Revival, Zitat und Tribute
Nicht leben in der Vergangenheit, sondern leben von der Vergangenheit: Auch Porsche zitiert die gute, alte Zeit vor 40 Jahren, den Paris-Dakar-Sieg 1984, mit einem Sondermodell, das fast schon eine Neuentwicklung ist. Norev bringt eine wundervolle Miniatur davon, der Erstling gleich in der einzig wahren Dekoration: Roughroads, fast wie das legendäre Rotmans-Livrée.
Dakar hat einen Namen, hat einen Ruf. Seit Anfang der 80er Jahre. Zuvor kannte kaum jemand, zumindest in Westeuropa, die Hauptstadt des Senegals, ganz im Westen Afrikas, am Atlantik. Eben eine Großstadt in einem Entwicklungsland, ehemals die Hauptstadt Französisch-Westafrikas. Dann kam 1979 die Rallye Paris-Dakar für Geländewagen, just in der Zeit, als Geländewagen in Europa salonfähig, zivil und sogar ansatzweise sportlich wurden. Seitdem ist Dakar in aller Munde innerhalb der 4×4-Gemeinde, denn die Paris-Dakar war so ziemlich die abenteuerlichste Rallye überhaupt, pushte Stars und Marken, faszinierte die Zuschauer am Bildschirm, förderte den Offroad-Boom. Win on Sunday, sell on Monday galt auch für die Rallye Paris-Dakar, die heute nur noch „Rallye Dakar“ heißt, obgleich sie seit 2009 gar nicht mehr auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen wird. Es ist der Name, der bleibt und zählt.
Porsche hat zwei Dakar-Siege zu vermelden, 1984 und 1986, jeweils René Metge. Für die Paris-Dakar 1984 entwickelte Porsche den Typ 953, ein sehr spezieller Allrad-Elfer auf Basis Carrera 3.2 (der erste Elfer mit 4×4!), der Vorläufer des späteren 959. René Metge gewann zusammen mit seinem Co Dominique Lemoyne die Rallye, im zweiten Wagen wurden Jacky Ickx und Claude Brasseur Sechster, der dritte diente als Servicefahrzeug und war gleichzeitig auch in der Wertung, Rang 26. 1985 bedeutete für Porsche bei der Dakar mit dem neuen 959 einen Totalausfall. 1986 startete Porsche erneut mit dem 959, aber nun mit 600-PS-Biturbo-Motor, fulminantes Ergebnis, Doppelsieg: Gold für Metge/Lemoyne, Silber für Ickx/Brasseur und das Servicefahrzeug kam auf Rang 6. Zu dieser Zeit war Rothmans der Rallye-Hauptsponsor bei Porsche, beide Wagen werden also mit dem legendären Rothmans-Design verbunden, weiße Grundfarbe, dunkelblaue Flanken, voneinander abgetrennt von roten und goldenen Streifen.
Retro sells!
Heute ist alles voll mit Revival und Zitaten, Tribute und sonstigen Reminiszenzen an glorreiche Tage in der Vergangenheit. Auch Porsche schwimmt auf dieser Retro-Welle voll mit. Retro sells! Porsche zitiert seine Legenden mit einer Neuerscheinung, dem Elfer Typ 992, der auf harter Kerl macht, höher gelegt ist und auf Wunsch im „Rallye Design Paket“ kommt, also im Rothmans-Outfit. Aber natürlich steht nirgends „Rothmans“, ein heutiger Porsche ist nikotinfrei. Statt „Rothmans“ lesen wir „Roughroads“. Aber jeder meint, den Schriftzug „Rothmans“ zu erkennen – eine Fata Morgana, passend zum Wüstenauto. So bringt ihn Norev als Neuheit, zunächst 500 verschmutzte Exemplare exklusiv im Norev-online-Shop, danach frisch gewaschen als Fachhandelsmodell, wofür wir uns entschieden. Denn wir meinen, etwas Natürliches wie die Verschmutzung eines Autos lässt sich nahezu nicht artifiziell nachbilden, sondern ist stets ein Kompromiss.
Der 911 Dakar, Präsentation Los Angeles Auto Show 2023, ist ein Allradler mit Versteifungen (Aggregatelager vom GT3) und Hinterachslenkung, angetrieben vom 3-Liter-Biturbo-Sechszylinder mit 480 PS. Sein Clou: Er ist nicht tiefer, sondern höher gelegt, und zwar um 50 mm – und falls das nicht reicht, kann er mittels Liftsystem um weitere 30 mm nach oben wachsen (das sind 19,1 cm Bodenfreiheit!), darf dann aber nur noch mit Tempo 170 statt 240 rennen – was in der Sahara durchaus reicht. Er verfügt über einen Schotter-Matsch-nasse-Wiesen-Spaß-Modus sowie über einen Offroad-Modus für steinige Kletterpassagen und Dünen, was ihn zum ernst zu nehmenden Geländekraxler macht. Jedenfalls ernster als jene SUVs, welche die typische 911-Dakar-Klientel sonst in ihren Garagen stehen hat. Dafür empfiehlt sich das optionale Rallye-Sport-Paket (Überrollbügel, Sechspunktgurte). Vorne hat der Dakar einen Edelstahl-Unterfahrschutz und eine Bergeöse (natürlich nur, um andere zu bergen. Er muss nie geborgen werden. Für seinen Erwerb muss man sich höchstens einen Kredit borgen). Die Radhäuser sind breiter, darunter 19/20-Zoll-Alu-Schmiederäder Marke Dakar mit speziellen Pirelli-Scorpion-All-Terrain-Reifen, die Türschweller wurden mit Edelstahl-Einlagen aufgewertet, hinten ebenfalls Edelstahlschutz und Bergeöse, Spoiler feststehend. Wer für das Rallye-Design-Paket, also das Rothmans-Livery, optiert, kann sich die Startnummer aussuchen. Norev suchte sich jene aus, die sich Porsche für die Präsentation auch aussuchte, nämlich die 953 als Hommage an das Original, den Porsche Typ 953. Es gibt mannigfaches Zubehör vom Dachgepäckträger über Zusatzscheinwerfer, Cherry Can, Bergeboards bis hin zu Klappspaten und Dachzelt, das Norev noch nicht anbietet. Aber Norev hat Möglichkeiten zur Variation. Porsche hat nicht nur Rothmans im Angebot, sondern auch andere Klebesets, die an Porsche-Teilnehmer der East African Safari der Jahre 1971, 1974 und 1978 erinnern. Innen Sportlenkrad mit 12-Uhr-Markierung (in Shade-Green, worauf Porsche Wert legt!), Limitierungsplakette (mit gewünschter Limitierungsnummer, sofern man rechtzeitig bestellt. 2500 Exemplare werden gebaut), Dekoreinleger, etlicher Schnickschnack. Das Rallye-Design-Erweiterungspaket umfasst noch mehr, da ist die Dekoration nicht Shade-Green, sondern in Ceramica, blaue Kontrastnähte, blaue Gurte – alles, was großen Buben Spaß macht, die auf Dünen driften wollen. Zuvor müssen sie zahlen: 222.020 Euro für das Auto plus Rallye-Design-Paket mit Lackierung in Weiß/Enzianblaumetallic und weißen Rädern für 25.061 Euro und Rallye-Design-Erweiterungspaket für innen für 3046 Euro, also 250.000 Euro für den 911 Dakar in der Konfiguration, die uns Norev präsentiert. Kann man über drei Jahre leasen, Anzahlung 33.500 Euro, monatlich knapp 3000 Euro bei 10.000 jährlich gefahrenen Kilometern.
Die Welt braucht ein solches Auto nicht, die Sinnhaftigkeit darf von Pragmatikern angezweifelt werden. Aber nicht von Porsche-Afficionados. Der 911 Dakar ist ein Wow!-Auto, ein Leuchtturm. Natürlich sitzen, aus Sicht der Außenstehenden, immer die Falschen darinnen und spielen zum Posen mit dem Liftsystem. Aber man kennt das ja: Das Glück trifft immer die anderen und somit die Falschen.
Was man kaum sieht, kann man erfühlen
Jeder hat hingegen die Möglichkeit, den Norev Dakar zu kaufen (125 Euro, keine Leasingmöglichkeit) und kann ebenfalls mit dem Liftsystem spielen. Geht ein bisschen schwer, rastet mit vernehmlichem Klack ein, und im Gegensatz zum gleichen System im Citroën BX, der butterweich citroënig gefedert ist, bleibt der Norev-Porsche auf beiden Niveaus straff und knackig gefedert.
Ben Schumacher, der Norev-Produktmanager für diesen Porsche, muss jene großen Fußstapfen ausfüllen, die er selbst mit dem aktuellen 911 GT3 vorgegeben hat. Die Erwartungshaltung an einen neuen Norev-Porsche ist nach diesem hervorragenden Modell hoch. Und sie wird erfüllt. Der Dakar ist ein ebenso gutes Modellauto wie der GT3, und durch den Gimmick des höhenverstellbaren Fahrwerks übertrifft er ihn sogar. Hinten geht wie üblich nichts auf, weil am Original für den nicht-porschegelernten Fachmann in der Porsche-Werkstatt auch nichts aufgeht. Also Türen und Kofferraumklappe, natürlich lenkbar, gefedert auf beiden Höhenniveaus. Das Vorbild brilliert mit dem Spagat sportwagentypischer Dynamik trotz All-Terrain-Reifen und erfüllt ihn dank neu entwickelter Pirelli-Reifen. Auch diese hat Norev minutiös nachgebildet, klasse Profil, sogar mit schwarz beschrifteten Flanken. Die Felgenmuttern sind spitze, das Porsche-Logo auf den Naben auch, aber Luft nachfüllen kann man mangels Ventilen nicht. Muss man auch nicht, denn Norev verwendet im Gegensatz zu Porsche Vollgummireifen.
Das Chassis ist einfach gehalten, dürfte wohl dem Vorbild entsprechen, Andeutungen von Motor und Auspuff, silbern hervorgehoben. Der Porsche ist ein Modell, das man von oben betrachten muss, nicht von unten. Da begeistern den Betrachter „meshed grills“, also Fotoätzgitter, durch die er durchschauen kann, auch im Kofferraumdeckel, der inklusive seiner Scharniere von innen mattschwarz lackiert ist und den Blick auf eine Gepäckmulde freigibt, die beflockt ist. Die über ordinäre Abschleppösen hinaus dimensionierten Bergeösen vorne und hinten sind feuerrot, die Auspuffendrohre nicht hohl, sondern mit Innenleben. Hinten gleich drei eingesetzte „Leuchtmittel“, zwei in den Stoßfängern, eine im Spoiler sowie das Leuchtband mit geprägtem „Porsche“-Schriftzug, unter dem „911 Dakar“ kaum zu sehen ist, weil schwarze Schrift auf dunkelblauem Grund. Aber zu fühlen ist die ganz leicht erhabene Schrift, wenn man mit dem Finger darüber streicht. Der am Boden ebenfalls beflockte Innenraum donnert richtiggehend, was an den Farben liegt. Die Grundfarbe ist eine Nichtfarbe, ist dröges (nein, sorry: sportliches) Schwarz. Aber das steht nicht alleine, und farbliche Akzente sind so wenig etwas Besonderes wie mit Decals verbuntete (hier: gebläute) Sitzbezüge. Was hervorragend gelungen ist und ins Auge sticht, ist das Stitching, was ein neumodisches Wort für die Darstellung von Nähten ist, vulgo also eine Linie, die aus Farbpartikeln mit Unterbrechungen besteht. Und das ist Norev hervorragend, akkurat und kerzengerade in den Türinnenverkleidungen gelungen, leuchtendes Blau auf schwarzem Untergrund. Ebenfalls positiv erwähnenswert sind die farblich hervorgehobenen Türgummis und die kleinen Hinweiskleber, die ein Auto eben hat, zum Beispiel im Türbett unterm Türschloss. Bleibt noch, obgleich eine Selbstverständlichkeit im Hause Norev, die Botschaft, dass die 992-Form perfekt gelungen ist, die Lackierung fehlerfrei, die Bedruckung präzise und der Gesamteindruck prima ist.
Die populärste Farbe für den 911 Dakar dürfte das Rothmans-Livery sein – auch, weil er unter dieser Prämisse erfunden und derart präsentiert wurde -, gefolgt von den East-African-Safari-Dekorationen. Wäre er eine Hommage an die East-African-Safari-Siege gewesen, so hätte sein Name nicht „911 Dakar“, sondern „911 Safari“ gelautet. Porsche bietet neben den Rallyetributs und Serienfarben auch die „Paint to Sample“-Sonderwunscherfüllung an. Norev hat also noch viele Möglichkeiten. Die nächste ist Oakgrünmetallic, lieferbar ebenfalls ab Ende September zum gleichen Preis.
afs
Steckbrief:
Norev 187240 Porsche 911 (Typ 992) Dakar 2023 mit Rallye Design Paket. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 125 Euro.