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News 1:18 Touring Modelcars Opel Kadett B L Caravan 1,2 Automatik 1972

Reichtum im Kleinen

Je wohlhabender der Mensch, desto schöner, größer und luxuriöser sein Auto. An seinem Auto lässt sich der Wohlstand des einzelnen messen. Das klingt heute gestrig. Es ist auch gestrig. Da wir über gestrige Autos schreiben, gilt Gestriges. Der neue Opel Kadett Caravan von Touring Model Cars passt allerdings überhaupt nicht in dieses Schema.

Wer nur Geld hat für einen kleinen Kadett, achtet auf die Mark. Und nur ein Handwerker fährt einen Kombi. Das sind durchaus die Maximen der frühen 70er. Einer sah das anders, viel differenzierter. Dieser Eine kaufte einen kleinen Kadett Caravan des Modelljahrs 1972, also nach August 1971 (und diese Version hatte ihre Gültigkeit bis zum Auslaufen des Kadett B im Juli 1973). Da war der Kadett B bereits auf dem Abstellgleis, der Ascona A war erschienen und kannibalisierte alle größeren und luxuriöseren Kadett-Varianten: kein fünftüriger Caravan mehr, keine 1,7-Liter-Version mehr, kein LS- und Kiemen-Coupé mehr (dafür gab es den Manta), schon gar kein Olympia mehr (sondern den Ascona). Unser potentieller Kunde hätte am liebsten einen Olympia Caravan gekauft (den es nie gab), denn er wollte so viel Kadett-Luxus wie möglich, aber er benötigte keinen großen Wagen, keinen Rekord Caravan, auch keinen Ascona Voyage. Also griff er zum best ausgestatteten Kadett Caravan und gönnte sich für ihn (fast) alle erdenklichen Extras. Genau das ist das Vorbild des Touring Kadett B Caravan: Ein Caravan in L-Ausstattung mit Automatik in der edelst möglichen Farbkombination, Limonengrünmetallic mit heller Innenausstattung. Dass Opel den Caravan überhaupt mit L-Ausstattung anbot, lag an den amerikanischen Wurzeln des Konzerns. Denn in den Staaten war ein Station Wagon schon lange ein etabliertes Familienfahrzeug. Aber eben nicht in Europa, so sehr sich Opel und Ford auch bemühten, den Kombi familien- und salonfähig zu machen.

Im Kadettchen reisen wie der kleine König

Das L-Modell in seiner letzten Ausbaustufe ab August 1971 war also der leckerste aller Kadetten, meist mit dem 1,2-Liter-S-Motor mit 60 Pferdchen zu haben, seltener mit der Basismaschine 1,1 Liter mit 50 PS. Dann kamen schöne Ausstattungsaufwertungen hinzu: Zusatzchrom rund um die Vorder- und Heckscheibe, an den Radläufen und am Schweller, Radzierringe, Stoßstangenhörner, Rückfahrscheinwerfer, innen Feinheiten wie Make-up-Spiegel in der Beifahrersonnenblende, kippbarer Innenspiegel, beleuchtetes Handschuhfach, Zigarettenanzünder, feinere Polsterbezüge und Teppichboden, Holzfurnier rund um die Instrumente und elektrische Uhr. Der teilgeschwärzte Kühlergrill hat nichts mit der L-Ausstattung zu tun, er ist charakteristisch für die Kadetten der letzten Jahre. Touring Modelcars gönnte seinem Modell sogar die optionale Dreistufenautomatik, was sich nicht nur am Wählhebel auf dem Mitteltunnel manifestiert, sondern auch am passenden Heckschriftzug. Ebenfalls Extras sind der rechte Außenspiegel und die heizbare Heckscheibe. Nur auf den verchromten Dachgepäckträger und die zusätzlichen Halogenscheinwerfer verzichtete der Neuwagenkäufer. Die L-Ausstattung wurde sehr gut von Touring Modelcars umgesetzt. Die drei einzelnen Leuchteinheiten auf der hinteren Stoßstange für das Kennzeichen kannten wir nicht, sondern nur eine einzige, breite Beleuchtungseinheit. Aber Vergleiche mit Vorbildfotos beweisen, dass es beide Arten der Kennzeichenbeleuchtung am Kadett Caravan gibt. Kritik am Modell? Stimmt etwas nicht? Ja, Kleinigkeiten: Die Stoßstangenhörner müssten verchromt mit Gummiauflage sein, sind aber komplett schwarz, also vollständig aus Gummi. Das gab es beim Kadett B nicht. Sodann wundern wir uns über zwei Kerben am unteren seitlichen Ende der Vorderkotflügel (also vor dem Türschweller). Wir haben solche Einkerbungen noch nie an irgendeinem Kadett B gesehen und getrauen uns zur Behauptung: Das gibt es nicht. Sodann: Schön ist, dass Touring Modelcars den Kofferraum mit Teppichboden beflockt hat, unverständlich hingegen, dass der Fahrzeugboden keine Beflockung aufweist. Zum Kadett L gehört ein Teppichboden. Das sind Petitessen im Detail, welche die hervorragende Anmutung dieses Modellautos nicht beeinträchtigen.

Sealed als Ausnahmeerscheinung

Touring Modelcars brachte seine drei Erstlinge als all-open-Modelle, der Viertling kommt rundum geschlossen, also sealed. Eine Aufgabe der bisherigen Strategie? Nein. Es werden weiterhin all-open-Modelle in der Serie erscheinen. Aber der Inhaber Thomas Langejürgen schätzte im Falle des kleinen Kadett die Verkaufschancen und die Marktposition schlichtweg dergestalt ein, dass sich der Kadett Caravan in sealed-Machart zum günstigeren Preis (70 statt 100 Euro bei den all-open-Varianten) besser verkauft. Die Miniatur ist rundum gelungen bis auf den etwas zu weit nach außen gestellten Türschweller, was eine formwerkzeugimmanente Eigenschaft darstellt: Es geht bei einer einteiligen Karosserie nicht anders, das Werkstück würde sonst im Formwerkzeug stecken bleiben. Die Alternative wäre ein extra angebrachter, unterer Karosserieabschluss, womöglich aus Kunststoff, was auch wiederum seine Nachteile mit sich brächte. Aber am Kadett Caravan fällt der mangelnde, untere Karosserieeinzug weit weniger auf als an so manch anderem Modell.

Darüber hinaus ist alles prima, ein ganz tolles Kadettchen! Trotzdem er sealed ist, weist der Opel Caravan einige hervorzuhebende Details auf wie beispielsweise sehr schöne Leuchten, auch hinten, fein ziselierte Scheibenwischer, sehr korrekte Felgen mit Radkappen plus Radzierringen, erfreulich der Aufwand, den Dachhimmel zu mattweißeln (und Sonnenblenden und ein separater, schwarzer Innenrückspiegel wurden auch nicht vergessen). Innen gefällt uns, dass der Wagen Kadett-typisch nicht vollständig ausgekleidet ist, sondern viel lackiertes Blech an den Türen und im Laderaum zeigt, was im Kontrast zur hellen Innenausstattung gut sichtbar ist. Der Kadett hat nicht mal Grund, seinen Bauch zu verstecken: Da haben wir an weit teureren Modellen schon weit weniger detaillierte Fahrgestelle gesehen: Der Kadett wies nach 1968 eine komplett neue Hinterachse auf. Die blattgefederte Starrachse wich einer ziemlich aufwendigen Konstruktion mit Schraubenfedern, Längslenkern und einen Panhardstab, optional mit Stabilisator. Dies hat Touring sehr schön nachgezeichnet, sogar mit Stabi. Dazu kommen die einwandfrei ausgeführte Lackierung und keinerlei Verarbeitungsmängel. Ein rundum gut gelungener Kadett Caravan in seiner edelsten Form.

afs

Vorbild des konkreten Modells von Touring Modelcars muss ein heutiges Fahrzeug sein, denn der Kadett trägt ein H-Kennzeichen, und das gibt es erst seit Juli 1997. Damals musste ein Auto 30 Jahre alt sein, um H-tauglich zu werden. Der Kadett als ’72er-Jahrgang konnte es also frühestens 2002 bekommen.
Modellfotos: bat
Zum kleinen Facelift des Modelljahres 1972 gehörte neben dem mattschwarzen Grill auch ein neuer „Kadett“-Schriftzug, zwar weiterhin in Schreibschrift, diese aber weniger auseinander gezogen.
Gut zu sehen die aufwendige Hinterachskonstruktion ab dem dritten Produktionsjahr 1968: Schraubenfedern, Längslenker und ein Panhardstab statt der blattgefederten Starrachse. Hintergrund: Durch den Rallye-Kadett war der Wagen zum 90-PS-Auto aufgestiegen, und das braucht schon ein vernünftiges Fahrwerk.

Steckbrief:

Touring Modelcars 48100 Opel Kadett B L Caravan 1,2 Automatik 1972 grünmetallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. Auflage 850 Exemplare. UVP 69,95 Euro.