Outdoor-Spielzeug mit Frischluft-Garantie
Der Matra Rancho wird total unterschätzt. Er ist das erste Outdoor-Spielzeugauto ohne Offroad-Ambitionen – quasi das erste echte SUV. Und in seiner Einjahres-Version namens Découvrable sogar das erste Cabrio-CUV. Ottomobile hat sich an ihn erinnert und erinnert uns daran mittels seiner 1:18-Neuerscheinung.
1981 war das letzte Modelljahr, in dem es bei der Peugeot-Schwestermarke Talbot noch echte Neuheiten gab, also tatsächliche Neukonstruktionen: den Talbot Tagora als Nachfolger des Chrysler/Simca 2 Litres und den Talbot-Matra Murena in Folge des Bagheera. Sie drehten sich publikumswirksam auf dem Pariser Salon im Oktober 1980, und da fiel die Karosserievariante des Talbot-Matra Rancho kaum auf: Im Schatten von Tagora und Murena stand der Rancho DC, was Découvrable heißt. Das war wieder mal ein französisches Wortspiel, denn das Wort hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen heißt es „erkennbar“ und „unterscheidbar“, zum anderen steckt „ouvrir“ = öffnen darin, dass der Wagen also zu öffnen sei. Und das war er, eine Art SUV-Cabriolet.
Die Rancho-Karosserie bestand im hinteren Teil aus Kunststoff und war somit nicht tragend, die Bodengruppe (aus Stahl natürlich!) stammt vom Simca 1100 Lieferwagen, die Frontpartie inklusive Türen ebenfalls. Den hinteren Teil änderten die Matra-Konstrukteure ab. Die Seitenpartien und das Heck oberhalb der unten angeschlagenen Klappe waren vollkommen offen und mit aufrollbarem, teil transparentem Planenstoff geschützt – also eine Art Rollplane wie das Dach des Citroën 2CV und Dyane. Seine Ausstattung basierte auf dem normalen Rancho (1442-cm³-Vierzylinder mit 80 PS, Frontantrieb), dessen übergeordnete Ausstattungsvarianten blieben dem Offenen verwehrt, also keine Luxusversion à la Rancho X und keine feldwegtaugliche Version mit Sperrdifferenzial à la Grand Raid.
Ein kommerzieller Erfolg scheint der Rancho Découvrable wahrlich nicht gewesen zu sein, denn er war nur ein Jahr lang lieferbar. Im Katalog 1982 war er bereits nicht mehr enthalten. Aber auch die anderen Rancho und überhaupt die Matra-Typen hatten keine lange Zukunft im Talbot-Programm vor sich. Noch bevor Peugeot seine Marke Talbot fallen ließ, verabschiedete sich Matra im Jahre 1984 von Peugeot und wandte sich Renault zu. Peugeot hatte nämlich an der Matra-Neukonstruktion, einer Großraumlimousine als potenziellem Rancho-Nachfolger, kein Interesse. Renault hingegen erkannte das Potenzial und machte daraus den Espace, der den 20jährigen „Van-Trend“ einläutete. Peugeot schaute in die Röhre. Selten war eine automobile Entscheidung so radikal falsch wie das Nichterkennen dieses Trends durch den Peugeot-Konzern – quasi eine späte Strafe dafür, Talbot (und damit das Erbe von Simca) nicht weiterleben zu lassen.
Mit dem Rancho, gezeichnet vom Matra-Designer Antonis Volanis, „erfand“ Matra quasi die Kategorie der SUV als Freizeitfahrzeug mit Offroad-Allüren. Weil der Rancho auf Basis des Simca 1100 Lieferwagen beruht, musste er mit Frontantrieb Vorlieb nehmen und kam nie in den Genuss, ein 4×4 zu sein. Aber sonst erfüllte er alle SUV-Vorgaben und machte gehörig Spaß. Produziert wurde er von Matra im Chrysler/Simca-Auftrag, ursprünglich als Nischenprodukt eingestuft, aber bis zum Stopp anno 1984 entstand die stattliche Zahl von 57.792 Fahrzeugen. Zur Welt kam er als Matra/Simca Rancho, nach dem Verkauf von Simca an Peugeot hieß er ab Herbst 1979 Talbot-Matra Rancho. Außer dem ein-Jahres-Cabriolet erfuhr der Rancho während seines achtjährigen Lebens nahezu keine Modifikationen. Den Découvrable gab es nur in zwei Farben, dem Vert Sologne, für das sich Ottomobile entschied, und ein Rotbraun namens Terre Battue, jeweils kombiniert mit einer wetterfesten, braunen Kunstlederausstattung mit hellen Sitzkedern.
Eintagsfliege in Vert Sologne
Die Besonderheit des Découvrable ist seine Offenheit und genau so stellt ihn Ottomobile dar: Die Zeltbahnen nicht nur aufgerollt, sondern ausgehängt, das Auto ist also völlig nackt. Gut zu sehen ist der obere Kunststoffaufbau, der bei allen Découvrables unabhängig von der Karosserielackierung in hellem Beige gehalten ist, quasi nur ein Gerüst, verstärkt durch schwarze Rohre. Die Karosserie lackierte Ottomobile in einer Wald-und-Wiesenfarbe, in Vert Sologne, Innenausstattung braun, die Sitze mit akkurat „abgesteppten“ beigefarbenen Kedern. Hübsch ist, dass die Türinnenverkleidungen nur einen Teil der Türen abdecken, man also auch innen Karosseriefarbe sieht. Das bekannte Simca-1100-Armaturenbrett ist schwarz, das Talbot-„T“ auf der Nabe. Außen ist der Rancho martialisch mit mattschwarzen Beplankungen gehalten, auch Rammbügel und optionale Seilwinde vorne (gut gemacht, mit Haken), dazu integrierte und vergitterte Zusatzscheinwerfer, die Unterstützung von einem weiteren Paar Weitstrahlern vor der Windschutzscheibe erhalten, hinten die serienmäßige Anhängekupplung.
Der Découvrable ist eine erfreuliche Formneuheit. Ottomobile hatte bereits zwei geschlossene Rancho im Programm, 2015 einen Rancho X und 2016 einen Rancho Grand Raid als Gendarmerie-Fahrzeug. Einen Rancho Grand Raid als Zinkdruckgussmodell gibt es von KK-Scale. Einen offenen machte bisher niemand im 1:18. Das bedeutet, das Thema „Matra Rancho“ in 1:18 dürfte nun abgefeiert sein, sofern nicht jemand die Sondereditionen (Jeanneau Wind (auf anderen Märkten: Nautica), Open, Davos, Courrèges und Midnight) peu-à-peu abfeiern möchte, was eine nette Aufgabe für KK-Scale wäre. Außerdem baute ein niederländischer Karosseriebauer eine behindertengerechte und rollstuhlgeeignete Rancho-Version, die Talbot ins allgemeine Programm aufnahm, auch in Deutschland. Auch das wäre mal eine interessante Idee en miniature, denn unseres Wissens gibt es nicht ein spezifisch behindertengerechtes Fahrzeug als Modellauto.
afs



Modellfotos: bat



Foto: Archiv afs
Steckbrief:
Ottomobile OT1096 Talbot Matra Rancho Découvrable 1981 grün. Fertigmodell Resine, Maßstab 1:18. Auflage 1500 Exemplare. Preis ca. 100 Euro.