Hyperaktive Wespen
Kaum ein Fahrzeug strahlt so viel Ausgelassenheit und Lebenslust aus wie eine klassische Vespa. Sie ist das absolute Kultmobil der Jugendlichen in den späten 60er und während der kompletten 70er Jahre gewesen, brachte Männlein und Weiblein zusammen, ist das Symbol jugendlicher Lebensfreude – mindestens genau so wie die Disco. Norev erinnert daran. Und wie!
Ist die Vespa ein Motorrad? Wodurch ist ein Motorrad definiert? Immerhin durch zwei Räder und dadurch, keine Karosserie zu haben. Die Vespa hat zwei Räder, aber sie hat auch eine Karosserie. Also ist sie ein „karossiertes Motorrad“. Jedenfalls ist sie ein Motorroller, aber diese Bezeichnung berücksichtigt nicht die Tatsache, dass sie karossiert ist. Zweiräder sind die Ausnahme in Caramini-online, die Norev-Vespa ist die Ausnahme wert. Persönliche Befindlichkeiten spielen eine Rolle. Der Autor wünschte sich mit 16 sehnlich eine Vespa, bekam aber keine mit dem Verweis auf das zu erwartende Auto mit 18 und durfte/musste zwei weitere Jahre Fahrrad fahren. Immerhin hatte das Fahrrad wenigstens einen automobilen Namen. Es hieß Peugeot.
Die Vespa ist ein Motorroller, aber sie ist viel mehr als dies. Sie ist Lebensgefühl, Stilikone, sie ist ein Wonneproppen, sie ist sexy, sie ist italienisch, sie ist ein bisschen Gina Lollobrigida, sie ist amore mio, sie ist ewig jung und sie entspricht dem Lebensgefühl der Westdeutschen in den ersten Nachkriegsjahrzehnten, als es sie unvermeidlich nach Bella Italia lockte, ins Land, wo die Zitronen blüh’n. Der Motorroller kam in den 50er Jahren nach Deutschland, vorzüglich nach Westdeutschland (aber in der DDR gab es ihn auch, von IWL den Pitty, Wiesel und Troll und die Simson Schwalbe weiß selbst nicht so recht, ob sie ein Motorroller oder ein Moped sein will). Hans Glas baute den Goggo-Roller, NSU die italienische Lambretta in Lizenz und danach die NSU Prima, Heinkel den Tourist, Zündapp die Bella und Adler den Junior, und die italienische Vespa wurde in Westdeutschland zunächst von Hoffmann und ab 1954 zehn Jahre lang von Messerschmitt in Lizenz gebaut. Und dann gab es noch die Dürkopp Diana, die Maicoletta von Maico und die DKW Hobby – alles Motorroller oder, wie man auf Englisch so schön sagte, Scooter. In Italien waren es hauptsächlich Innocenti (Lambretta), Iso Rivolta (Iso Scooter) und eben Piaggio (Vespa), die sich einen Namen in Sachen Motorroller machten.
Der Vespa-Erfinder Corradino D’Ascanio wollte bei Piaggio Hubschrauber konstruieren, aber Enrico Piaggio schaffte ihm einen Motorroller an, 1946 erschienen und in seinen Grundzügen (vordere Kurzschwinge und hintere Triebsatzschwinge) bis heute aktuell. Solange der Motorroller als Substitut für das unerschwingliche Auto galt, erlebte er einen Siegeszug als praktisches Fortbewegungsmittel in Europa, der spätestens Mitte der 60er Jahre abflaute. Dann wurde der Roller zum Lifestyle-Spaßmobil für die Milchbar-Generation. Das Design wurde beständig weiterentwickelt, ohne dass grundsätzliche Änderungen vorgenommen wurden. Die Vespa war sich selbst genug. Sie wurde immer stärker, von anfangs 3,2 PS aus 98 cm³ bis zur 150er (und sogar noch größer), und die 8-Zoll-Rädchen wuchsen bis Mitte der 60er zu 10-Zöllern an. Schon 1955 gab es das erste Vierganggetriebe. 1964 erschien die erste „kleine Vespa“ mit 50 cm³ in der Moped-Klasse (also für die 16jährigen), 1968 kam die 125 Primavera, eine der beliebtesten Vespen. 1970 erstmals mit Elektrostarter, 1972 durchbrach die Vespa 200 Rally die 100-km/h-Schallmauer und 1977 gab es eine neue, etwas eckigere und geglättete Karosserie (erstmals an der P 125 X, gebaut bis 2016), das Ende der klassischen Vespa.
Norev bringt die Klassiker aus den späten 60ern, welche das Straßenbild der 70er und 80er Jahre bestimmten, im Maßstab 1:18, Metallkarosserie mit Plastikanbauteilen, sehr hübsch detailliert, zeitgenössische Farben, italienische Zulassung – schlichtweg schnuckelige Modelle zum 20-Euro-Budgetpreis. Die Vespa 50 N ist klein, aber oho (also mit Smallframe-Rahmen), 1,5 Pferdchen aus 49,77 cm³, Norev bringt die zweite Serie 1965 bis 1971 in zartem, wässrigem Blau (Blu Acqua Marina). Ihr zur Seite steht die parallel zur 50 N gebaute 50 R in einfacherer Machart (geschlossene Felgen, andere Sitzbank) in Giallo Positano, einem in Richtung Ocker gehenden Gelb. Ebenfalls mit Smallframe-Rahmen, aber großem Motor, kommt die Vespa 125 Primavera in Blaumetallic, gebaut zwischen 1967 und 1983, 5,6 PS aus 121 cm³, 88 km/h schnell. Der schräg verlaufende „Vespa“-Schriftzug auf dem Schutzschild verweist auf die erste Serie, danach waagerecht angebracht, größeres Rücklicht und Farbe der Griffe schwarz statt grau. Norev hat all diese Spezifika sorgfältig recherchiert. Die kleinen Vespen machen richtig Spaß und beamen den Betrachter in seine Jugend zurück. Voll auf Zucker, diese Wespen!
afs

Modellfotos: bat




Fotos. Archiv afs
Steckbrief:
Norev 182081 Vespa 50 N 1969 Blu Acqua Marina, 182080 Vespa 50 R 1969 Giallo Positano, 182100 Vespa 125 Primavera 1968 blaumetallic. Fertigmodelle Kunststoff, Maßstab 1:18. UVP je 19,95 Euro.