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Sammeln 1:87:IM Volvo 240 GL Limousine und Kombi

Produktpiraterie, Plagiat – aber spannend, fast schon sexy

Vor einigen Wochen tauchten in einem H0-Modellautoforum und kurz danach auf einer Internet-Verkaufsplattform 1:87-Modelle des Volvo 240 als Limousine und Kombi auf. Der bis dato nie gehörte Herstellernamen lautet „IM“ oder „I-Models“. Das erstaunte die Sammler sehr, sehen beide Modelle doch sehr nach Minichamps aus. Beide waren von Minichamps angekündigt und standen kurz vor der Auslieferung. Schnell wurden Gerüchte kolportiert, es handle sich um Ausschussmodelle aus der Minichamps-Produktion. Nun liegen uns die Chinesen-Volvos zur Begutachtung und zum Vergleich mit den Minichamps-Originalen vor. Fazit vorweg: Es sind unauthorisierte Plagiate und sie sind qualitativ schlechter.

Auf den ersten Blick kein Unterschied zwischen den unbekannten Chinesen und den zwischenzeitlich ausgelieferten Volvos von Minichamps (Caramini-online vom 27. September 2025), jeweils 240 GL Limousine und Kombi von 1986. Das machte Caramini-online natürlich neugierig und wir fragten bei Minichamps nach. Antwort aus Aachen: Minichamps habe nichts mit diesen China-Modellen zu tun, also keine Ausschussmodelle. Vergleicht man die Modelle der beiden Hersteller, so wirken sie auf den ersten Blick identisch. Eine genauere Untersuchung führt dann zu folgenden Ergebnissen:

Die Modelle entstammen unterschiedlichen Formwerkzeugen. Der Chinesen-Volvo ist eine fast, aber nur fast originalgetreue Kopie des Minichamps-Modells. Beim genauen Vergleich unter Zuhilfenahme der Lupe zeigen sich Unterschiede in der Gravur der Karosserie, vor allem aber am Chassis. Die Chinesen haben nichts vergessen oder übersehen, manchmal aber geschludert und so manche Vertiefung nicht so kantengenau geformt wie Minichamps. Was natürlich fehlt, ist der „Minichamps“-Schriftzug auf der Bodenplatte. Aber selbst die Autotyp-Bezeichnung und das „made in China“ sind an der selben Stelle und in der selben Typologie vorhanden. Die dubiose Eigenbezeichnung „IM“ ist nirgends am Modell zu lesen, nur auf der Schachtel.

Unterschiede nicht nur im Formenbau, sondern auch in der Verarbeitung: Die Lackierung zeigt sich deutlich schlechter als beim Original, zum Teil leichte Orangenhaut und der Klarlacküberzug fehlt – das heißt, die Chinesen-Volvos sind in matten Tönen lackiert. Beim Kombi fehlt die Regenleiste und die Zierleiste, bei der Limousine nur letztere. Bei beiden Modellen sind die Chromleisten auf den Stoßstangen nicht vorhanden. Ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal ist der aufgedruckte silberne Front- und Heckscheibenrahmen, der bei dem IM-Modellen auf dem transparenten Scheibeneinsatz sitzt und die Fensterflächen dadurch kleiner wirken lässt. Bei Minichamps befindet sich die Bedruckung korrekterweise auf der dafür vorgesehenen Gravur der Karosserie.

Auch die Verpackungen ähneln sich, Klarsichtboxen (unterschiedlicher Dimensionen) mit bedrucktem Pappinlett (unterschiedlicher Dekorationen). Der Chinese gibt logischerweise wenig Hintergründiges über sich preis: Nur, dass er von IM und „made in China“ sei; der in der EU vorgeschriebene Herstellernachweis mit Kontaktdaten und die EU-Konformitätserklärung fehlen. Das Hintergrundfoto ist so einfallslos wie wenig aufschlussreich. Es ist die etwas verzerrte Darstellung einer kleinen Industrieanlage an einer Straße, davor parkten drei moderne, chinesische Autos der gehobenen Klasse.

Dies alles führt zu einem minderwertigen Gesamteindruck im direkten Vergleich zum Minichamps-Modell. Würde man den Chinesen-Volvo allerdings unabhängig von der Minichamps-Miniatur sehen, so hätte man Grund für Lob. Denn wer etwas Gutes gut kopiert, schafft logischerweise etwas Gutes. Es stellt sich den Verfassern natürlich die Sinnfrage. Warum schafft jemand in China die Kopie eines weithin erhältlichen Modells mit gutem Vertrieb, um es gleichzeitig auf den Markt zu bringen? Der Volvo mag in seiner Heimat China billiger sein als ein originaler Minichamps-87er. Für uns europäische Sammler ist er es nicht. Mit Versand und Einfuhrgebühren kommt ein China-Volvo auf knapp 20 Euro, das Original kostet rund 5 Euro mehr.

Zur Ehrenrettung des kleinen Volvo inklusive seiner Verpackung sei bemerkt, dass er wohl kaum für den Export in die EU gedacht ist, sondern eher in seiner Heimat verkauft werden soll. Ausschließlich dort wird er bis jetzt angeboten, es sind nur Privatimporte möglich. Und ziemlich sicher wird sich kein europäischer Händler finden, der die Volvos importiert und hier anbietet. Denn er würde wahrscheinlich recht schnell Anwaltspost aus Aachen bekommen. Obendrein begibt sich auch jeder private Sammler, der einen China-Volvo in Eigeninitiative bestellt und somit importiert, auf dünnes Eis. Der Zoll kann das Modell jederzeit konfiszieren und schreddern – sofern die Zöllner es als Plagiat erkennen.

Dass es sich um ein Plagiat handelt ist eindeutig, auch wenn die Volvo 240 unter einem anderen Markennamen vertrieben werden. Die Definition eines Plagiats lautet (Zitat aus Oxford Languages): „…unrechtmäßige Aneignung von Gedanken, Ideen o. Ä. eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung; Diebstahl geistigen Eigentums“. Dies ist hier der Fall. Auch die Bezeichnung Produktpiraterie kann bei den IM-Modellen angewendet werden (Zitat aus Google): „Produktpiraterie bezeichnet die Herstellung und den Handel mit gefälschten Produkten, die geistige Eigentumsrechte wie Marken-, Urheber- oder Patentrechte verletzen. Sie umfasst die Nachahmung von Originalwaren, die oft qualitativ minderwertig sind, und kann sowohl billige Fälschungen als auch hochwertige Imitationen beinhalten.“

Die Sinnfrage, warum I-Models ein Minichamps-Plagiat fertigt, lässt sich also nicht abschließend beantworten. Aber jene schon, ob es für den Sammler Sinn ergibt, sich einen gefälschten Minichamps-Volvo in die Vitrine zu stellen. Die Antwort gibt Radio Eriwan: Es kommt darauf an. Nämlich darauf, wie man sammelt, was man will, was einem Spaß macht. Eine Alternative zum Minichamps-Original ist der China-Volvo nicht, dazu ist er zu schlecht und nicht billig genug. Aber ein Volvo-Sammler, der alle Volvos haben möchte, braucht ihn natürlich. Und wer exotische Modellautos liebt, die nicht jeder hat, wird ihn auch mögen. Zudem haftet ihm der Geruch des nicht ganz Legalen an, was durchaus attraktiv ist. Aber letztlich ist es illegal – vor allem für Caramini-online-Leser. Denn sie können sich jetzt nicht mehr dumm stellen und dem gestrengen Zöllner sagen: „Des hab’ i net g’wusst!“ Aber selbst wenn – Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Und es ist verboten, China-Plagiate in die EU einzuführen.

Wie man letztlich zum Chinesen-Volvo steht, ist eine individuelle Entscheidung. kr sagt, IM-Modelle seien nichts als eine Fußnote in der Geschichte des H0-Modellautokosmos’ und hat sie einzig aus dem Grunde angeschafft, um darüber zu berichten. afs hingegen findet die Dinger ein wenig verrucht und somit sexy. Er hat sie sich gekauft, alleine um sie zu besitzen.

kr/afs

Die IM-Plagiate flankieren das Minichamps-Duo: Die qualitativen Unterschiede fallen sofort ins Auge.
Modellfotos: kr
Beim IM-Modell links fehlen die Chromleisten an der Seite und auf den Stoßstangen. Die falsche Platzierung des Frontscheibenrahmens lässt die Scheibe kleiner erscheinen, die Lackierung ist matt. Beim Kombi fehlt überdies die Bedruckung der Regenleiste.
Die Bodenplatte ist ebenfalls eindeutig eine Kopie der Minichamps-Form, natürlich ohne Markenzeichen. Sogar Schriftbild und Platzierung der Schrift sind deckungsgleich. Wer genau hinsieht, erkennt, dass die Kopie weniger akkurate Gravuren aufweist.
Modellfoto: bat
Die beiden Verpackungen: gleiche Machart mit Klarsichtbox und Pappeinleger, unterschiedliche Dimensionen und Dekorationen. Die IM-Box erinnert an keine uns bekannte Schachtel. Es lässt sich also auch nicht über die Art der Verpackung auf einen (bekannten?) Hersteller schließen.
Modellfoto: bat