Von Bärtierchen und Käfertierchen
Ein schwarzes Käfer Cabrio, absolut klassisch, kommt von Norev. Garniert mit seinen breiten, weißen Reifenflanken sieht es très chic aus, wie man es aus seiner Endphase gewöhnt ist, wie viele US-Reimporte in Erinnerung blieben. Aber es ist kein spätes US-Car, sondern ein 1972er VW 1303 in Heimatspezifikationen, und sein Vorbild wurde eindeutig restauriert.
Es gibt Lebewesen, die überleben alles und überall. Bärtierchen sind das, biologisch heißen sie Tardigraden, und sie überleben im ewigen Eis und im All, sie werden den Klimawandel überleben, wenn er noch extremer ausfallen sollte als ohnehin beschworen, auch den atomaren Overkill – das Bärtierchen wird leben, bis die Sonne verglüht. Ähnlich wie der Käfer. Der VW Käfer als Cabriolet, der auch den Overkill der Cabriolets überlebte und, zusammen mit dem Rolls-Royce-Corniche, in der zweiten Hälfte der 70er Jahre das einzige, viersitzige, komplett offene Cabriolet ohne Überrollbügel war. Bis 10. Januar 1980. Dann trat etwas ein, was selbst ihn aussterben ließ. Das Bärtierchen ist dem Käfer Cabriolet also eindeutig überlegen.
Das VW 1303 Cabrio von Norev ist ein wunderschönes Käfertierchen, und es kann nicht genügend Farben geben, in denen es erscheint. Es gibt durchaus Sammler, die jede Farbvariante kaufen, auch Limitiertes in Sachen 1303 Cabriolet. Sie bekommen ihn nun in Schwarz, neben Marsrot und Silber eine der populärsten Farben später 1303 Cabriolets. Aber Norev macht einen frühen, ein 1972er Modell mit den Blinkern auf den Stoßstangen. Norev kann auch anders, hat eine Wechselform geschaffen, vermag auch 1303 mit ohne Blinker auf den Kotflügeln zu formen. Die tragen sie dann in den Stoßstangen. Das schwarze Cabriolet ist nicht ganz im Originalzustand, aber das ist heute auch kaum mehr ein originaler 1303. Er wurde wohl mal neu lackiert, wobei er seine serienmäßigen Steinschlagschutzecken einbüßte und einen moderneren Heckschriftzug bekam. Hinten steht nämlich nur „VW 1303“, was ab 1975 Usus war. Zuvor müsste auf dem Motordeckel „VW 1303 LS“ stehen, denn das Cabriolet trug serienmäßig die L-Ausstattung und den 1600er-Motor mit 50 Pferdchen, wofür das „S“ im Heckschriftzug steht. Und die Reifen mit den breiten weißen Flanken erhielt er auch im Zuge der Neulackierung, denn via Osnabrücker Fließband bekam er so etwas von Karmann nicht. Käfer Cabriolets in US-Spezifikationen waren zwar mit „Whitewall Tyres“ zu haben, aber zeitgenössisch waren das nur aufvulkanisierte, schmale Ringe. Die komplette Reifenflanke in strahlendem Weiß, das ist 50er-Jahre-Stil und somit eine reine Zubehörangelegenheit. Vielleicht sind es auch die berüchtigten Atlas-Weißwandringe, die zwischen Reifenflanke und Felgenhorn eingeklemmt wurden, was den TÜV-Prüfer regelmäßig zu Schimpftiraden motivierte. Er verweigerte dem Probanten die Plakette. Und überhaupt und außerdem: Als dieser Norev-Käfer geboren wurde, also 1972, war Schwarz gar nicht auf der Käfer-Farbpalette. Schwarz erschien erst 1976 für das Cabriolet und blieb nicht mal bis zum Produktionsstopp am 10. Januar 1980, sondern nur bis Modelljahr 1978 lieferbar. Also eindeutig ein restauriertes und nicht im Originalfarbton lackiertes Fahrzeug. Trotzdem so schön wie jedes andere Volkswagen 1303 Cabriolet von Norev.
Und jetzt wollen wir noch eine für uns neue Erkenntnis zum Thema Rechtschreibung in der englischen Sprache mit den Lesern teilen, die uns beim Schreiben von „Whitewall Tyres“ überkam: Tyres oder Tires? „Tyre“ heißt der Reifen auf Englisch, und so haben wir es in der Schule gelernt. Die Amerikaner hingegen schreiben „Tire“.
afs



Modellfotos: bat


Foto: Rutger van der Maar
Steckbrief:
Norev 188533 Norev Volkswagen 1303 LS Cabriolet 1972 schwarz. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 69,90 Euro.