Apropos Kombi
Knallorange, in Le Mans zugelassen: Ottomobile bringt die sportlichste Version des Renault 12 Kombi, den R12 TS Variable mit mattschwarzem Grill und Sportstahlfelgen. Er war ein Trendsetter und hatte zu seiner Zeit nichts Vergleichbares. Ottomobile ist wieder mal ein wunderbarer französischer Klassiker gelungen.
Apropos Kombi. Da schloss das eine in der Vergangenheit stets das andere aus. Ein Kombi durfte nicht luxuriös und familiengerecht sein. Er war ein Arbeiter und als Handwerkerauto wartete er höchstens das Mindestmaß an Komfort auf. Ein Kombi durfte nicht sportlich sein. Denn er musste schuften und durfte nicht driften. Das galt für Europa, nicht für die USA. Wer in Europa einen Sport-Kombi wollte, musste sich in Großbritannien einen Shooting Brake zimmern lassen. Und wer einen Luxuskombi wollte, musste seinen 450 SEL 6.9 bei Pollmann in einen solchen verwandeln lassen.
Erst Ende der 60er Jahre gab es erste Ansätze, beispielsweise einen Opel Commdore A Voyage, der über das Prototypenstadium nicht hinauskam. In den 70ern dann ergriff Ford, die US-Konzerntochter, die Initiative, spendierte dem Granada Turnier das S-Fahrwerk und implantierte ihm serienmäßig 108 PS mit etlichem Potenzial nach oben. Und als sich dann noch zwei Jahre später Daimler-Benz dazu durchringen konnte, dass sich die Marke Mercedes und der Gattungsbegriff des Kombis durchaus nicht beißen und 1978 das W123 T-Modell, also den S123, lancierte, war der Kombi plötzlich ein arriviertes Fahrzeug, das nicht nur praktisch ist und Blaumann trägt, sondern durchaus familientauglich, luxuriös und/oder sportlich sein kann.
Die Franzosen sind traditionell eine Kombi-Nation. Sie machten aus ihren großen Kombis à la DS und CX oder Peugeot 504 und 505 schon immer einen Familiale mit acht Sitzplätzen, also familiengerechte Kombis. Warum? Weil die Franzosen traditionell keine Transporter-Nation sind. Ihre Transporter tendierten stets in Richtung Lastwagen, während deutsche Transporter sich stets bemühten, zumindest ansatzweise ein PKW-Fahrverhalten an den Tag zu legen. Also kaufte die französische Großfamilie keinen Achtsitzerbus, der sich wie ein Laster fuhr, sondern einen Achtsitzer-PKW, der sich wie ein solcher fuhr. Aber sportlich waren die nie.
Der R12 TS als französischer Trendsetter
Fast vergessen der Renault 12 TS Variable. Er gehört zu den Trendsettern. Denn er verband die Kombikarosserie des R12 mit dessen sportlichster Version, dem TS, was für Touring Sport steht. Der R12, 1969 erschienen und vom Renault-Stilisten Robert Broyer unter Chefdesigner Gaston Juchet, der den R16 entworfen hatte, im angenäherten R16-Stil gezeichnet, aber mit abfallendem Stufenheck, bediente die untere Mittelklasse und war technisch recht einfach aufgebaut. Seine Hauptkonkurrenten Simca 1301 und Peugeot 304 gab es als Kombi, so folgte im Sommer 1970 auch die Kombiversion des R12. In Frankreich hieß sie Break, Renault-Deutschland vermarktete sie als Variable. Einen Hammer lieferte Renault, als der R12, der den R8 beerbte, in dessen Tradition in einer Gordini-Variante herauskam, 113 PS stämmig, doppelt so stark wie ein normaler R12, der in der 50- bis 55-PS-Klasse angesiedelt war (Cléon-Fonte-Motor). Der war nicht alltagstauglich, aber verschaffte dem Biedermeier R12 eine sportliche Aura, die Renault Ende 1972 mit der Version R12 TS ins Tagesgeschäft transportierte. Der 1289-cm³-Vierzylinder brachte 60 PS dank neuem Vergaser, außen trug er eine verchromte Flankenzierleiste, rechteckige Jod-Zusatzscheinwerfer und Fergat-Sportstahlfelgen im Stil des Gordini, innen neue Vordersitze mit integrierten Kopfstützen (das, was man in VW-Käfer-Kreisen so nett „Grabsteine“ nennt), dazu Drehzahlmesser, Zeituhr und Mittelkonsole, unterm Blech wenigstens einen Bremskraftverstärker. Diesen R12 TS der ersten Stunde miniaturisiert Norev als Diecast-18er. Zum Pariser Salon 1973 wurde die Break-Version nachgeschoben. Gleichzeitig erhielt der R12 TS neue Scheinwerfer mit integrierten Jod-Zusatzlampen, sodass die separaten, rechteckigen Leuchten, auf der Stoßstange montiert, wegfielen. Die erste Serie des R12 und somit des R12 TS wurde bis Sommer 1975 gebaut, auf dem Pariser Salon im Oktober debütierte die Faceliftversion, die es weiterhin als TS gab.
Mit der Baujahresbezeichnung 1976 seiner Neuheit liegt Ottomobile also falsch. Das Modelljahr 1976 stand im Zeichen des Facelifts, das Otto-Mobil repräsentiert die Modelljahre 1974 und 1975. Der R12 TS Break ist keine Ottomobile-Formneuheit, sondern eine Wiederbelebung. Das Modell erschien erstmals im Herbst 2016, 1500 Exemplare in Gelb, und wird nun in Orange Andalou 318 erneut aufgelegt, nunmehr 999 Stück. Ottomobile ist damit wieder ein kleines Meisterstück gelungen, an dem es nichts auszusetzen gibt, nur Lob. Formal und proportional alles bestens, gute Verarbeitung, glänzende, glatte Lackoberfläche, schöner Chrom, feine Details. Bemerkenswert sind die Kleinigkeiten, so die Flankenzierleiste. Die ist nicht nur erhaben graviert, wie „man“ das normalerweise macht (oder gar nur durch einen Druck angedeutet, wie Norev es bei seinem R12 TS macht). Ottomobile gravierte die Kerbe im Blech nach, in deren Mitte die Zierliste erhaben modelliert wurde. Hübsch auch der Plastik-Tankverschluss, sehr gut die zweifarbigen Fergat-Felgen und nett wie immer die Dekoration der Aufkleber auf den Scheiben: hinten die Renault-Eigenwerbung und der Hinweis auf Elf als offiziellem Schmiermittelzulieferer, vorne die Steuerplakette, die besagt, dass der Eigentümer für das Jahr 1977 seinen Obolus an die Obrigkeit entrichtete. Vom schwarzen Innenraum ist nicht viel zu sehen aus tiefer Schwärze, aber die Renault-Interieurs in den 70ern waren auch nicht sonderlich sehens- und erlebenswert. Immerhin sind die „Grabsteine“ gut nachgebildet und Ottomobile berücksichtigte, dass Renault den R12 innen nicht völlig auskleidete. So spitzt an den unverkleideten Fenstersäulen und in Teilen des Laderaums knalliges Orange durch, was die Tristesse etwas aufhellt.
Wer Kombis mag, wer den R12 mag, benötigt den Otto-Break, und neben der Norev-Limousine, die es auch als Gordini (mit oder ohne Stoßstangen) gibt, findet er ein nettes Plätzchen, an dem er sich besonders wohl fühlt.
afs




Modellfotos: bat


Steckbrief:
Ottomobile OT1139 Renault 12 TS Variable 1974 orange. Fertigmodell Resine, Maßstab 1:18. Auflage 999 Exemplare. Preis ca. 100 Euro.