff gefertigt, und dessen yellowstoniger Lack ist nicht nuancengleich zum Karosserielack. Damit kann man aber gut leben. Denn fast jeder Sammler dürfte sich den Wagen in offenem Zustand in die Vitrine stellen.
Norev hat den SLK „auf gewohnt hohem Niveau“ miniaturisiert (um einen bekannten Online-Händler zu zitieren, der diese Floskel bei jedem Modellauto in seinem Angebot verwendet), aber hier trifft die Floskel wirklich zu und ist somit keine solche mehr. Das Modell ist absolut serienmäßig konfiguriert, also mit den Standard-Siebenloch-Alus, kein AMG-Look. Herausragende Konstruktionsmerkmale an diesem Modell sind die hinteren Scharniere, wesentlich feiner gearbeitet als bisher bei Norev üblich und somit ein begrüßenswerter Fortschritt, der die Norev-Modelle in eine höhere Liga befördert. Die Motorhaubescharniere sind noch in der bisherigen Art gestaltet. Aber der Motor! Auch hier geht Norev neue Wege: nicht mehr die offensichtliche „Motorplatte“, sondern mehr Tiefe und mehr Details. Das ist nun wirklich ein gangbarer Kompromiss zischen der Platte und dem separat eingesetzten Motor (dessen es bei modernen Autos eigentlich gar nicht bedarf). Man sieht der Maschine auf den ersten und den „normalen“ Blick tatsächlich nicht an, dass sie kein separates Teil ist, wofür Norev sehr zu loben ist und was laut Produktmanager Sascha Voss künftig die allgemeine Norev-Linie sein wird. Teile der Innenkotflügel sind in Wagenfarbe gehalten, einzelne Aggregate wie der Hauptbremszylinder sind farblich abgesetzt, die Motoroberblende ist silbern, etliche Warnhinweise, Serviceaufkleber und Piktogramme sind sichtbar (wir sehen auf den ersten Blick, wo Scheibenwaschwasser nachgefüllt werden muss). Eigentlich fehlen jetzt nur noch ein paar Kabelchen und auch vorne anständige Scharniere und der Norev-Motorraum wäre perfekt. Norev ist auf dem richtigen Weg hin zu dieser Perfektion.
Innen und an der Karosserie ist sie – im Verhältnis zum Preis – längst erreicht. Die Interieursgestaltung ist klasse, sogar die weißen Ziffernblätter der Armaturen in Chromringen sind bestens umgesetzt, die Bedruckung der Mittelkonsole ist ein Traum, auch sonst sind alle nötigen Piktogramme am rechten Ort und der Boden trägt Teppich. Die Stellung des Handbremshebels wirkt, als sei diese angezogen, sehr schön sind die Stoffgurte mit glänzenden Schnallen. Außen fallen die zweifarbigen Heckleuchten und die dritte Bremsleuchte positiv auf, das nach rechts versetzte Kofferraumschloss und die eingesetzten, weißen Seitenblinker im Vorderkotflügel. Auch der Unterboden ist schön detailliert, besonders die Hinterachse, aber alles einfarbig schwarz, selbst die Auspuffanlage. Die mattschwarzen Karosserieunterkanten sind nicht etwa Bestandteil der Bodenplatte, sondern der Karosserie und schabloniert gemattschwärzt.
Innen ist der Mercedes einfarbig schwarz; laut DaimlerChrysler heißt die Polsterfarbe „Anthrazit“, und nur dieses Anthrazit gab es in Kombination mit Yellowstone, einer Farbe speziell für den SLK. Alle anderen Polster sind zweifarbig, mit schwarzen Partien gab es Mondrian (dunkelblau), Scarlett (rot) sowie Mint (olivfarbener Stoff) oder Quarz (beigefarbenes Leder). An Außenfarben offerierte das Werk neben Yellowstone noch Schwarz, Polarweiß und Imperialrot als Unilacke sowie die Metallictöne Smaragdschwarz, Vivanitgrün, Linaritblau und Brillantsilber – aber es gab etliche Sonder- und Designo-Lackierungen, Norev hat also viele Möglichkeiten. Brillantsilber wird die erste Fachhandelsfarbe sein, und dieses Modell wird kurz nach den Mercedes-Industriemodellen ausgeliefert, also wohl noch im Sommer. Die Produktion findet laut Voss gleich anschließend an die für Mercedes gefertigten Modelle statt.
Mit dem SLK ist Norev wieder ein Sahnestückchen gelungen, und der Fortschrittsdrang ist deutlich zu spüren: Die neuen Kofferraumdeckelscharniere sowie die wesentlich bessere Dreidimensionalität des Motors sind Schritte in die richtige Richtung. Der Vollständigkeit sei die Selbstverständlichkeit erwähnt: Der SLK ist all open, er federt und er lenkt, wobei die Lenkbewegung der Vorderräder mit derjenigen des Lenkrades verbunden ist.
afs




Modellfotos: bat

Modellfotos: bat



Foto: Archiv Daimler-Benz

Foto: Thomas Niedermüller/Archiv Daimler-Benz
Steckbrief:
Norev B6 604 0713 (Mercedes-Bestellnummer) Mercedes SLK 200 R170 1996 Yellowstone. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 115 Euro im Mercedes-Accessoire-Shop.